In Großbritannien kämpft die Eisenbahnergewerkschaft RMT gegen Privatisierung und Stellenabbau
Interview mit Jared Wood, politischer Sekretär der RMT Transport Region London. Die National Union of Rail, Maritime and Transport Workers ist die Eisenbahner- und Verkehrsgewerkschaft in Großbritannien.
In Großbritannien wurde die Bahn schon in den 1990er Jahren privatisiert. Welche Folgen hatte das für Fahrgäste und Beschäftigte?
Die Privatisierung des britischen Bahn im Jahr 1993 hat sich als ein Mittel herausgestellt, um Milliardensummen öffentlicher Subventionen von der Bahninfrastruktur zu den privaten Aktionären der Bahn- und Baufirmen umzuleiten. Es wird geschätzt, dass die öffentlichen Subventionen für das Bahnwesen in Großbritannien seitdem um 400 Prozent gestiegen sind, aber dieses Geld ist in den Taschen der Aktionäre verschwunden während die Fahrpreise in die Höge geschossen sind.
Die Auswirkungen für Beschäftigte waren ganz unterschiedlich. Lokführer zum Beispiel konnten ihre Standards weitgehend halten, weil auch die privaten Firmen eine große Nachfrage nach gut qualifizierten Zugführern hatten und haben, schließlich ist auch das Fahrgastaufkommen explodiert. Aber grundsätzlich kann man sagen, dass die Arbeitsplätze prekarisiert wurden und es zu Stellenabbau an Bahnstationen, im Bereich der Servicekontrolle und Wartung gekommen ist.
In den letzten Jahrzehnten waren Investitionen in die britische Bahn absichtlich zurückgehalten worden, um Argumente für die Privatisierung zu kreieren. Wirtschaftswachstum und Verkehrsstaus haben den Schienenverkehr in Großbritannien stark anwachsen lassen, aber der Privatsektor war nicht in der Lage dieser Nachfrage gerecht zu werden. Stattdessen wurden Fahrpreise erhöht und sicher Arbeitsplätze vernichtet. So ist auch das Durchschnittsalter der fahrenden Züge gestiegen und Überfüllung der Züge ist ein Dauerphänomen geworden – trotzdem erhalten die privaten Firmen weiterhin riesige öffentliche Subventionen.
Was fordert denn die RMT hinsichtlich des Themas Privatisierung?
Wir fordern die komplette Rückverstaatlichung aller Bahnfirmen und technischen Dienstleister im Vereinigten Königreich. Wir brauchen wieder ein völlig integriertes und öffentliches Bahnsystem, das die Bahndienstleistungen und nötige Infrastruktur plant und verantwortet.
Mit welchen Auseinandersetzungen war die RMT in letzter Zeit konfrontiert?
Die RMT ist in sehr viele Kämpfe involviert. Ein Bereich, in dem wir in letzter Zeit neue Mitglieder gewinnen konnten ist der Kampf gegen so genannte Null-Stunden-Verträge und gegen das Outsourcing von Reinigungs- und Servicediensten. Wir haben zum Beispiel einen wichtigen Kampf für einen angemessenen Lohn für Reinigungskräfte gewonnen, die für eine Fremdfirma bei der Tyne&Wear Metro im Nordosten Englands arbeiten.
In meinem Bereich, der Londoner U-Bahn, kämpfen wir gegen Kürzungspläne, die 4,2 Milliarden britische Pfund umfassen. Diese Kürzungen sind Folge der Austeritätspolitik der Regierung und haben nichts damit zu tun in irgendeiner Art und Weise die Situation der U-Bahn zu verbessern. 900 Arbeitsplätze sollen vernichtet werden und Löhne für Neueingestellte sollen deutlich abgesenkt werden.
Wie ist es der RMT gelungen eine Einheit zwischen Arbeitern unterschiedlicher Berufe und Firmen zu bewahren?
Wir kämpfen und streiken. Unsere Arbeitgeber bei der Londoner U-Bahn können nicht glauben, dass Techniker, U-Bahn-Fahrer und Stellwerker im 21. Jahrhundert gemeinsam streiken, um, sind Arbeitsplätze zu verteidigen. Diese Solidarität haben wir über Jahre aufgebaut, weil wir eine kämpferische Gewerkschaft sind. Wir haben gezeigt, dass Arbeitereinheit in der Lage ist, etwas für alle Berufsgruppen herauszuholen. Das ist uns wichtig, denn dadurch sind Beschäftigte weniger leicht gegeneinander auszuspielen. Aber das funktioniert nur, wenn die Gewerkschaft auch alle in die Entscheidungsprozesse und Kämpfe einbezieht. Die RMT hat zum Beispiel dafür gekämpft, dass die Verhandlungen zu den Kürzungsplänen nicht auf der Ebene einzelner Bereiche, sondern auf Unternehmensebene geführt werden und dabei Vertreter aller Berufsgruppen einbezogen werden.
Was möchten Sie den streikenden Lokführern in Deutschland sagen?
Verteidigt Euer Recht auf gewerkschaftliche Organisation und das Streikrecht! Setzt Euch zur Wehr gegen die Profitgeier der privaten Unternehmen. Ich wünsche Euch viel Erfolg in Eurem Kampf und sende die solidarischen Grüße der RMT Transport aus London.
Das Interview ist der Streikzeitung Ja zum GDL-Arbeitskampf – Nein zum Tarifeinheitsgesetz entnommen. Das Interview führte Sascha Stanicic.