„Alle für Kalle“ – „Zwangsräumung blockieren“ steht auf den orangefarbenen Plakaten, Flugblättern und Aufklebern, die man derzeit überall in Köln sehen kann. Auch über die Grenzen von Köln gibt es Solidarität. In Berlin ließen AktivistInnen ein 13 Meter langes Transparent von der Siegessäule herunter „ALLE für KALLE, 20.2. KÖLN“.
von Georg Kümmel, Köln
Hintergrund: Seit 30 Jahren bewohnt Karl-Heinz Gerigk im Kölner Agnesviertel eine einfache Dachgeschosswohnung. Nun soll er raus. Der Gerichtsvollzieher hat sich für den Morgen des 20. Februar angekündigt.
Der neue Eigentümer hatte Kalle Gerigk wegen „Eigenbedarf“ gekündigt. Die ganze Sache stinkt jedoch zum Himmel, so hat der neue Eigentümer die Wohnung mindestens einmal schon öffentlich zum Kauf angeboten, obwohl er doch „Eigenbedarf“ geltend macht. Und das ist nur eine der vielen Merkwürdigkeiten in diesem Fall. Das Gericht entschied trotzdem zugunsten des Eigentümers. (Mehr Infos auf www.zwangsraeumung-verhindern.de).
Die Initiative „Recht auf Stadt“ macht seit Wochen öffentlich auf diesen Fall aufmerksam. Das Motto des Protestes lautet „Alle für Kalle“ – weil sein Fall alle angeht.
Angeblicher Eigenbedarf ist hierzulande der häufigste Kündigungsgrund gegen Mieter. Die Verdrängung von alteingesessen Mietern und anschließende Luxussanierungen zerstören gewachsene nachbarschaftliche Beziehungen und führen zu einer allgemeinen Erhöhung des Mietniveaus. Jeder und jede ist angesprochen und aufgefordert, sich am Protest gegen die Zwangsräumung zu beteiligen.
Und die Resonanz ist groß. Wer über den Fall von Kalle Gerigk, allgemein nur noch ‚Kalle‘ genannt, hört, ist sofort empört. „Unglaublich“, „Gemeinheit“, „Ungerechtigkeit“, „Sauerei“ lauten die Kommentare. Die Solidarität in der Nachbarschaft ist riesig. Viele haben Transparente aus ihren Fenstern gehangen. Fotos: http://zwangsraeumung-verhindern.de/245/nachbarschaft-stellt-sich-hinter-kalle/#more-245
Der Protest trifft den Nerv der Menschen in der Stadt. Immer mehr leiden unter steigenden Mieten, sind von Verdrängung bedroht oder sind schon länger auf Wohnungssuche. Das haben auch die Medien verstanden und berichten deshalb darüber. Die Kölner Boulevard-Zeitung „Express“ warb für ihre Samstagsausgabe mit Plakaten: „Die Welt kämpft um Mieter Kalle“.
Die Initiative „Recht auf Stadt – Köln“ will Menschen ermutigen und zusammenbringen, um sich gemeinsam zu wehren. Beim letzten Treffen waren denn auch MieterInnen aus gleich vier verschiedenen Häusern anwesend, die alle in der ein oder anderen Weise von Verdrängung aus ihren Wohnungen bedroht sind (Abriss, Eigenbedarf, Luxussanierung). Initiativen wie „Recht auf Stadt“ und Zusammenschlüsse von Mieterinitiativen können helfen, den Widerstand zu verbreitern und zu vernetzen.
Breiter gesellschaftlicher Druck ist notwendig, um gegen die skandalöse Gesetzeslage und „Recht-“ Sprechung vorzugehen. Auch DIE LINKE muss diese Proteste nach Kräften unterstützen, auf der Straße und durch Oppositionsarbeit in den Parlamenten.
Die Erfahrung zeigt auch: Der „Wohnungsmarkt“ darf nicht dem Markt überlassen bleiben. „Keine Profite mit der Miete“ ist deshalb ein beliebter Slogan bei Mieterdemos.
Bund, Land und Kommunen müssen unter Druck gesetzt werden, Privatisierungen von Wohnungsbeständen zurückzunehmen und selber Wohnungen zu sanieren und zu bauen. Im öffentlichen Wohnungsbau sind kostendeckende Kalt-Mieten von unter fünf Euro pro Quadratmeter möglich! Das zeigen Modellprojekte in Österreich. ( http://www.taz.de/!105262/ ).
Auch um diese Ziele zu erreichen heißt es am 20.2.: Aufstehen, um sich hinzusetzen! Zwangsräumung verhindern! 7:00 Uhr, Fontanestr. 5 in Köln.