Gesetzentwurf zur Tarifeinheit verhindern

Foto: https://www.flickr.com/photos/farbfilmvergesser/ CC BY-NC-SA 2.0
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Solidarität mit den Streikenden bei Bahn und Lufthansa

Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat ihren lange angekündigten Gesetzentwurf zur Tarifeinheit vorgelegt. Zu Redaktionsschluss war noch keine Reaktion des DGB darauf bekannt. Die Führungen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) haben ihn begrüßt. Nötig wäre jedoch, dass sich alle DGB-Gewerkschaften klar dagegen positionieren und Proteste organisieren.

von Angelika Teweleit, Berlin

Wie erwartet, beinhaltet der Gesetzentwurf zwar im eigentlichen Wortlaut keine Einschränkung der Koalitionsfreiheit oder des Streikrechts, faktisch läuft es aber darauf hinaus. Gibt es verschiedene Gewerkschaften innerhalb eines Betriebs, sollen diese eine Tarifgemeinschaft bilden oder sonstige Abmachungen treffen; zum Beispiel, welche Gewerkschaft welche Berufsgruppe vertritt. Scheitert eine Einigung, soll ein Notar prüfen, welche Organisation mehr Mitglieder im jeweiligen Betrieb hat. Es soll dann nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft, die im Betrieb die meisten Mitglieder hat, zur Geltung kommen.

Wenn ArbeitnehmerInnen sich also in einer kleineren Gewerkschaft im Betrieb organisieren wollen, würden die Möglichkeiten massiv eingeschränkt, über diese Gewerkschaft tarifpolitische Ziele durchsetzen zu können. Das kann verschiedene Gewerkschaften treffen. Wenn die Lokführer-Gewerkschaft GDL sich nicht mit der EVG einigen könnte, würde es davon abhängen, wie sich der „Betrieb“ definiert. Wenn aber der Betrieb die gesamte DB AG wäre, dann würde nur noch die EVG die Tarife verhandeln. Das hätte fatale Folgen für die GDL. In anderen Betrieben könnten aber auch DGB-Gewerkschaften die Leidtragenden sein, wie zum Beispiel ver.di in einigen Krankenhäusern. Statt einer von oben verordneten Tarifeinheit sollte es in den Fällen, in denen sich die Gewerkschaften nicht einig werden, Wahlfreiheit für alle Beschäftigten geben.

Hetze gegen LokführerInnen und PilotInnen

Laut Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigen die Streiks bei Bahn und Lufthansa (beziehungsweise ihrer Tochter Germanwings), dass es „gute Gründe“ für die gesetzliche Tarifeinheit gebe. Wie schon beim Streik der GDL 2007/2008 wird eine unglaubliche Hetzkampagne gegen die streikenden LokführerInnen und ihre Gewerkschaft losgetreten. Auch die Führung der EVG und des DGB lassen sich vor den Karren von Bahn und Regierung spannen. Um das Gesetz zur Tarifeinheit durchzusetzen, soll die Mehrheit der Bevölkerung gegen die Streikenden aufgebracht werden. So wird vermittelt, es handele sich um privilegierte Berufsgruppen, die sich nur eine noch privilegiertere Stellung in der Gesellschaft erstreiken wollen.

Gute Gründe für Streiks

Aufgrund des Stellenabbaus infolge der Bahn-Privatisierung hat die Arbeitsbelastung enorm zugenommen. Neben einer mehr als berechtigten Lohnforderung von fünf Prozent sind zentrale Forderungen der GDL deshalb unter anderem eine Arbeitszeitverkürzung von zwei Stunden in der Woche, bessere Schichtregelungen und weniger Aufbau von Überstunden (siehe auch Seite 11).

Die PilotInnen der Lufthansa und ihrer „Töchter“ wehren sich gegen eine Verschlechterung bei der Regelung zur Frühverrentung. Selbst wenn diese Regelung im Vergleich zu anderen Beschäftigten besser ist, sollte jeglicher Angriff auf Besitzstände von Beschäftigten abgewehrt werden. Dazu kommt, dass die Arbeitsbedingungen der PilotInnen sich wie in den meisten anderen Berufen massiv verschärft haben und die Belastung ohnehin enorm hoch ist. Wenngleich die Gehälter von Lufthansa-PilotInnen im Vergleich hoch sind, so gibt es auch hier einen Wettlauf nach unten, der letztlich Wirkung auf andere hat. Bei der ausgelagerten Germanwings beträgt das Jahresgehalt eines Flugkapitäns 20 Prozent weniger als bei Lufthansa (wobei von der Ausbildung ein Anteil in Höhe von 70.000 Euro selbst bezahlt werden muss). Die Streiks sind zum einen gerechtfertigt, um die Spirale nach unten zu durchbrechen und auch sie sind wie die GDL-Streiks im Interesse der Sicherheit der Passagiere.

Solidarität?

Andrea Nahles benutzt in der öffentlichen Debatte Begriffe aus der Arbeiterbewegung, um ihren Angriff auf das Streikrecht zu verschleiern. Zum Kern des Streikrechts gehöre immer auch das Prinzip der Solidarität, so meint sie: „Die Stärkeren treten für die Schwächeren ein.“ Das sagt die Vertreterin der Partei, die mit der Agenda 2010 prekäre Beschäftigung und Tarifflucht gefördert hat. Dagegen stellt DIE LINKE eindeutig klar, dass Einheit nicht von oben verordnet werden kann und dass die Koalitionsfreiheit und das Streikrecht nicht angetastet werden dürfen.

Zwangsschlichtung?

Die Diskussion um die Tarifeinheit soll als Türöffner für weitere Eingriffe in das Arbeitskampf- und Streikrecht dienen. So wurde kürzlich auch vom CDU-Wirtschaftsrat gemeinsam mit Unternehmern die Möglichkeit erörtert, in der sogenannten Daseinsvorsorge eine Zwangsschlichtung einzuführen. Das könnte es den Gerichten in Zukunft einfach machen, Streiks als unzulässig zu erklären. ver.di hat diese Pläne in einer Presseerklärung zurückgewiesen. Dies macht deutlich, dass sich die Gewerkschaften generell auf einen Kampf um das Streikrecht einstellen müssen.

Druck von unten

Schon einmal konnte mit Druck von unten erreicht werden, dass zumindest die ver.di-Führung sich klar gegen die Tarifeinheitspläne positionieren musste. Gerade jetzt sollten möglichst viele Anträge und Resolutionen eingebracht werden, mit denen weiter Druck auf die Führungen der DGB-Gewerkschaften aufgebaut werden kann. Diejenigen Kräfte, die sich klar gegen das Gesetzesvorhaben wenden, sollten sich koordinieren, um Protestaktionen zu planen und zu diskutieren, wie man Unterstützung aus den DGB-Gewerkschaften organisieren kann.

Gleichzeitig sollten diejenigen, die sich gerade im Streik befinden, auch die Unterstützung von Beschäftigten aus anderen Betrieben und Branchen erfahren. Um der Hetze in den Medien etwas entgegenzusetzen, helfen Solidaritätsschreiben von Belegschaften, gewerkschaftlichen Gremien sowie aus der LINKEN, wie zum Beispiel von der LINKEN Bremen (www.dielinke-bremen.de/index.php?id=18216).