Interview mit Claudia Sorger über ihr Buch
Claudia Sorger ist langjährige Aktivistin der österreichischen SAV-Schwesterorganisation SLP. Ihr Buch erschien im Mai im Verlag „Westfälisches Dampfboot“ (280 Seiten, 29,90 Euro)
Worum geht´s in deinem Buch?
Mein Buch behandelt die Frage, wie Geschlechtergerechtigkeit über Arbeitszeitpolitik erreicht werden kann. Dazu habe ich mich zum einen damit beschäftigt, was geschlechtergerechte Arbeitszeitpolitik überhaupt sein kann. Das ist wichtig, denn gerade an den Zielvorstellungen, also an der Frage, welche Gesellschaft wollen wir überhaupt, hapert es oft. Dann habe ich mir anhand der österreichischen Gewerkschaftspolitik zum Thema Arbeitszeit angesehen, welche Form der Geschlechterverhältnisse unterstützt wird und wo es Ansatzpunkte zu einer gerechteren Verteilung der Arbeitszeit zwischen Frauen und Männern gibt.
Dein Buch findet Anklang in den Gewerkschaften, der ÖGB -Verlag hat es einmal zum Buch der Woche ernannt, die GPA-DjP – Mitgliederzeitung „Kompetenz“ hat einen Artikel gebracht? Was würdest Du GewerkschafterInnen sagen, was sollen die Gewerkschaften tun?
Ich sage ihnen vor allem, dass sie das Thema Arbeitszeit wieder in die Hand nehmen sollen, als eine der ureigensten Gewerkschaftsaufgaben. Denn seit Jahrzehnten verzeichnen wir vor allem Rückschläge in punkto Arbeitszeit: Sei es die weitgehende Flexibilisierung in vielen Bereichen, sei es der Stillstand in der Verkürzung der Wochenarbeitszeit seit 1975, sei es die Verabschiedung des ÖGB von der Forderung nach einer 35-Stunden-Woche. Arbeitszeit ist ein wichtiger Schlüssel zur Verteilung von Macht und Ressourcen. Daher sollten die Gewerkschaften auch nicht vor Aktionen und gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen zurückschrecken. Nach den Jahrzehnten von Flexibilisierung ist es höchste Zeit für einen Gegentrend in Form einer generellen Arbeitszeitverkürzung. Dazu braucht es aber auch einen entsprechenden Lohnausgleich und eine Aufstockung des Personals. Denn die Verdichtung der Arbeit ist ein Riesenproblem, vor allem für diejenigen, die ihre Arbeitszeit auf individueller Basis verkürzen, sprich Teilzeit arbeiten und dann auch noch um sämtliche finanziellen Zuschläge umfallen.
Kann mit der Sozialpartnerschaft eine fortschrittliche Arbeitszeitpolitik für Frauen und Männer erkämpft werden?
In meinem Buch habe ich herausgearbeitet, dass die sozialpartnerschaftliche Konstituierung der Gewerkschaftsbewegung als Hindernis für die Durchsetzung von Fraueninteressen und für den Abbau von Geschlechterhierarchien zu sehen ist. Die Sozialpartnerschaft beruht auf einer inhaltlichen Ausrichtung zur Wahrung des kapitalistischen Wirtschaftssystems, das neben der Lohnarbeit auf der mehrheitlich durch Frauen geleisteten unbezahlten Arbeit aufbaut. Damit in Zusammenhang steht eine Vorstellung von Berufstätigkeit, die am vollzeiterwerbstätigen Mann orientiert ist, der durch einen versorgenden Part (Ehefrau) von Hausarbeit und Kinderbetreuung entbunden ist. Außerdem stellt Sozialpartnerschaft eine undemokratische Politikform dar, in der Zugang und Teilnahme an politischen Prozessen für die Mehrheit der ArbeitnehmerInnen nicht einmal theoretisch möglich ist.
Unter dem Titel „Situation der Teilzeitbeschäftigten verbessern“ sollen im Herbst neue Verhandlungen zur Arbeitszeit starten. Vor dem Sommer gelang es kämpferischen GewerkschafterInnen vor allem aus dem Aktionsbündnis „Nein zum 12-Stundentag“ politischen Druck gegen die Arbeitszeitverlängerung aufzubauen. Die geplante Beschlussfassung im Parlament vor dem Sommer kam nicht zustande. Warum unterstützt Du das Aktionsbündnis „Nein zum 12-Stundentag“?
Eine der Problematiken liegt derzeit in der nach wie vor hohen Wochenstundenzahl der Vollzeitbeschäftigten. Gerade im Produktionsbereich leiden vor allem Männer unter überlangen Arbeitszeiten und darunter, dass es schwer ist, selbst gesetzliche Rechte wie Elternteilzeit oder Karenz in Anspruch zu nehmen. Bei der Ausweitung des 12-Stundentages geht es auch nicht nur um die rein gesetzliche Ebene, denn eine weitere Ausweitung hat auch symbolischen Charakter. Dadurch wird signalisiert, dass es prinzipiell ok ist, solange zu arbeiten. Dass das aber nicht der Fall ist, zeigen Unfall- und Krankenstatistiken, denn überlange Arbeitszeiten führen zu Unfällen und machen krank. Außerdem widersprechen sie grundlegend einer gerechten Verteilung von Erwerbsarbeit und unbezahlten Versorgungspflichten zwischen Frauen und Männern.