Zu den Hintermännern der Montagsdemos für den Frieden
Vor wenigen Wochen ist eine neue „Friedensbewegung“ aufgetaucht, ausgehend von Berlin gibt es diese Kundgebungen mittlerweile in über 30 Städten Deutschlands. Wer aber glaubt, den Hintermännern dieser Bewegung ginge es um Frieden und Abrüstung, irrt sich gewaltig. Um eines gleich klar zustellen, nicht alle Menschen, die diese Kundgebungen besuchen, haben ein rechtes oder verschwörungstheoretisches Weltbild.
von Krischan Friesecke und Michael Koschitzki, Berlin
Derzeit sind nicht wenige Menschen besorgt über die Lage in der Ukraine und tragen Sorge, dass es zu einer militärischen Eskalation in der östlichen Ukraine kommen kann. Vor diesem Hintergrund organisierte Lars Mährholz in Berlin Anfang März die erste Kundgebung der „neuen Friedensbewegung 2.0“.
Den größten Zulauf hatte sie am Ostermontag, wo traditionell die Demonstrationen der Friedensbewegung stattfinden. Dafür wurden in Berlin 3000 TeilnehmerInnen angegeben – für die erste Montagsdemo im Mai liegen die Schätzungen zwischen 700 und 1000 TeilnehmerInnen. Eine Massenbewegung ist es damit noch nicht.
Zu Beginn mögen viele gedacht haben, Teile der traditionellen Friedensbewegung stellen sich neu auf. Rechte Kräfte und Verschwörungstheoretiker sahen in den Kräften Anschlussmöglichkeiten. AfD und NPD rufen mittlerweile zur Teilnahme auf. Aber auch manche Linke denken, dass man hier eingreifen muss.
Die Montagsdemos dehnten sich auf zahlreiche Städte aus. Unterschiedlichste Menschen aus den oben genannten Gruppen kommen dort zusammen. Die Skepsis gegenüber etablierten Parteien und Organisationen hilft den Organisatoren der Montagsdemo, die sich als unabhängig darstellen. Aber wer sind sie und wofür stehen sie?
An allem nur die FED schuld?
Der 34-jährige ehemalige Event-Manager Lars Mährholz politisierte sich angeblich Anfang des Jahres. Beweggrund soll die (westliche) Berichterstattung über die Vorgänge in der Ukraine gewesen sein. Er behauptet, ein bis dahin unpolitischer Mensch gewesen zu sein. Dennoch äußert er sich mit Aussagen, wie:
„Woran liegen alle Kriege in der Geschichte der letzten hundert Jahren? Und was ist die Ursache von allem? Und wenn man das alles ein bisschen auseinanderklabüsert und guckt genau hin, dann erkennt man im Endeffekt, dass die Federal Reserve Bank, die amerikanische Notenbank, das ist eine Privatbank, das die seit über hundert Jahren die Fäden auf diesen Planeten zieht.“ (Interview vom 7. April 2014, zu finden bei youtube, http://www.youtube.com/watch?v=v-9_ntPQ_5U).
Hier liefert Mährholz klassische Verschwörungstheorie, eine einzige Bank, die keine staatliche Notenbank sei, sondern eine Privatbank (fehlte nicht mehr lange der Hinweis auf mögliche jüdische Besitzer) soll für alle Übel des Kapitalismus und imperialistische Kriege verantwortlich sein. Gleichzeitig impliziert Mährholz mit diesen Aussagen, dass der deutsche Imperialismus an Kolonialverbrechen, zwei Weltkriegen, der Shoah und so weiter, keine Schuld trägt. Der deutsche Imperialismus soll reingewaschen und als Opfer der us-amerikanischen Politik (wenn man diese „Theorie“ weiter denkt kommt man schnell zur jüdischen Weltverschwörung) dargestellt werden. Er verschleiert damit die dem Kapitalismus innewohnenden Konflikte zwischen imperialistischen Staaten, die zu zwei Weltkriegen führten.
Weiterhin verneint er mit solcherart Aussagen den Führungsanspruch des deutschen Imperialismus in der Welt. Auch die verbrecherische Politik deutscher Banken (Rüstungsgeschäfte, Spekulation mit Nahrungsmitteln, etc.) gibt es nicht, all das wird nach Mährholzs Ideologie von der Federal Reserve Bank verantwortet.
Mährholz ist ein klassischer Verschwörungstheoretiker, da bleibt er aber nicht stehen. Weiter behauptet er, links und rechts seien überholte Kategorien, es gehe nur darum, gemeinsam auf die Strasse zu gehen. Selbst nach dem Auftauchen von Berliner NPD-Chef Sebastian Schmidtke (Fotos von der Kundgebung am 21. April belegen dies) gab es keine Distanzierung von den Faschisten.
Gemeinsame Sache mit Rechten?
Hier betätigt sich Mährholz also auch als Vertreter der Querfrontidee. Wie sich an der Ukraine-Frage zeigt, gibt es unterschiedliches Vorgehen und Interessen der einzelnen imperialistischen Mächte. Die USA ist dabei aktiv Öl ins Feuer zu schütten, während der deutsche Imperialismus versucht eine ausgeglichenere Haltung einzunehmen. Kern der Querfrontidee ist es die europäischen Kapitalisten ganz aus der Verantwortung zu nehmen.
Demnach braucht es eine „Volksinitiative gegen das Finanzkapital“, wonach Linke und Rechte zusammenarbeiten könnten. Einer der wichtigsten Köpfe dieser Idee ist Jürgen Elsässer, der bereits bei Montagsdemos sprach. Er war früher Redakteur der jungen welt und des Neuen Deutschland und ist heute Vertreter von antisemitischen, frauenfeindlichen und antiziganistischen Inhalten. Er verbreitet sie in der Zeitschrift „Compact“.
Dabei ignorieren diese Ideen und ihre Anhänger, wie sehr die Faschisten mit ihrem Vorgehen gegen Andersdenkende und -fühlende, im Interesse der Mächtigen handeln und sie setzen den Rechten die antikapitalistische Maske eher auf, statt sie ihnen vom Gesicht zu reißen. Hier zeigt sich die Gefahr der Logik „der Feind meines Feindes ist mein Freund.“ Aufgrund ihrer Akzeptanz von Faschisten lehnen Linke Querfrontideen ab.
Ken Jebsen
In Compact arbeitet ebenfalls der ehemalige RBB-Moderator Ken Jebsen mit. Nach seinem Rausschmiss bei Fritz aufgrund eines Antisemitismusvorwurf, den er selbst bestreitet, interviewt er in seinen Internetsendungen auch Jürgen Elsässer. Bekannt für Verschwörungstheorien rund um den 11. September (den Anschlag auf das World Trade Center bezeichnete er als „warmen Abriss“) zog er eine entsprechende Community an. Aber aufgrund seines Engagement bei Fritz hat er auch Anhang unter einigen Jugendlichen. Er hat die Montagsdemo in Berlin mit begründet und stellt sich als Opfer der „etablierten linken Presse“ da. Er sieht dennoch wie Elsässer Kategorien wie links und rechts als überholt an. Mehrere Äußerungen drücken eine Nähe zu antisemitischen Inhalten aus.
Weitere Redner auf den Berliner Kundgebungen waren Andreas Popp (Unternehmer, Gründer des rechten Internet-Thinkthanks Wissensmanufaktur) sowie das HipHop-Dou „Die Bandbreite“ (bekannt für verschwörungstheoretische und extrem sexistische Liedtexte). Bekannt für linke und pazifistische Positionen ist niemand von denen.
Diskussion in der Linken
Die Protagonisten von Querfrontideen hielten jedoch Linke wie Pedram Shayar nicht davon ab, für die Montagsdemos Partei zu ergreifen. In manchen Städten gibt es Versuche die Montagsdemos mit linken Inhalten zu füllen. Attac-Mitglied und parteiloser Direktkandidat der LINKEN in Leipzig Mike Nagler ruft dort zur Teilnahme auf. Das Motto in Leipzig am 5. Mai war „Nie wieder Krieg & Faschismus“ jedoch gab es auch hier scheinbar vor allem USA-Kritik. In anderen Städten wie Halle gab es bereits Gegendemonstrationen aus dem Antifa-Spektrum.
Pedram Shayar sieht in den Berliner Montagsdemos ein wichtiges Wirkungsfeld für Linke und trat am 5. Mai dort als Redner auf. Er sieht in ihr „die aktuelle Friedensbewegung“ und meint die Gefahr einer rechten Dominanz werde „völlig überschätzt“. Er vergleicht die Demonstrationen mit den Montagsdemos gegen Hartz IV in denen sich Linke zu Beginn auch durchsetzen mussten.
Dabei überschätzt er jedoch sicherlich, das Gewicht der Montagsdemonstrationen für den Frieden. Im Gegensatz dazu waren die Montagsdemos gegen Hartz IV eine soziale Massenbewegung gegen den Angriff der Rot-Grünen Bundesregierung. Außerdem verharmlost er die Rolle von Querfrontideen und die Beteiligung rechter Kräfte an den Demonstrationen. Nicht umsonst sind sie schnell zu einem Betätigungsfeld und anschlussfähig für die AfD geworden. Es spielt bei Demonstrationen dieser Größe eine wichtige Rolle, wer sie organisiert und wer dort redet. Das bestimmt maßgeblich ihren Charakter.
Aufgabe linker Kräfte ist es, solche rechten Rattenfänger zu entlarven, besonders dann, wenn diese sich als „Friedensaktivisten“ verkaufen wollen. Wir können und müssen aufzeigen, warum eine solche verkürzte „Kapitalismuskritik“ wie sie Mährholz und Co. verbreiten grundfalsch ist. Unsere Antwort auf Krieg und Krise ist die internationale Solidarität mit den Ausgebeuteten dieser Welt und der Klassenkampf dagegen. Die Friedensbewegung in Deutschland hat auch die Aufgabe auf die Rolle des deutschen Imperialismus und die Verantwortung der Bundesregierung hinzuweisen und sie zu kritisieren.
Die Montagsdemonstrationen für den Frieden können in ein Vakuum stoßen, dass zur Zeit bei Protesten gegen den drohenden Krieg in der Ukraine gelassen wird. Von der Friedensbewegung und LINKEN braucht es dort bald eine linke Alternative und Angebote gegen Krieg aktiv zu werden.