Am Sonntag, 21. September 2014, beteiligten sich in New York mehr als 400.000 Menschen am People’s Climate March
William Blueher, „Socialist Alternative“, USA
Angekündigt als größter Marsch gegen den Klimawandel in der Geschichte der USA überstieg die Teilnehmerzahl am Ende die Erwartungen der OrganisatorInnen bei weitem, die ursprünglich von 100.000 DemonstrantInnen ausgegangen waren. Dieser Marsch war nicht nur überwältigend, was seine Größe insgesamt angeht. Auch die Teilnahme jugendlicher DemonstrantInnen war enorm. Diese Veranstaltung kann mit Fug und Recht als Schlüsselerlebnis bei der Radikalisierung einer ganzen Generation gewertet werden. So waren auch sehr, sehr viele SchülerInnen mit dabei, die aus dem ganzen Land angereist waren. Ein Demo-Block bestand allein aus über 50.000 SchülerInnen. Zwar trugen viele von ihnen Schilder mit sich, die eher vage blieben: „Youth Choose Climate Justice“ (dt.: „Die Jugend wählt Klima-Gerechtigkeit“). Es gab allerdings auch eine ganze Reihe konkreterer Aussagen: „Youth Choose System Change“ (dt.: „Die Jugend wählt den Systemwechsel“).
Dass auch die Gewerkschaften mit gut sichtbaren Kontingenten vertreten waren (so z.B. die Dienstleistungsgewerkschaft SEIU, die Gewerkschaft der Telekommunikationsbranche CWA, die Truckfahrergewerkschaft „Teamsters“, IBEW [Elektrobranche], AFSCME [Staatsbedienstete], UAW [Autobaubranche], NYSNA [New Yorker Gewerkschaft der Sozialversicherungen] und die Transportarbeitergewerkschaft TWU), zeigt auch ein zunehmendes Bewusstsein in der Arbeiterbewegung darüber, was die Verbindung zwischen unserer aktuellen Wirtschaftskrise und den verheerenden Folgen für unsere Umwelt angeht.
Alles in allem zog sich der Protestzug über vier Meilen (~ 6,4 km) hin und ging von der 90. Straße bis runter zur 34. Straße. Die OrganisatorInnen hatten sechs „Hauptthemen“ festgelegt, nach denen sich die einzelnen Demonstrationszüge aufteilten. So reihte sich „Socialist Alternative“ in dem Block ein, der mit „Anti-Corporate Campaigns, Peace & Justice & More“ (dt.: „Konzernkritische, Friedens-, Gerechtigkeits- und andere Initiativen“) beschrieben wurde. Auf unserem Fronttransparent stand zu lesen: „Für den Menschen und den Planeten ist der Kapitalismus gescheitert – beteiligt euch am Kampf für Sozialismus“. Zu den anderen, an diesem Block teilnehmenden Gruppen gehörten u.a. „System Change Not Climate Change“ und „Flood Wall Street“ (dt.: „Überflutet die Wall Street“), eine Organisation, die einen Tag später direkte Aktionen durchgeführt hat und dabei einen großen Teil des Bankenviertels von Lower Manhattan lahmlegte.
Beginn einer neuen Massenbewegung
Den OrganisatorInnen dieses Marsches ist hoch anzurechnen, dass sie damit für die Umweltbewegung eine neue Phase eingeläutet haben. Es muss allerdings auch auf einige politische Schwächen hingewiesen werden. So wurde der Marsch von einer Reihe von Unternehmen (wie z.B. dem Rüstungskonzern „Lockheed Martin“, BP und dem Finanzhaus „Goldman Sachs“) gesponsert. Die OrganisatorInnen haben es zudem nicht vermocht, klare Forderungen aufzustellen. Darüber hinaus wurde es keiner Gruppe gestattet, RednerInnen zu stellen.
Am gravierendsten ist aber, dass es die OrganisatorInnen – obwohl sie offen und ehrlich gesagt haben, dass eine Demonstration allein die Umweltprobleme nicht lösen wird – nicht vermocht haben, irgendeine Leitlinie oder gar Perspektive zu bieten, welche Schritte für die Bewegung folgen müssten. Wenn mit dem Marsch die Forderung nach Steuern für die Konzerne und Super-Reichen verbunden worden wäre, um darüber ein Programm für grüne Arbeitsplätze zu finanzieren, so hätte das eine Richtung weisen können und wäre ein Anstoß für künftige Aktionen im Sinne der Klima-Gerechtigkeit gewesen. Auf dieser Grundlage hätten Initiativen aufgebaut und Massenproteste auf Schul- und Hochschulgeländen sowie in den Gemeinden angestoßen werden können, um den umfassenden Ausbau des öffentlichen Verkehrs- und Transportwesens und den Übergang zu grünen Energieträgern in öffentlicher Hand zu fordern.
Doch auch wenn die OrganisatorInnen in diesen Punkten zu unklar geblieben sind, so traf das nicht auf eine große Anzahl von TeilnehmerInnen am Protestmarsch zu. Das Thema „Systemwechsel“ kam im Protestzug immer wieder auf. Sowohl im öko-sozialistischen Block, der ausdrücklich zur Überwindung des Kapitalismus aufrief, als auch auf vielen handgefertigten Schildern war dies zu erkennen. Die Forderungen nach einem systemischen Wandel deuten ganz eindeutig darauf hin, dass eine breite Schicht von Menschen versteht, wie wichtig es ist, unser derzeitiges kapitalistisches System nicht nur zu reformieren sondern gemeinschaftlich wirklich mit diesem System zu brechen. Natürlich gibt es immer noch und weit verbreitet viele Fragezeichen, was die Frage betrifft, wie dies hinzubekommen ist oder welche nächsten Schritte getan werden müssen.
Wie stark der Drang nach Antworten ist, zeigte sich allein schon an den überwältigenden Reaktionen, die „Socialist Alternative“ bei diesem Marsch erhielt. Die Leute kamen in Scharen an unsere Infotische, um Genaueres über unsere Arbeit in Erfahrung zu bringen. Viele bezeichneten sich selbst offen als SozialistInnen. In den entsprechenden Gesprächen und Diskussionen aber auch durch die mitgeführten Schilder wurde deutlich, dass sich gerade sehr schnell ein Konzern-kritisches und sogar ein antikapitalistisches Bewusstsein entwickelt. Angefacht wird diese Entwicklung nicht nur durch die zunehmende ökologische Bedrohung sondern auch aufgrund der anderen Folgen, die der Kapitalismus mit sich bringt: Ungerechtigkeit, Rassismus, Sexismus und Krieg. Der Kapitalismus zerstört mehr als „nur“ die Umwelt, und es ist unsere Aufgabe, den Kampf gegen den vom Menschen gemachten Klimawandel mit dem Kampf gegen eine Vielzahl anderer Ungerechtigkeiten und Verschlechterungen zu verbinden, die auf den Kapitalismus zurückzuführen sind.
Aufbau einer echten Alternative
Was in den Diskussionen, die wir im Zuge dieses Marsches geführt haben, immer wieder aufkam, war eine tiefgreifende Frustration über die „Demokraten“ und vor allem die Obama-Administration, die zwar davon spricht, dass man etwas gegen den Klimawandel tun müsse, in Wirklichkeit aber eine massive Ausweitung der Öl- und Gasförderung zu verantworten hat. Am Vorabend des Protestzuges nahm „Socialist Alternative“ an einer mitreißenden Tagung mit unserer Genossin Kshama Sawant, Chris Hedges, Naomi Klein, Bill McKibben und Bernie Sanders teil, an der sich in Manhattan über 900 Personen beteiligten (ein Videomitschnitt von dieser Veranstaltung findet sich hier). Als Sawant Sanders aufforderte, mit den „Demokraten“ zu brechen, brach lauter Beifall aus. Das zeigt, dass die Menschen bereit sind für eine echte Alternative und genug haben, ständig „das kleinere Übel“ wählen zu müssen.
Wenn es so viele Menschen gibt, die von der Notwendigkeit des Systemwechsels überzeugt sind, dann ist es die Aufgabe von SozialistInnen zu erklären und auszusprechen, welche Art von System wir brauchen, das den Kapitalismus ersetzen kann. Damit kann der Bewegung eine Richtung vorgegeben werden.
Mutige Aktionen und Initiativen sind nötig, um an der Stimmung vom 21. September anzuknüpfen. So endete der Klima-Protest in Seattle mit einer direkten Aktion und der erfolgreichen Blockierung eines Öl-Zuges. An den Colleges haben wir es mit einer sehr schnell wachsenden Bewegung zu tun, die die Forderung vertritt, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu beenden. Diese Initiativen und Aufrufe zum Handeln müssen ausgeweitet werden und zu weiteren Massenmobilisierungen führen. Die Arbeiterbewegung muss stärker mit einbezogen werden und sich darauf vorbereiten, Solidaritätsaktionen mit der Umweltbewegung durchzuführen.
Darüber hinaus muss die Bewegung einen klaren Forderungskatalog annehmen, mit dem man den breitest möglichen Grad an Unterstützung von Seiten der Arbeiterklasse mobilisieren kann. Wie oben erwähnt muss dazu auch die Forderung nach einer Sondersteuer für die Reichen gehören, mit der ein umfassendes Programm zur Schaffung umweltfreundlicher Arbeitsplätze, eine massive Ausweitung des Massenverkehrs und eine in öffentlichem Eigentum befindliche Energieindustrie bezahlt werden kann. Die Bewegung muss sich allerdings auch unabhängig machen von den beiden politischen Parteien des Konzern-freundlichen Amerika. Wie auch die Bewegung für einen 15-Dollar Mindestlohn und andere soziale Initiativen muss sich auch die Umweltbewegung dringend in einer neuen politischen Kraft ausdrücken, die die Interessen der viel zitierten „99 Prozent der Bevölkerung“ vertritt. Als ersten Schritt brauchen wir viel mehr echte linke KandidatInnen wie Jess Spear von „Socialist Alternative“, eine Umweltwissenschaftlerin, die für das Amt der Sprecherin des Repräsentantenhauses im Bundesstaat Washington kandidiert.
Um aber den Klimawandel zu beenden, müssen wir mit dem Kapitalismus aufhören. Der risiege Reichtum und die Macht, die die großen Umweltverschmutzer in den Händen halten, wurde auf Kosten der Menschheit und der Umwelt angesammelt. Dieser Reichtum sollte dafür eingesetzt werden, um rasch zur 100-prozentigen Umstellung auf grüne Energieträger zu kommen, und die enormen Möglichkeiten, die unsere Gesellschaft bietet, müssen genutzt werden, um den Bedürfnissen aller gerecht zu werden. Das ist die Beschreibung einer sozialistischen Gesellschaft. Beteilige dich an diesem Kampf und werde Mitglied bei „Socialist Alternative“!