Heuchelei der Münchener Politik muss entlarvt werden
von Katharina Doll
Gestern waren in München, Kassel, Bonn, Dresden, Nürnberg und Würzburg Zehntausende auf der Straße gegen die rassistische Hetze des Pegida-Bündnisses. Deren Kundgebung war wiederholt auf jetzt über 15.000 angewachsen. Doch deren Nachahmer unterlagen überall den anwachsenden Gegendemonstrationen bei weiten. Etwa 200 waren es in Würzburg und Bonn, 165 in Kassel, fünf in Berlin. Das und die Tatsache, dass die Mobilisierung in Dresden unter den Erwartungen lag, könnte der Grund sein, warum Pegida-Organisator Lutz Bachmann die Demo nächsten Montag erstmal ausfallen lässt.
Die Müncher Demonstration zeigt, dass es in Bayern offensichtlich ein massives Potential gibt, gegen Islamophobie und für Flüchtlinge auf die Straße zu gehen. Es versammelten sich gestern um 18 Uhr laut Veranstalter bis zu 25.000 Menschen mit Pappen und Fahnen vor dem Residenztheater. Kämpferisch war die Stimmung nur in kleinen Teilen der Demonstration. Vor allem ein Block aus ver.di-Jugend und SDAJ versuchte immer wieder Sprechchöre anzustimmen, was von der Bühne weitgehend übertönt wurde. Auch die Linkspartei und Europäische Linke waren mit mehreren Fahnen präsent, Material von linken Gruppierungen gab es leider kaum.
Aufgerufen wurde zu den Münchner Protesten von einem bürgerlichen Bündnis aus SPD, Grünen, Flüchtlingsinitiativen wie Pro Asyl sowie Teilen der Münchner Kulturszene. Selbst die FDP beteiligte sich an der Demonstration. Dass gerade der Münchner Oberbürgermeister Reiter so offensiv versucht, im Bündnis gegen Pegida seine Toleranz für Flüchtlinge und Migranten zu demonstrieren, wirkt mehr als zynisch. Immer wieder ist die bayerische Politik in den letzten Jahren durch eine besonders rassistische Haltung zur Flüchtlingsfrage aufgefallen. Bayern ist eines der härtesten Länder bezüglich Abschiebepolitik – allein 2013 fanden 942 Abschiebungen statt. Etwa jeder zehnte Abgeschobene war minderjährig. Auch vor Abschiebungen in Krieg- und Krisenstaaten schreckt die bayerische Politik nicht zurück: unter den Abgeschobenen waren Menschen aus Syrien, Afghanistan, Irak, Iran, Pakistan und Somalia. Nach wie vor ist die Abschiebehaft ein gängiges Mittel der Behörden.
Es gab in den letzten Jahren heftige Proteste gegen die rassistische Ausgrenzungspolitik in Bayern. Im Juni 2013 war nach einem Hunger- und Durststreik ein Protestcamp von Flüchtlingen geräumt worden, 44 Flüchtlinge kamen ins Krankenhaus, ein Flüchtling musste wiederbelebt werden, mehrere lagen im Koma. Im September wurde das Münchner DGB-Haus von Flüchtlingen besetzt. Trotzdem kam aus dem Mund der regierenden Politiker nur heiße Luft. Diesen November war es ähnlich: Nach der Räumung eines Protestcamps übernachteten mehrere Flüchtlinge auf Bäumen. Am Tag darauf versprach OB Reiter ihnen einen Runden Tisch mit Vertretern von Parteien und Verbänden. Dieser war nach 2 Stunden beendet, keiner der Politiker ging konkret auf nur eine Forderung der Flüchtlinge ein, Reiter bezweifelte in einem Interview danach sogar, dass man bei den Unterbringungen der Flüchtlinge in Bayern von Lagern sprechen kann.
Es ist ein gutes Zeichen, dass gestern so viele in München auf der Straße waren. Gleichzeitig ist es absolut notwendig, nicht nur Pegida als rassistisch anzuprangern sondern auch die Rolle der Münchner Politik im Bezug auf Migranten und Flüchtlinge zu hinterfragen. Solange Sarrazin ein SPD-Mitgliedsbuch mit sich rumträgt, die SPD weltweit mit befreundeten Lobbypartnern Waffen vertickt und bundesweit Flüchtlinge in Lager steckt und abschiebt ist ihr Versuch antirassistisch aufzutreten nicht mehr als ein populistischer Kniff.
München zeigt, wie viele Menschen von der rassistischen Propaganda von Pegida & Co abgeschreckt sind. Überall sollten jetzt Großproteste dagegen auf die Beine gestellt werden. (Vorschläge der SAV gibt es hier). Linke sollten sichtbar und laut auftreten und die eigenen Positionen zu Pegida, Migration und Flucht zu erklären. Das muss mit Offenheit für neue Teilnehmer, aber in klarer Abgrenzung zu den herrschenden Parteien geschehen.