Der Arbeitskampf der GDL geht weiter – Solidarität ist das Gebot der Stunde!
Der Streik der in der GDL organisierten LokführerInnen und ZugbegleiterInnen hielt in der letzten Woche die Republik in Atem. In widerwärtiger Art und Weise haben BILD und Focus eine Hetzjagd auf den GDL-Vorsitzenden Claus Weselsky angestoßen und wieder einmal unter Beweis gestellt, welch „Kloakenjournalismus“ (Tucholsky) sie praktizieren. Während Medien (mit wenigen Ausnahmen), Bahn-Vorstand, so mancher Gewerkschaftsführer und die Bundesregierung zum Kampf gegen die GDL rüsteten, wurde auch die Unterstützung für den GDL-Streik sichtbarer. Und es ist erkennbar, dass dieser Druck Wirkung erzielt.
Von Sascha Stanicic
Die GDL kämpft für eine fünfprozentige Lohnerhöhung und eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit um zwei Stunden. Sie ist damit die erste Gewerkschaft, die seit vielen Jahren wieder für eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich streikt. Etwas, woran sich die DGB-Gewerkschaften ein Beispiel nehmen sollten.
Sie kämpft nicht nur für die LokführerInnen, sondern auch für die ZugbegleiterInnen – was Antwort genug auf den Vorwurf ist, sie vertrete nur die mit einer besonderen Machtposition ausgestatteten LokführerInnen. Nein, sie nutzt in diesem Arbeitskampf diese Machtposition, um die Situation für andere Beschäftigte auch zu verbessern. Etwas, woran sich die DGB-Gewerkschaften ein Beispiel nehmen sollten.
Mit ihrem Streik verteidigt sie gleichzeitig das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit und Streikrecht, das durch das geplante Tarifeinheitsgesetz zur Disposition gestellt ist. Ihr Arbeitskampf ist zur Zeit das wichtigste und effektivste Mittel im Kampf gegen das Gesetz. Etwas, woran sich die DGB-Gewerkschaften ein Beispiel nehmen sollten.
Streikverkürzung
Die Entscheidung der GDL-Führung, den Streik frühzeitig am Samstag Abend zu beenden, wurde gefällt, nachdem vor Gericht in zwei Instanzen gewonnen wurde. Diese Gerichtsurteile sind entscheidend und es war gut und richtig, dass die GDL sich dabei auf keinen Vergleich und keine Schlichtung eingelassen hat. Denn nun ist die Frage ihres Streikrechts erst einmal geklärt.
Ob diese Streikverkürzung ein kluger taktischer Schachzug war, mag zu diskutieren sein. Angesichts des medialen Trommelfeuers hat der Schritt sicher verhindert, dass der 9. November und die Berichterstattung über die Mauerfall-Feierlichkeiten zur weiteren Hetze gegen die GDL genutzt werden konnte. Als Zeichen der Schwäche wird dieser Schritt kaum gewertet. Entscheidend wird sein, ob die GDL-Führung nun weiterhin konsequent bleibt. Und dies nicht nur in der Frage der von ihr geforderten Vertretungsrechte für die bei ihr organisierten ZugbegleiterInnen und der Tarifpluralität, sondern auch hinsichtlich der materiellen Forderungen.
Claus Weselsky weist leider allzu häufig darauf hin, dass die GDL in der Frage der Lohnerhöhung und Arbeitszeitverkürzung kompromissbereit ist. Aber die GDL-Mitglieder streiken nicht nur für ihre Rechte, sondern dafür, dass diese zur Durchsetzung spürbarer Verbesserungen genutzt werden. Deshalb sollte die GDL sich die volle Durchsetzung ihrer Forderungen auf die Fahne schreiben.
DGB-Gewerkschaften
Die Haltung vieler DGB-Gewerkschaftsführer ist skandalös. Sie werfen das ABC von Gewerkschaftspolitik über den Haufen, wenn sie in einem Konflikt zwischen Kapital und Arbeit nicht solidarisch auf der Seite kämpfender KollegInnen stehen. Die Unterscheidung zwischen Ablehnung des Tarifeinheitsgesetzes und Nicht-Unterstützung des GDL-Streiks, wie sie von der ver.di-Führung vorgenommen wird, kommt daher erstens ebenso einer Entsolidarisierung gleich und bedeutet zweitens, dass der Kampf gegen das Tarifeinheitsgesetz nicht konsequent geführt wird. Denn klar ist: verliert die GDL diesen Arbeitskampf, wird auch das Tarifeinheitsgesetz nur schwer zu stoppen sein. Dass die EVG dieses nun auch ablehnt, sollte kritisch betrachtet werden, denn die verschwurbelten Äußerungen, die dazu in den Medien zu lesen sind, erwecken den Eindruck, dass die EVG-Führung sich ein noch restriktiveres Gesetz für Tarifeinheit wünscht, als der Nahles-Entwurf es ist.
Nötig ist, dass in den Gewerkschaften nun auf allen Ebenen Solidarität mit dem Arbeitskampf der GDL eingefordert wird und entsprechende Beschlüsse erwirkt werden. Erste positive Beispiele gibt es dafür schon von ver.di in Südhessen, dem Verkehrsbereich von ver.di im Norden und dem Fachbereich Medien von ver.di in Hamburg. Gleichzeitig sollte gefordert werden, dass die DGB-Gewerkschaften einen tatsächlichen Kampf gegen das Tarifeinheitsgesetz führen – mit Protesten, Mobilisierungen und, wo möglich, auch Arbeitsniederlegungen.
Wichtig wäre auch, wenn die GDL bereit wäre (und dies klar machen würde), auch gemeinsam mit den EVG-KollegInnen für die ähnlichen Forderungen in den beiden stattfindenden Tarifrunden zu kämpfen, um eine Einheit der Belegschaft im Kampf für höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten zu erreichen.
LINKE
DIE LINKE hat sich eindeutig solidarisch mit dem GDL-Steik erklärt. Leider hat sie dafür jedoch viel zu lange gebraucht. Erst am 10. November hat der geschäftsführende Parteivorstand dazu einen entsprechenden Beschluss gefällt – nach dem Streik. Der Parteivorsitzende Bernd Riexinger hatte im Vorfeld zwar das Recht der GDL, für ihre Forderungen zu streiken, grundsätzlich verteidigt, doch am 6. November, zum Höhepunkt der Medienkampagne gegen Weselsky, wurde er in der Presse mit den Worten zitiert, der Streik sei „falsch“. In der letzten Woche hatten aber die Solidaritätsbekundungen aus der Partei immer mehr zugenommen. Nach dem Landesverband Bremen und dem Landesvorstand in Nordrhein-Westfalen hatte am Wochenende auch der Berliner Landesparteitag einen von der Antikapitalistischen Linken und anderen eingebrachten Antrag zur Solidarität mit dem GDL-Arbeitskampf angeschlossen. In kontroverser Debatte musste sich das Lucy Redler (ebenfalls SAV-Mitglied), die den Antrag für die AntragstellerInnen begründete, zwar von der stellvertretenden Landesvorsitzenden Elke Breitenbach Spaltungsabsichten vorwerfen lassen, aber letztlich wurde der Antrag mit deutlicher Mehrheit angenommen, nachdem sich auch Teile des gemäßigten Parteiflügels, wie Stefan Liebich, dafür aussprachen.
Nun sollte die Partei eine Solidaritätskampagne für den GDL-Arbeitskampf starten. Teil davon könnte sein, zu einer Konferenz für Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter einzuladen, auf der über Solidaritätsaktivitäten und die Bedeutung des GDL-Arbeitskampfes diskutiert und konkrete Absprachen für Solidaritätsaktivitäten ergriffen werden könnten.
Streikzeitung
Eine wichtige Rolle in der Verbreitung von Argumenten für Solidarität mit dem Arbeitskampf der GDL und dabei, die Debatte in Gewerkschaften und DIE LINKE zu tragen, hat auch die Streikzeitung „JA zum GDL-Arbeitskampf – NEIN zum Tarifeinheitsgesetz“ gespielt, deren erste Ausgabe in einer Auflage von 65.000 während des Streiks herausgebracht wurde. Herausgegeben von einem Kreis linker PublizistInnen, GewerkschafterInnen und AktivistInnen, wie Winfried Wolf, Anton Kobel, Lucy Redler, Mag Wompel und anderen, spielt diese Zeitung jetzt schon eine wichtige Rolle in der so dringend nötigen Solidarität mit den KollegInnen bei der Bahn.
Wie weiter?
Der Arbeitskampf ist aufgrund der direkten Verbindung zum Tarifeinheitsgesetz eine höchst politische Auseinandersetzung. Von Seiten des Bahn Managements und der Regierung wird sie auch so geführt. Davon kann die GDL noch lernen. Sie sollte deshalb eine viel aktivere Kampagne in die Gesellschaft hinein durchführen – mit Massenflugblättern, Plakatkampagnen, der Verbreitung der Streikzeitung etc. gezielt die Mitglieder anderer Gewerkschaften ansprechen und erklären, warum der Kampf der GDL auch in ihrem Interesse ist. Und das nicht nur aufgrund des Zusammenhangs zum Tarifeinheitsgesetz, sondern auch aufgrund der materiellen Forderungen, für die gekämpft wird. Das sollte dann aber begleitet werden mit politischen Argumenten gegen die Umverteilungspolitik von unten nach oben, gegen die fortschreitende Prekarisierung, gegen die geplanten Entlassungen bei der Bahn – und auch gegen den Börsengang der Bahn, der immer noch nicht vom Tisch ist.
Diese Auseinandersetzung wird aber sicher nicht nur zwischen GDL und Bahn Management entschieden. Allerdings wird es wahrscheinlich nötig sein, dass die GDL den Druck durch weitere Streikmaßnahmen erhöht und diese auch steigert. Dabei sollten die Streikenden selber maximal einbezogen werden durch Streikversammlungen auf denen über das weitere Vorgehen beraten wird. Die zentrale Kundgebung am 7. November in Berlin hat den beteiligten GDL-Mitgliedern ein Gefühl für ihre Stärke gegeben. Das sollte wiederholt werden durch zentrale und dezentrale Mobilisierungen, zu denen auch gezielt UnterstützerInnen eingeladen werden sollten. Sinnvoll wäre auch eine bundesweite Streikdelegiertenkonferenz, um die Kampfmoral zu stärken und den Streik auf breite Beine in der Belegschaft zu stellen.
Wenn die GDL eine offensive politische Kampagne zur Erklärung ihrer Ziele führt, wird sie auch mehr Sympathien in der Bevölkerung gewinnen können. Hier sind aber vor allem Gliederungen der DGB-Gewerkschaften, DIE LINKE und andere Gruppen und Bewegungen gefordert. Sie haben es in der Hand, einen entscheidenden Beitrag zur Änderung der so genannten „öffentlichen Meinung“ zu leisten. Solidaritätsaktionen, -veranstaltungen und -komitees können dazu wichtige Mittel sein.