Bafög: Studieren für alle?

Bildungsministerin Johanna Wanka Foto: https://www.flickr.com/photos/worldskills/ CC BY-NC-ND 2.0
Bildungsministerin Johanna Wanka Foto: https://www.flickr.com/photos/worldskills/ CC BY-NC-ND 2.0

Reform der Großen Koalition reicht nicht

Die Bundesregierung übernimmt ab diesem Jahr die Finanzierung des Bafög und kündigte eine Erhöhung für 2016 an. Was steckt dahinter?

von Svenja Tösti, Berlin

Wer reiche Eltern hat, kommt eher an die Universität als ein Arbeiterkind. Von 100 Akademikerkindern studieren 77, von 100 Kindern aus Facharbeiterfamilien nur 23. Arbeiterfamilien können ihren Kindern oft kein Studium oder eine schulische Ausbildung finanzieren. Aus diesem Grund wurde das Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz Bafög, erlassen. Es gibt auch Schüler- und Meisterbafög. Am verbreitesten ist das Studierendenbafög. Angeblich soll das Bafög die Chancengleichheit und die Wahlfreiheit von Lernenden aus einkommensschwächeren Familien erhöhen. Außerdem wird angestrebt, dass keine Studentin und kein Student zusätzlich noch arbeiten gehen muss. Doch ist das gelungen? Nicht wirklich.

Ausgrenzung

Weniger als ein Viertel aller Studierenden in Deutschland erhalten Bafög. Die Mehrheit muss mit Nebenjobs und Unterhalt der Eltern über die Runden kommen. Die Bundesregierung plant, die Bedarfssätze um sieben Prozent anzuheben. Doch wird das nur wenig ändern. Eine Minderheit bekommt den ohnehin knapp bemessenen Höchstsatz von 670 Euro. Im Durchschnitt bekommen StudentInnen nur 448 Euro ausgezahlt, also 222 Euro weniger als der Höchstsatz. Das liegt daran, dass vom Bafög-Höchstsatz Abzüge aufgrund von Wertbesitz (zum Beispiel ein Auto), eigenem Einkommen oder Einkommen der Eltern gemacht werden. Selbst mit dem Höchstsatz von 670 kann man sich kaum Wohnung plus Lebensunterhalt leisten, mit 448 Euro ist das ein Ding der Unmöglichkeit.

Darauf weist zum Beispiel die Kampagne „Revolution Bildung“ der IG-Metall-Jugend hin, die mit ihrem Jugendaktionstag die Forderung aufstellt, dass Studierende, Auszubildende und SchülerInnen selbstständig ihren Lebensunterhalt bestreiten können und damit am gesellschaftlichen Leben teilhaben.

Lernfabriken

Dass es der Regierung nicht um die Verbesserung der Chancengleichheit und der Wahlfreiheit geht, stellt man fest, wenn man sich die Regelungen für Zweit-Studiengänge und bei Überschreitung der Regelstudienzeit ansieht. In beiden Fällen gibt es keine staatliche Unterstützung, außer man kann nachweisen, dass das Studium aus gesundheitlichen Gründen nicht innerhalb der Regelstudienzeit zu schaffen war. Daran sieht man, worum es wirklich geht: möglichst schnell gute geschulte Arbeitskräfte zu bekommen. Für Lernende, die sich umentscheiden, die Neues ausprobieren wollen oder ihr Leben nicht nur nach Uni, Schule oder Ausbildung ausrichten wollen, wird kein Geld ausgegeben.

Verschuldung

Das Bafög ist ein Darlehen und muss (zumindest teilweise) zurückgezahlt werden. Damit beginnen viele Studierende ihr Arbeitsleben mit einem Schuldenberg. Zwei Drittel aller Studierenden sind nach Abschluss der Uni verschuldet – im Schnitt mit 8.510 Euro. Jeder zweite Student mit Schulden gibt an, dass ihm dies Sorgen bereitet und jeder dritte, dass sie den Berufseinstieg erschweren. Auch daran ändert die Reform der Bundesregierung nichts. Insgesamt sind die Pläne zu halbherzig und kommen zu spät. Aber jetzt sollte die Gewerkschaftsjugend und die Bildungsstreik-Bewegung die anstehenden Proteste nutzen, um genau darauf hinzuweisen und Druck aufzubauen. Die richtige Forderung dafür ist ein elternunabhängiges darlehensfreies Bafög für alle ab 16 Jahren von 500 Euro pro Monat plus Warmmiete.

„Die Revolution braucht Dich“

Jugendaktionstag am 27. September in Köln

„Unsere Welt braucht Bildung. Bildung braucht eine Revolution“, so heißt es im Aufruf der Kampagne „Revolution Bildung“. „Mehr Geld, mehr Zeit, bessere Qualität und einen uneingeschränkten Zugang für alle zu unserer Bildung!“ Unter dieser Losung finden seit Anfang letzten Jahres in verschiedenen Städten Kundgebungen, Veranstaltungen und Aktionen statt.

Am 27. September steht nun ein Jugendaktionstag mitsamt Demo und Festival in Köln an, zu dem bundesweit mobilisiert wird. Erwartet werden 15.000 Gewerkschaftsjugendliche, die gemeinsam für bessere (Weiter-)Bildung, Chancengleichheit und eine Reform des Bafög auf die Straße gehen.
Busfahrkarten nach Köln gibt es für zehn Euro an den IG-Metall-Verwaltungsstellen

Mehr Infos zur Kampagne und dem Jugendaktionstag unter: www.revolutionbildung.de

Stell dir vor wir würden in einer Welt leben, in der…

… Bildung für alle Menschen, egal, woher sie kommen, und egal, wie viel Geld sie haben, kostenlos und frei zugänglich ist!
Allen ist bewusst, dass Bildung schon bei den ganz Kleinen anfängt. Deshalb hat jede und jeder das Recht auf einen kostenlosen Betreuungsplatz für das Kind. Um das zu gewährleisten, wurden flächendeckend Kitas gebaut und neue ErzieherInnen eingestellt. Sowohl in den Kitas als auch in den Schulen gibt es genügend und hochwertige Materialien, damit es auch im Sportunterricht nicht an Bällen fehlt. Weder Eltern noch Kinder müssen sich Gedanken darüber machen, wie die neuen Schulbücher oder die nächste Klassenfahrt finanziert werden soll. Unterrichtsmaterial, Exkursionen und Ausflüge sind Teil einer ganzheitlichen Ausbildung und selbstverständlich kostenlos. Die Lerninhalte des Unterrichts werden gemeinsam von Lernenden und Lehrenden mitgestaltet. Ab dem 16. Lebensjahr bekommt jeder eine elternunabhängige Unterstützung, damit die Entscheidung für Abi, Ausbildung oder Studium unabhängig getroffen werden kann und nicht am Geld scheitert. Die Zeit von Studiengebühren und unbezahlten Ausbildungen ist vorbei und auch von der Ausbildungsvergütung kann man eigenständig leben.