Erfolgreiche Gründungsversammlung der „Socialist Party of Nigeria“ (SPN)
von Hassan Taiwo Soweto, Sprecher der bundesweiten SPN-Jugendorganisation, der Bericht erschien zuerst am 20. November 2013 auf socialistworld.net
„Heute schlagen wir ein neues Kapitel in der Geschichte Nigerias auf. Ein Kapitel, das vom politischen Kampf der arbeitenden Massen handeln wird, die die Macht erringen und damit beginnen, das Schicksal dieser Nation selbst in die Hand zu nehmen – im Interesse der breiten Mehrheit der Bevölkerung“.
Mit diesen Worten begann die Begrüßungsrede von Segun Sango, dem Bundessprecher der „Socialist Party of Nigeria“ (SPN), der damit den Kern der Gründungsversammlung dieser Partei traf. Beinahe 60 Delegierte – GewerkschafterInnen, ArbeiterInnen, JugendvertreterInnen, Studierende und BasisaktivistInnen waren dazu zusammengekommen. Einige von ihnen waren aus dem Norden, dem Osten beziehungsweise dem Süden des Landes angereist und hatten eine Fahrt von mehr als acht Stunden auf sich genommen. Sie alle waren bereits einen Abend zuvor eingetroffen.
Die Gründungsversammlung der SPN wurde am Samstag, dem 16. November 2013, im „Women Development Centre“ in der Oba Ogunji Road, Pen Cinema, in Agege, Lagos, abgehalten. Die Initiative zur Gründung der SPN war im vergangenen Jahr vom „Democratic Socialist Movement“ (DSM) ausgegangen.
Der Genosse Peluola Adewale, der die Versammlung eröffnete, verkündete unter großem Beifall, dass die DSM-Schwesterorganisation in den Vereinigten Staaten einen Erfolg verbucht hat. „Socialist Alternative“ hat mit ihrer Kandidatin, Kshama Sawant, bei den Stadtratswahlen in Seattle gegen einen Kontrahenten von den „Demokraten“ gewinnen können. Seattle ist die Heimat des Luftfahrtkonzerns „Boeing“ und von „Microsoft“. Sowohl das DSM als auch „Socialist Alternative“ sind Teil des „Committee for a Workers´ International“ (CWI) [, dem auch die SAV angehört; Erg. d. Übers.]. Die nigerianischen GenossInnen hatten die Stimmauszählung seit Tagen gespannt mitverfolgt, bis am Freitag, dem 15. November, Richard Conlin, der Kontrahent von den „Demokraten“, seine Niederlage eingestand. Dieser Erfolg wirft folgende Frage auf: Wenn sozialistische Ideen selbst in der Höhle des Löwen, in den USA, erfolgreich sein können, warum dann nicht auch hier in Nigeria? Und tatsächlich errang der DSM-Genosse Lanre Arogundade, der damals für das Bündnis „National Conscience Party“ (NCP) bei den Senatswahlen im Bezirk Lagos West antrat, 2003 mehr als 77.000 Stimmen in einer ansonsten von Betrug und dem Stimmenkauf der zu jener Zeit regierenden „Alliance for Democracy“ (AD) [die heute wieder „All Progressive Congress“ (APC) heißt] gekennzeichneten Wahl.
Danach folgte die Begrüßungsrede des Genossen Segun Sango. Er führte aus, dass „die hohen Erwartungen von Millionen von NigerianerInnen, die einen wirklich positiven Wandel für ihr Leben wollten, 14 Jahre nach dem Ende der Militärdiktatur von den Politikern von PDP, APC, LP und anderer kapitalistischer Parteien zerstört worden sind. Es hat nicht nur keine wesentliche Verbesserung im Leben der arbeitenden Massen gegeben, in gewisser Hinsicht ist die Situation sogar noch schlechter geworden. Millionen NigerianerInnen leben immer noch Zugang zu guten Lebensmitteln, Wohnraum, Straßen, Wasser, Strom, Bildung und Gesundheitsvorsorge. Tausende ArbeiterInnen haben ihre Stellen verloren. Trotz des opulenten Reichtums Nigerias sind bei einer Gesamtbevölkerung von rund 170 Millionen mehr als 112 Millionen NigerianerInnen zu arm, um sich die grundlegendsten Dinge – wie eine gute Unterkunft, nahrhafte Lebensmittel und qualitativ gute Ausbildung – leisten zu können. Wenn man sich die schwerwiegendsten Probleme zu Gemüte führt, die wir in Nigeria erleben müssen, dann steht die Lage der jungen Leute, die unter armen und hoffnungslosen Bedingungen leben, mit an erster Stelle. Trotz angeblichen eindrucksvollen Wirtschaftswachstums ist die Erwerbslosigkeit zu einem permanenten Problem im Leben junger Leute geworden. Nach den letzten Schätzungen vom Juli 2013 kommt Nigeria auf eine Bevölkerung von 175,5 Millionen EinwohnerInnen. Davon sind 76,8 Millionen oder 43,8 Prozent jünger als 14 Jahre. Zählt man die 33,6 Millionen Personen hinzu, die zwischen 15 und 24 Jahre alt sind, so kommt man auf 63,1 Prozent der NigerianerInnen, die derzeit jünger als 25 Jahre alt sind. Aber der Kapitalismus ist nicht in der Lage, diesen jungen Leuten eine echte Zukunftsperspektive zu bieten“.
Sango zufolge hatte sich bereits „Labour Militant“, die Vorgängerorganisation des DSM, den Aufbau einer politischen Partei der Arbeiterklasse auf die Fahnen geschrieben. Seither hat es zwei Versuche der Arbeiterklasse gegeben, eine eigene Partei ins Leben zu rufen. Beide Male wurde Verrat geübt, und / oder die jeweilige Partei wurde von den bürokratischen ArbeiterführerInnen gekapert, die – mit pro-kapitalistischen Vorstellungen – nur wenig oder gar kein Vertrauen in die Fähigkeit der arbeitenden Massen hatten, Nigeria zu retten.
Beim ersten Mal, im Jahr 1989, begrüßte eine riesige Menschenmenge aus ArbeiterInnen, jungen Leuten und verarmten Massen die Gründung der „Nigerian Labour Party“. Doch die Militärjunta unter Babangida löste alle politischen Parteien auf und gründete stattdessen zwei eigene Formationen: den NRC und die SDP. Das Tragische an der Geschichte war, dass die Arbeiterbewegung klein beigab, anstatt Widerstand gegen dieses undemokratische Vorgehen zu leisten.
Der letzte Versuch fand 2005 statt, als die „Labour Party“ (LP) aus dem Rest der „Party for Social Democracy“ (PSD) heraus gegründet wurde. Letztere war 2002 von der Führung des „Nigeria Labour Congress“ (NLC) unter Adams Oshiomhole als Partei registriert worden. Doch nicht nur Adams Oshiomhole selbst gab diese Partei zu Gunsten des damals entstandenen „Action Congress of Nigeria“ (ACN), der heutigen APC wieder auf. Die ArbeiterführerInnen von heute haben den geldgierigen PolitikerInnen die LP soweit überlassen, dass die Partei keine wirklich Mitgliedschaft aus der Arbeiterklasse mehr hat.
Das waren die historischen Möglichkeiten, die vertan wurden. Stattdessen kam es zum Verrat durch die Führung der Arbeiterbewegung. Zudem übernahm eine rechtslastige und prokapitalistische Führung die NCP, in der wir mitgearbeitet und zu deren Aufbau wir beigetragen haben. Daraus resultierte für das DSM die Entscheidung, mit der Initiative für die SPN zu beginnen. Wir haben nicht damit aufgehört, für eine Massenpartei der arbeitenden Bevölkerung einzutreten. Wir halten energisch daran fest, dass heute selbst eine kleine Partei ein wichtiges Beispiel liefern kann. Das ist gerade angesichts der heutigen Verhältnisse das Gebot der Stunde, da es keine Partei gibt, die die Interessen der Menschen aus der Arbeiterklasse und der verarmten Schichten vertritt.
Es gab nicht Wenige, darunter die herrschende Elite und bedauerlicherweise auch einige selbsternannte Linke, die meinten, dass die SPN-Initiative keinen Erfolg haben wird. Der Erfolg allein der Gründungsversammlung widerlegt diese Annahme hingegen klar und deutlich. Wie Segun Sango feststellte: „Die Kapitalisten und ihre Helfershelfer konnten sich viel zu lange auf die undemokratischen Ausführungen stützen, die – ganz im Sinne der Reichen im Land – sowohl in der Verfassung als auch dem Wahlgesetz festgeschrieben sind. Damit wird sichergestellt, dass nur Plünderer und geldgierige PolitikerInnen politische Parteien gründen können. Das hat es der Masse der Menschen aus der Arbeiterklasse unmöglich gemacht, auf eine aufrichtige eigene politische Vertretung zurückgreifen zu können […] Heute und trotz der enormen Widrigkeiten zeigen wir jedoch, dass wir den verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Gründung einer neuen politischen Partei entsprechen können, wie sie in der Verfassung von 1999 festgelegt wurden.“
Schweigeminute für Festus Iyayi
Bei der SPN handelt es sich um eine Partei, die die Kämpfe der arbeitenden Massen unterstützt, um ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Aus diesem Grund zeigte sich die Partei bei ihrer Gründungsveranstaltung auch solidarisch mit dem Kampf der UniversitätsdozentInnen, die für ein besseres öffentliches Hochschulsystem eintreten. Für die Forderung nach einer besseren Finanzierung des Bildungssektors und der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der HochschuldozentInnen hat die Gewerkschaft der Hochschulbeschäftigten („Academic Staff Union of Universities“; ASUU) einen Streik geführt, der mehr als vier Monate lang gedauert hat. Die Forderungen der Gewerkschaft, die auch die öffentliche Debatte nun schon seit mehr als vier Monaten dominieren, haben die Widersprüche, die im kapitalistischen System herrschen, offengelegt. In einem System, in dem der Profit über allem steht, wird den sozialen Diensten wie zum Beispiel dem öffentlichen Bildungswesen weniger Bedeutung beigemessen. Dasselbe gilt für die Gesundheitsversorgung und andere vergleichbare Bereiche. Als der Streik gerade in vollem Gange war und kurz vor der Gründungsveranstaltung der SPN kam ein zentraler, bundesweit bekannter Wortführer der ASUU, Prof. Festus Iyayi, der zuvor auch Vorsitzender dieser Gewerkschaft war, bei einem Autounfall ums Leben. Verursacht wurde dieser Unfall durch den Autokonvoi des Gouverneurs des Bundesstaats Kogi, Idris Wada. In Solidarität mit dem Kampf der ASUU legte die Gründungskonferenz eine Schweigeminute zu Ehren von Prof. Iyayi ein.
Massenelend inmitten eines Überangebots an Rohstoffen
Nach der Begrüßungsrede hielt Dr. Sola Olorunyomi, der Sprecher des Menschenrechtskomitees der ASUU, ein sehr interessantes Referat zum Thema: „Massenelend inmitten des Überflusses – die Rolle der Organisationen der Arbeiterklasse“. Er begann seine Ausführungen mit den folgenden Worten: „Heute bin ich äußerst privilegiert […] ich betrachte es als seltenes Privileg, hier sein zu dürfen“. Olorunyomi betonte, wie wichtig es ist, eine politische Alternative aus der Arbeiterklasse zu haben. Auch wenn es aus seiner Sicht in Ordnung gehe, sich an Wahlen zu beteiligen, erklärte er, so bedeute dies nicht, dass die parlamentarische Ebene die einzige sei, über die man die Herrschaft des Kapitalismus beenden kann. „Ich bin der Meinung, dass eine Partei des Volkes offene und demokratische Wege einschlagen muss, um die Gesellschaft voranzubringen. Am Ende wird es jedoch die herrschende Klasse sein, die den Menschen dabei helfen wird, zu bestimmen, auf welche Art und Weise sie die Macht übernehmen werden. Dass sie die Macht übernehmen werden, daran darf kein Zweifel bestehen“. Das ist offensichtlich korrekt.
Nach Meinung des DSM ist dabei allerdings immer eine alternative politische Partei der Arbeiterklasse vonnöten – egal, ob es darum geht, sich an den aktuell stattfindenden Kämpfen zu beteiligen, bei Wahlen anzutreten, um für Unterstützung zu werben, damit parlamentarischer Einfluss geltend gemacht werden kann, oder die Massen zu mobilisieren, um die politische Macht zu erlangen. Eine politische Partei der Arbeiterklasse, die klare Vorstellungen davon hat, wie eine neue Gesellschaft, die auf Kooperation, Zusammenarbeit und Solidarität basiert, aussehen kann, ist dabei essentiell. Schließlich muss sichergestellt werden, dass das Ziel klar ist, wenn die Massen die Bühne der Geschichte betreten. Im Gegensatz dazu stehen die Entwicklungen in Ägypten und Tunesien heute, wo der Kampf der arbeitenden Massen für gesellschaftlichen und ökonomischen Wandel bisher nicht den erhofften Erfolg gebracht hat, weil die revolutionären Bewegungen, die instinktiv von den Massen angeführt wurden, leider nicht so weit gegangen sind, einen klaren Schnitt zu vollziehen. Dafür braucht es eine sozialistische Vision aus der Arbeiterklasse und eine Methode, wie der Kampf gegen die kapitalistischen und militärischen Kontrollinstanzen in diesen Gesellschaften auf Dauer gewonnen werden kann.
Insbesondere das Vorgehen von „Boko Haram“ im Nordosten Nigerias zeigt, wie die schrecklichen wirtschaftlichen Bedingungen eine gesellschaftliche Schicht (vor allem aus desillusionierten jungen Menschen) dazu verleitet, verzweifelte Maßnahmen zu ergreifen, um nach Lösungen zu suchen. Olorunyomi erklärte: „Mit einer stehenden Armee ist >Boko Haram< nicht beizukommen. Das ist nicht machbar! Es ist einfach unmöglich! >Boko Haram< ist nur durch die Bevölkerung beizukommen!“.
Als er von der Notwendigkeit einer „Sovereign National Conference“ (SNC) sprach, kam Olorunyomi der Position des DSM sehr nahe. Wir meinen, dass eine SNC dominiert sein muss von VertreterInnen aus der Arbeiterklasse. „Ich habe absolut kein Problem mit einer ethnisch gemischten Formation. Womit ich aber ein Problem habe, ist, dass die Regierung behauptet, sie wolle eine >National Conference<, am Ende aber nur die bürgerlichen VertreterInnen der ethnischen Gruppen zulässt“. Olorunyomi erklärte, dass es eine Alternative zur kapitalistischen Ideologie gibt, nach der der Profit über allem zu stehen habe. „Wenn wir also beispielsweise sagen, dass alle Kinder im Land zur Schule gehen müssen, dann soll das so sein! Dann müssen wir einen Plan ausarbeiten, wie die Wirtschaft dies gewährleisten kann“. Im Gegensatz dazu steht, was im Kapitalismus Realität ist. Die Wirtschaft ist nicht dafür da, den Bedürfnissen der Bevölkerung zu entsprechen, sondern im Sinne des Profits einer kleinen Minderheit zu handeln. Aus diesem Grund verzeichnet die nigerianische Wirtschaft ein Wachstum, ohne dass es mehr Arbeitsplätze gäbe. Das Ergebnis ist, dass mehr als 112 Millionen verarmte NigerianerInnen trotz der vorhandenen Fülle an menschlichen und natürlichen Ressourcen weiter auf ein besseres Leben warten.
Letztendlich müssen wir „auf die Energie der Massen zurückgreifen, indem wir eine staatliche Struktur schaffen, von der sich niemand entfremdet und die die Eigentumsverhältnisse verändert. Und ich sage, dies kann keine bürgerliche Partei leisten. Ich denke, dies kann nur durch eine sozialistische Partei geschehen“, so Olorunyomis Schlussfolgerung. Damit bezog er sich ganz offensichtlich darauf, dass eine Regierung der ArbeiterInnen und Armen an die Macht kommen muss, die mit einem sozialistischen Programm ausgestattet ist. Genau das ist es, was die SPN leisten will.
Trotz der begrenzten Zeit, die zur Verfügung stand, schloss sich an Dr. Olorunyomis Vortrag eine lebhafte Debatte an. Acht Delegierte, die allesamt die Notwendigkeit des Aufbaus der SPN als politische Alternative der Arbeiterklasse betonten, machten ganz hervorragende Beiträge. Adewale Barshar, der ein führendes Mitglied des DSM und Delegierter für die SPN aus dem Bundesstaat Oyo ist, sagte, die SPN solle ihre Wurzeln unter den arbeitenden Massen in den Betrieben und in den Wohngebieten schlagen. „Wir sollten gemeinsam mit den Leuten in den Wohnvierteln Programme auf die Beine stellen. Vielleicht kommen nicht sofort viele Leute zu uns, aber die Massen werden zu uns kommen, wenn wir Ausdauer zeigen. Wenn das geschiet, dann gelten wir etwas und grenzen uns von den üblichen Parteien ab“.
Frau Sodiya, die einmal Mitglied der „National Conscience Party“ gewesen ist, drückte in ihrem Beitrag ihre Freude darüber aus, welche Schritte zum Aufbau der SPN schon unternommen worden sind. Sie beschrieb ihre Erfahrungen mit der NCP und wie diese Formation eine allzu kurze Zeit lang eine Plattform für radikale Jugendliche, ArbeiterInnen und die Massen geboten hat, von der aus man für den gesellschaftlichen Wandel kämpfen konnte. In diesem Sinne müsse auch die SPN aufgebaut werden. Sie beendete ihren Beitrag, indem sie den Delegierten anrechnete, standhaft zu sein. „Wollt ihr den Wandel und werdet ihr selbst Teil dieses Wandels sein? Geht in euch und verdoppelt euren Einsatz!“.
Eine politische Partei, wie es sie kein zweites Mal gibt
Der Genosse Lanre Arogundade, der Mitglied im DSM-Bundesvorstand ist und einmal Kandidat bei den Senatswahlen für die „National Conscience Party“ war, ging ebenfalls auf den Vortrag ein und erklärte darüber hinaus, dass die SPN kein Ort für KarrieristInnen ist. im Gegenteil handelt es sich bei der SPN um eine Partei, die nach dem Prinzip funktioniert: EinE VertreterIn der Beschäftigten darf auch nicht mehr Einkommen haben als der Durchschnitt aller Beschäftigten. „Dies ist eine Partei, in der man – sollte man auf ihrem Ticket zu Wahlen antreten und gewählt werden – eben nicht die fantastischen Summen kassiert, die SenatorInnen und anderen politischen FunktionsträgerInnen zuteil werden. Andernfalls wären wir nicht besser als all die bürgerlichen Parteien. Wir werden also das tun, was wir auch in der NCP getan haben und noch darüber hinaus gehen. Alle, die auf dem Ticket der SPN gewählt werden, werden nicht mehr verdienen als den Durchschnittslohn derer, die sie vertreten. Alles, was an Bezügen und Zulagen darüber hinausgeht, wir an die Partei und die sozialen Bewegungen bzw. die Bewegungen der Arbeiterklasse gespendet, um die Kämpfe der ArbeiterInnen, jungen Leute und der Massen in den Wohnvierteln zu unterstützen“.
Indem Lanre Arogundade ferner erklärte, wie die SPN als politische Partei aufgebaut werden sollte, um sich von den bürgerlich-kapitalistischen Parteien, die nur im Sinne der Wohlhabenden handeln, zu unterscheiden, sagte er: „Die SPN wird versuchen, eine Partei aller Teile der Arbeiterklasse zu sein. ArbeiterInnen, Erwerbslose, KleinhändlerInnen, junge Leute, Marktfrauen, Bäuerinnen und Bauern usw. sollen sich angesprochen fühlen. Die SPN ist eine Partei, die ihnen allen eine Alternative im Sinne der Bevölkerungsmehrheit bietet und im Gegensatz steht zu der ruinösen neoliberalen Politik der Privatisierungen, die von den regierenden Parteien, der PDP und dem APC, durchgeführt wird. Die SPN steht für öffentliches Eigentum und demokratische Kontrolle über die Wirtschaft, um der Mehrheit der Bevölkerung gerecht zu werden […] Hinzu kommt, dass die SPN sich solidarisch zeigen und aktiv beteiligen wird, wenn es zu Kämpfen von Beschäftigten, jungen Menschen und den Massen kommen wird, wenn diese Streiks, Proteste, Demonstrationen oder Mahnwachen durchführen“.
Arogundade ergänzte: „Wenn wir sagen, dass es in Nigeria keine Opposition gibt, dann liegt das daran, dass sich – entgegen aller Lippenbekenntnisse – keine der bürgerlichen politischen Parteien beispielsweise bereit erklären würde, gemeinsam mit der ASUU auf die Straße zu gehen. Die SPN hingegen wird da sein und sollte auch zu dieser Art von politischer Partei ausgebaut werden“.
Kein Platz für Geldsäcke!
Am Ende des Vortrags mit anschließender Diskussion wurde ein Aufbau-Fonds für die SPN eingerichtet. Es wurde eine Summe von 15.915 nigerianischen Nira (~ 73 Euro) gesammelt und weitere 85.000 Naira (~ 390 Euro) wurden als Spenden zugesagt. Bisher sind die Aktivitäten der SPN aus einem Sonderfonds finanziert worden, den das DSM aufgelegt hat. Darüber konnten unter GenossInnen und AnhängerInnen des DSM bis heute genau 823.500 Naira (~ 3.750 Euro) gesammelt werden.
Während die großen kapitalistischen Parteien PDP und ACN von reichen PolitikerInnen finanziert werden, die die gesellschaftlichen Ressourcen ausplündern, hängt die SPN von der politischen Unterstützung der arbeitenden Menschen und verarmten Massen ab. Segun Sango verkündete stolz: „Wir sind heute, wo wir sind, ohne dass wir es je darauf angelegt hätten, auch nur eine einzige Spende von irgendeinem reichen Politiker oder Mitglied der kapitalistischen herrschenden Elite zu bekommen geschweige denn anzunehmen. Stattdessen hingen wir immer stark davon ab, was uns ArbeiterInnen, junge Leute, Studierende die armen Massen und unsere AnhängerInnen im ganzen Land haben zukommen lassen. Und so werden wir es auch halten, wenn wir an den Aufbau der SPN gehen. Die SPN muss auch in Zukunft eine politische Partei sein, die den ArbeiterInnen, den verarmten Massen und den jungen Leuten gehört, von ihnen kontrolliert und finanziert wird“.
Beeindruckende Leistung
Auf der Gründungskonferenz herrschte eine äußerst optimistische Stimmung. Es überwog das Gefühl, dass wir uns damit nun auf einen klaren Weg begeben, der uns in die Lage versetzt, den juristisch festgelegten Bedingungen zur Registrierung einer neuen politischen Partei, wie sie in der nigerianischen Verfassung von 1999 niedergelegt sind, zu entsprechen. Bei der Gründungsversammlung waren Delegierte aus allen sechs Verwaltungsgebieten des Landes vertreten, was für eine kleine sozialistische Organisation eine sehr beachtliche Leistung ist. Diese Delegierten vertraten ein breites Spektrum der unterdrückten Schichten Nigerias: Menschen aus der Arbeiterklasse, junge Leute, Studierende und verarmte Massen.
Für das DSM, das von Anfang an einen politischen Kampf dafür geführt hat, dass die Arbeiterklasse politisch vertreten wird, ist diese beachtliche Leistung ein großer politischer Erfolg. Das heißt nicht, dass es sich bei allen Angehörigen der SPN-Bundesleitung auch um Mitglieder des DSM handeln würde. Doch die Tatsache, dass die SPN in der Lage war, auf der Grundlage von sozialistischen Ideen, für die sich das DSM seit 1986 einsetzt, Mitglieder zu gewinnen, ist ein anschaulicher Beweis dafür, dass die Gesamtheit der arbeitenden Massen in Nigeria – egal aus welcher der sechs Verwaltungseinheiten des Landes stammend und ganz gleich welcher ethnischen Gruppe oder Religion zugehörig – sich angesichts der herrschenden kapitalistischen Misere nach einem Wandel sehnt.
War das DSM, der Initiator der SPN, bisher nur in vier der Verwaltungsregionen Nigerias mit Mitgliedern, Ortsgruppen und Aktivitäten vertreten, so kann sich die SPN-Initiative schon auf Kontakte in allen sechs Regionen berufen, darunter auch die beiden Gebiete, in denen das DSM bisher keine Mitglieder hatte bzw. aktiv war. Dazu zählt auch die von Gewalt geprägte Region im Nordosten des Landes, wo die Organisation „Boko Haram“ aber auch staatliche Kräfte, die ihr Handeln später dann „Boko Haram“ in die Schuhe schieben, koordinierte Bomben- und Mordanschläge durchführen. Seit letztem Jahr ist die bundesweite Interimsführung der SPN kreuz und quer durchs Land gereist, um Unterstützung für die neue Partei zu mobilisieren. Im Vorfeld der Gründungsversammlung sind in allen sechs Verwaltungseinheiten Regionalkonferenzen organisiert worden. Dazu zählt auch (die Hauptstadt; Erg. d. Übers.) Abuja. Aufgrund der Sicherheitslage war dies leider nicht in der Nordost-Region möglich sowie dem Südwesten nötig, wo wir bereits funktionierende Parteigliederungen und aktive Mitglieder haben. Da unsere Ressourcen begrenzt sind, bedeutet das, dass der Interimsvorstand Gebiete bevorzugt behandeln musste, in denen die SPN bisher nur wenig oder gar nicht vertreten war.
Vor diesem Hintergrund ist klar, dass nicht alle, die in die SPN-Bundesleitung gewählt wurden, auch an der Gründungskonferenz teilnehmen konnten. Einigen von ihnen war dies nicht möglich. Allerdings stellte die Partei sicher, dass all jene, die in die Bundesleitung gewählt worden sind und aus verschiedenen Gründen nicht persönlich anwesend sein konnten (weil die Entfernung zu groß gewesen wäre oder nicht genug Geld für die Reise vorhanden war oder weil andere Gründe dies verhinderten), zuvor schriftlich bestätigt hatten, dass sie kandidieren und die Wahl auch annehmen würden. Das wurde der Versammlung vorab mitgeteilt.
Angemessene Klausurtagung
Unmittelbar nach der Plenumsphase standen dann die Wahlen an, die vom Präsidium durchgeführt wurden, dem die GenossInnen Peluola Adewale, Victor Osakwe und Mary George angehörten. Es wurde eine 30 Mitglieder umfassende Bundesleitung gewählt mit Segun Sango als Bundessprecher, Chinedu Bosah als Bundesgeschäftsführer und Bashir Tanko als Schatzmeister. Nach der Wahl des Bundesvorstands wurden dann das vorgeschlagene Wahl- und das Parteiprogramm mit geringfügigen Änderungen beschlossen.
Mit dieser Gründungskonferenz, in deren Rahmen ein Bundesvorstand gewählt wurde, dessen Mitglieder alle sechs Verwaltungsgebiete Nigerias repräsentieren, wurde die letzte Hürde auf dem Weg der beschwerlichen Voraussetzungen genommen, die die Verfassung vorsieht. Das andere ist, dass der Hauptsitz der Partei in Abuja eingerichtet wird. Dafür wurde in der Adetokunbo Ademola Street 42, Wuse II, in Abuja ein Büro angemietet. Der nächste Schritt besteht nun darin, bei der „Independent National Electoral Commission“ (INEC; nig. Wahlkommission) den entsprechenden Antrag zu stellen.
Nach einem belebenden gemeinsamen Mittagessen traten die Delegierten dann den Heimweg zurück in die jeweiligen Bundesstaaten an. Mit im Gepäck hatten sie dabei neue Inspiration und Zuversicht, um mit dem Aufbau der „Socialist Party of Nigeria“ (SPN) als einer politischen Partei der ArbeiterInnen, jungen Leute und der Massen fortzufahren. Wenn die Partei nicht von der Politik und den Methoden abrückt, die mit dem Parteiprogramm nun beschlossen wurden, dann hat sie gute Chancen, in Zukunft eine Masse an Mitgliedern zu gewinnen.
„Für die herrschende Klasse oder ihre VertreterInnen gibt es in unserer Partei keinen Platz. Indem sie sich auf die arbeitenden und sich abplackenden Massen beruft, wird die SPN eine Bewegung aufbauen, die Nigeria von der Unterdrückung der kapitalistischen Elite befreit, die das Land in den Ruin treibt. Wir werden Unterstützung für die auf täglicher Ebene stattfindenden Kämpfe der arbeitenden Menschen mobilisieren und aktiver Teil ebendieser Kämpfe sein, um zu Verbesserungen zu kommen und gegen alle Formen kapitalistischer Attacken anzugehen. Wir werden mit allen Beschäftigten und Unterdrückten in Afrika und anderswo auf der Welt solidarisch sein und ihren Kampf zur Befreiung vom Kapitalismus aktiv unterstützen“. Mit diesen Worten gab Segun Sango klar die Linie für die SPN als politischer Partei vor, derer es – was ihre Grundsätze und Methoden angeht – derzeit keine zweite gibt in Nigeria.