Dieser Artikel erschien zuerst am 15. Januar in englischer Sprache auf socialistparty.org.uk
„Es mag so viele menschliche Herren geben wie es unmenschliche gibt. Es mag auch Sklaven geben, die gut gekleidet, satt und zufrieden sind; vielleicht genau so viele wie es in Lumpen gekleidete, halb verhungerte und verelendete gibt. Bei der Institution, die derlei Unrecht und Unmenschlichkeit akzeptiert, von der ich Zeuge wurde, handelt es sich in jedem Fall um eine grausame, ungerechte und barbarische.“
von Eljeer Hawkins, „Socialist Alternative“ (US-amerikanische UnterstützerInnen des „Committee for a Workers´ International“ / „Komitee für eine Arbeiterinternationale“, dessen Sektion in Deutschland die SAV ist), Harlem, New York
Das sind die Worte, mit denen Solomon Northup in seinem Buch „12 Years a Slave“, seiner Autobiografie, die Sklaverei beschreibt. Und in dem Film von Steve McQueen, der auf der Geschichte des Gefangenen Solomon basiert, tritt die Barbarei deutlich zutage.
Solomon ist ein freier Schwarzer Mann, der mit Frau und Kindern in Saratoga, New York, einen viktorianischen Lebensstil pflegte, ein bekannter Geiger und von Beruf Zimmermann war. Chiwetel Ejiofor verkörpert die Rolle des Solomon brilliant. Wir erleben ihn vollgedröhnt und wie er sich, nachdem er wieder zu sich kommt, gefesselt wiederfindet, um kurz darauf für eine Sklavenauktion nach Louisiana verschifft zu werden. Die Odyssee von Solomon Northup dauerte von 1841 bis zu seiner Befreiung im Jahr 1853.
McQueen liefert eine deutliche und anschauliche Auseinandersetzung mit dem Thema der Sklaverei. So wird unter anderem auch erörtert, wie auf biblische Inhalte zurückgegriffen wurde, um die Sklaverei zu rechtfertigen und welche Macht der menschliche Verstand hat. Und dennoch haben wir es mit einer üblichen Hollywood-Produktion von Brad Pitt zu tun. Dabei ist McQueen ein hoch versierter Erzähler und Künstler.
Die vielen Landschaftsaufnahmen aus dem Süden der USA sowie die langen Nah-Einstellungen führen die Zuschauerin und den Zuschauer zur Thematik des Films: Verzweiflung und der Kampf eines Einzelnen.
Der Film ist dafür kritisiert worden, dass er von einer Orgie der Gewalt durchzogen ist. In insgesamt sechs Szenen werden Auspeitschungen und Vergewaltigungen dargestellt, was dazu beiträgt, dass die Geschichte in ihrem ganzen Ausmaß gezeigt wird. McQueen bleibt sehr nah an der Biografie von Solomon.
Grenzen des Films
Die Figur der Patsey wird von einer überragenden Lupita Nyong’o dargestellt. Sie mimt die heimliche Liebe des brutalen Sklaventreibers Edwin Epps, der auf unheimliche Weise von Michael Fassbender verkörpert wird.
Als Epps‘ Ehefrau erkennt, dass ihr Mann ein Auge auf Patsey geworfen hat, tut sie alles, um Patsey zu vernichten. Der Großteil des Films widmet sich jedoch der Geschichte Solomons und bleibt bei der Geschichte der Frauen an der Oberfläche.
Gegenüber dem „Voice“-Magazin sagte McQueen: „Wir [die Schwarzen Menschen] müssen unsere Geschichte verstehen, genauso wie andere ethnische Gruppen, zum Beispiel die jüdische Gemeinschaft, es tun. In Bezug auf den Holocaust folgen sie der Devise: >Kein Vergessen!<. Ich denke, wir sollten dasselbe tun, wenn es um die Sklaverei geht“.
„Das ist wichtig.“, erklärt er und fährt fort: „Die hohe Zahl Schwarzer Menschen, die im Gefängnis sitzen, die psychischen Probleme, von denen viele Dunkelhäutige betroffen sind, der Drogenmissbrauch und der hohe Anteil an Alleinerziehenden in der Community – das alles sind die Spätfolgen der Sklaverei und wir müssen das anerkennen“.
Der Kapitalismus und die Vorherrschaft der Weißen haben unbeschreibliches Leid gebracht, womit sich die arbeitenden Menschen, die verarmten Schichten sowie People of Colour – vor allem AfroamerikanerInnen – befassen müssen um erkennen zu können, wie wichtig es ist, sich im Kampf zur Beendigung dieses Systems aus Gewalt, Lügen und Rassismus zu engagieren. Steve McQueens „12 years a Slave“ bietet einen guten Einstieg, um sich weitergehend mit dieser Materie zu beschäftigen.
Dabei bleibt der Beitrag, den dieser Film leistet, begrenzt. Er stützt sich auf die Geschichte eines einzelnen Menschen, statt die unglaubliche Geschichte der Sklavenaufstände zu erzählen, die das Potential hätte, Inspiration zu sein für die heutige Generation junger Schwarzer Menschen in ihrem Widerstand gegen Rassismus und Unterdrückung.
Zu den Filmen, die nicht nur die Sklaverei sondern auch die Rebellion der Versklavten beleuchten, gehört beispielsweise der Independent-Klassiker „Sankofa“ von Haile Gerima aus dem Jahr 1993. „Daughters of the Dust“, der anmutige cineastische Erfolg von Juli Dash (1992), liefert ein umfassenderes Bild von der besonderen Situation afrikanisch-amerikanischer Frauen. Ein Muss zu diesem Thema ist darüber hinaus das Buch „Die schwarzen Jakobiner“ von C.L.R. James (über die Sklaven-Revolution in Haiti; Anm. d. Übers).
Der Kinofilm „12 Years a Slave“ und die Autobiografie von Solomon Northup stoßen allerdings eine wichtige Auseinandersetzung an, die stattfinden muss, um die Ursprünge des US-amerikanischen Kapitalismus und das Phänomen der Rasse sowie das der gesellschaftlichen Klassen in der westlichen Hemisphäre verstehen zu können.