SchneebergerInnen gegen die NPD

Antifaschismus & AntirassismusSchneeberg wehrt sich … gegen Nazis!

Nachdem bereits die ersten zwei Schneeberger „Lichtelläufe“ von Protesten begleitet wurden, gingen am 16.November 1000 SchneebergerInnen gegen den von der NPD organisierten Marsch auf die Straße. Ein Bündnis von CDU bis DIE LINKE hatte zu den Protesten aufgerufen. Weitere 1000 DemonstrantInnen beteiligten sich an einer von Antifa-Gruppen organisierten Demo, für die bundesweit mobilisiert worden war.

von Steve Kühne, Dresden

In Eggesin bei Berlin, im thüringischen Greiz, in Schneeberg bei Chemnitz, in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden, in Leipzig, in Berlin-Hellersdorf – überall zieht die NPD aktuell über MigrantInnen her. NPD, Freie Kameradschaften oder auch „Autonome Nationalisten“ gründen so genannte Bürgerinitiativen, um gegen MigrantInnenwohnheime und Moscheen zu hetzen. Der Facebook-Auftritt der NPD-„Bürgerinitiative“ hat 3.200 Mitglieder – doch nur 160 kommen aus Schneeberg und Umgebung. Die meisten sind bekannte Nazi-AktivistInnen. Einige von ihnen sogar aus Köln. Es bleibt die Frage, ob diese „heimatverliebten“ Menschen vor dieser ganzen Affäre überhaupt wussten, dass es Schneeberg gibt.

„Braunes Drecksnest“?

Diese „Versteck-Dich-Taktik“ ist nicht neu. Michael Andrejewski, NPD-Abgeordneter in Mecklenburg-Vorpommern, hetzte 1992 in Rostock-Lichtenhagen mit einem in zehntausendfacher Auflage gedrucktem Flugblatt gegen die „Ausländerflut“ und zeichnet durch sein Handeln direkt verantwortlich für die pogromartigen Übergriffe auf das MigrantInnenwohnheim in diesem Stadtteil. Wer hinter diesem Flugblatt stand, sagte er damals nicht. Dafür holte er aus dem ganzen Bundesgebiet militante Kräfte heran, die gegen das MigrantInnenwohnheim in einer Gewaltorgie vorgingen.

In Schneeberg ging die NPD nicht so weit – nicht ganz so weit. Aber die Facebook-Seite „Schneeberg wehrt sich“ bot kostenlose Mitfahrgelegenheiten in die sächsische Kleinstadt an. Ein großer Teil der bis zu 1800 TeilnehmerInnen des Lichtellaufs waren herbeigeholte Nazi-Kader.

Dennoch, es haben sich auch Schneeberger von der rechten Propaganda einfangen lassen. Es ist jedoch völlig falsch, wenn antideutsche Antifas Transparente mit der Aufschrift „Schneeberg – braunes Drecksnest“ hochhalten. Aufgabe von AntifaschistInnen muss sein, die Lügen der NPD zu entlarven und eine wirkliche politische Alternative aufzuzeigen.

Der Rassismus der Herrschenden

Als in Schneeberg mehrere Hundert MigrantInnen – vor allem Kinder und Jugendliche – untergebracht wurden, waren sie bereits durch die Hölle gegangen. Sie waren aus ihrer Heimat geflohen, aus Krisen- und Kriegsgebieten. Sie flohen vor Hunger und Perspektivlosigkeit, sie flohen vor dem Tod, den auch deutsche Waffen in ihre Heimat bringen. Sie sind genauso Opfer dieses unmenschlichen kapitalistischen Systems wie diejenigen, die hier unter Arbeitslosigkeit und Armut zu leiden haben. Die Herrschenden setzen das altbekannte Prinzip des „Teile und Herrsche“ ein, um von sich abzulenken.

Als Anfang der 90er Jahre mit der Wiedereinführung des Kapitalismus in Ostdeutschland einen soziale Katastrophe organisiert wurde und die Wut über Privatisierungen, Werksschließungen, Entlassungen und soziale Not spürbar wurde, da sprachen CDU/CSU auf einmal von der „Asylflut“. Die Pogrome gegen MigrantInnenwohnheime in Hoyerswerda und Rostock waren Ergebnisse dieser Hetze.

In der Folge wurde das Grundrecht auf politisches Asyl faktisch ausgehebelt. Rassistische Asylgesetze wie die Residenzpflicht, das Verbot zu arbeiten… machten und machen MigrantInnen das Leben schwer.

Sie werden in enge und schlecht ausgestattete Heime gepfercht, sind auf dem niedrigsten Status der Duldung faktisch jederzeit von Abschiebung bedroht. Sie müssen damit rechnen meistens nachts auf Flughäfen gezerrt und ausgewiesen zu werden. Und sie werden zu Sündenböcken für Sozialabbau und Kürzungen aller Art gemacht. Man macht sie verantwortlich für steigende Kriminalität.

Der angebliche Antikapitalismus der NPD

Die Herrschenden spalten uns, um uns zu schwächen. Rassismus ist dabei nur ein Mittel im Repertoire des Gegeneinaderausspielens. Die NPD bedient sich der rassistischen Hetze der etablierten Parteien und verbindet sie mit faschistischer Ideologie. Gleichzeitig versucht sie sich als Gegner des Establishments zu präsentieren. In Wirklichkeit vertritt sie allerdings die Interessen der Großunternehmer und Reichen und nicht die der „kleinen Leute“!

Die Politiker würden sich nur mit der „Verhätschelung der Asylbewerber“ befassen, „statt dem eigenen Volke zu dienen und die heimische Wirtschaft aufzubauen“, blähte der NPD-Kreisvorsitzende Stefan Hartung seinen Zuhörern beim „zweiten Schneeberger Lichtellauf“ auf dem Schneeberger Marktplatz am 02.11. entgegen.

Dabei hat er, samt seiner NPD, den vor ihm stehenden Zuhörer wenig anzubieten – oder eher nichts, was ihnen helfen würde. Zur Landtagswahl 1999 forderte die NPD noch Zwangsmaßnahmen gegen Langzeitarbeitslose, die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe – mit anderen Worten, sie wollte die Einführung von Hartz IV. Dann, zur sächsischen Landtagswahl 2004, der Schwenk. Auf einmal wollte die NPD davon nichts mehr wissen und forderte die Abschaffung der unsozialen Reform. Dann wieder Schwenk zurück: In ihrem Bundestagwahlprogramm 2013 war nichts von einer Ablehnung von Hartz IV zu lesen.

Als in Dresden 2004 und 2005 gegen die Einführung von Hartz IV, gegen den sozialen Kahlschlag, auch in Dresden Tausende auf die Straße gingen, waren es NPD-Kader wie Sven Hagendorf, die die OrganisatorInnen dieser Demos überfielen und krankenhausreif prügelten.

Die „heimische Wirtschaft“ will Stefan Hartung nach eigener Aussage aufbauen. Gern bezeichnet sich die NPD sogar als antikapitalistisch. Doch will die NPD die Unternehmer zur Kasse bitten, die Leute für Hungerlöhne arbeiten lassen, die Stellen vernichteten? Nein, die NPD steht für das freie Unternehmertum. Die Partei, die verlangt, Gelder für Flüchtlingsunterkünfte zu streichen, ist dieselbe Partei, die in ihrem Bundestagswahlprogramm steuergeldfinanzierte Subventionen ausgerechnet für diese halsabschneiderischen Vermieter fordert, die bundesweit die Mieten in die Höhe treiben.

Was nun?

Am 16.11. waren in einer Kleinstadt 2000 Menschen gegen Nazis auf der Straße. Das ist ein hoffnungsvolles Signal. Die Hetze der Nazis wird weitergehen. Gerade im nächsten Jahr, in dem in Sachsen und Thüringen Kommunalwahlen stattfinden werden, im Jahr der Europawahl und der sächsischen Landtagswahlen, in denen die NPD ihre Sitze im Landtag verteidigen will, wird die NPD verstärkt auf derartige Veranstaltungen wie den „Lichtellauf“ von Schneeberg setzen.

Die LINKE ist in der Verantwortung, sich dem entgegenzustellen. Es hilft aber nicht, wenn die LINKE gemeinsam mit CDU und FDP auftreten. Die NPD weiß das zu nutzen und stellt die LINKE als Partei des Establishments dar, die die Sorgen und Nöte der „kleinen Leute“ nicht kennen würde. Denn sie sei ja Teil der „kapitalistischen Koalition“, so argumentierte der NPD-Vorsitzende Holger Apfel unlängst während eines Wahlkampfauftritts in Meißen, einer anderen sächsischen Kleinstadt.

Um den rechten Hetzern das Wasser abzugraben, muss die LINKE sich von den etablierten Parteien klar abgrenzen. Die Sorgen und Ängste vieler Menschen sind nach 23 Jahren Kapitalismus, nach tausendfacher Abwanderung, Werksschließungen, Entlassungen, Lohndumping und Sozialraub sehr ernst zu nehmen. Wenn die LINKE verhindern will, dass die NPD die Wut der Menschen für ihre Zwecke benutzt, dann muss sie zeigen, dass sie „anders“ ist, dann muss sie gegen Sozialabbau und Rassismus vor Ort massiv zu Felde ziehen. Gerade der Kampf gegen Mietwucher wäre ein notwendiges Arbeitsfeld für die LINKE. Hier muss sie zeigen, dass sie nicht an der Seite der CDU, sondern an der Seite der Angestellten, ArbeiterInnen, Jugendlichen, RentnerInnen und MigrantInnen steht.

Sie muss aktiv werden und jetzt die Initiative zum Aufbau antifaschistischer Strukturen vor Ort leisten, die über die soziale Demagogie von NPD und Co., den Rassismus der Herrschenden und die wirkliche Situation von Flüchtlingen aufklären kann. Wer diese Arbeit unterstützen will, der wende sich an: www.antifabuendnisdresden.wordpress.com