Die Aachener Linksjugend [’solid]-Gruppe hatte für vergangenen Samstag, den 2. November, eine Demonstration gegen die europäische Flüchtlingspolitik organisiert. Diese Demonstration wurde – unter den Augen der Polizei – mehrfach von Neonazis und rechten Fußball-Hooligans attackiert.
Als Reaktion auf diese zunehmende Neonazi-Gewalt wird in Aachen am Freitag um 18 Uhr eine Demonstration unter dem Motto „Stoppt den Nazi-Terror!“ am Elisenbrunnen stattfinden. Wir rufen unsere LeserInnen aus Aachen und Umgebung zur Teilnahme auf!
Den Aufruf dazu findest Du hier.
Hier dokumentieren wir eine Stellungnahme der linksjugend [’solid] Aachen zu den Ereignissen vom 2. November:
Stellungnahme der Linksjugend [’solid] Aachen zu den Ereignissen am 2. November 2013
Für den 2. November 2013 organisierte die Aachener Basisgruppe der linksjugend [’solid] eine Demonstration in der Innenstadt. Den Aufruf unter dem Motto „Fluchtursachen bekämpfen statt Flüchtlinge – gegen Krieg, Elend und Festung Europa!“ unterschrieben sieben weitere Gruppen.
Mit dieser Aktion wollten wir unsere Solidarität mit den Flüchtlingsprotesten in Hamburg, Berlin und überall demonstrieren, aber vor allem auch auf die Fluchtursachen aufmerksam machen. Krieg und Elend, Nahrungsmittelknappheit und verunreinigtes Wasser, politische Verfolgung und Perspektivlosigkeit sind direkte Folgen der Ausbeutung des globalen Südens – auch durch deutsche Großkonzerne. Vielen bleibt da nur die Flucht, in der Hoffnung woanders überleben zu können.
Anstatt aber an den Fluchtursachen etwas zu ändern, werden Flüchtende in Deutschland wie Menschen dritter Klasse behandelt: Werden in total überfüllte Lager gequetscht, bekommen kaum Geld oder sogar nur Lebensmittelgutscheine, dürfen aber auch keiner Lohnarbeit nachgehen, haben stark eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung, obwohl sie oft schwer traumatisiert sind. Wenn sie es überhaupt bis hierher schaffen – das beweisen die über 400 Toten vor Lampedusa. Daher unser Demonstrationsmotto: Wir wollten sowohl an den Ursachen ansetzen, gleichzeitig aber auch konkrete Unterstützung für Bedürftige einfordern.
Um 16 Uhr sammelten sich ca. 60 DemoteilnehmerInnen zur Startkundgebung am Elisenbrunnen. Um 16:45 Uhr ging der Demonstrationszug los. Über die Adalbertstraße sollte es auf die Wilhelmstraße zum Hauptbahnhof gehen.
Doch nur wenige Minuten nach dem Beginn mussten wir auf der anderen Straßenseite eine Gruppe Neonazis bemerken, die provozierend ein Transparent hielten. Darauf das Hakenkreuz-ähnliche Symbol der griechischen Faschisten-Partei „Goldene Morgenröte“, die für Pogrome gegen MigrantInnen und brutale politische Morde bekannt ist. Das Transparent war vom „Freien Netz Süd“ unterzeichnet, einem hauptsächlich in Bayern aktiven Netzwerk militanter Neonazis, die anscheinend enge Kontakte zu hiesigen Neonazis und rechten Hooligans pflegen.
Doch die Faschisten beließen es nicht bei dieser Provokation: Bald wechselten sie die Straßenseite, kamen auf uns zu, beleidigten DemoteilnehmerInnen und griffen schließlich körperlich an. Die Demo wurde von mindestens drei Neonazis direkt angegriffen. Auch ein Polizist wurde geschlagen und verletzt. Die Polizei nahm zu diesem Zeitpunkt nur zwei von ihnen vorübergehend fest.
Aus den Reihen der angreifenden Neonazi-Gruppe heraus wurde eine Kundgebung unmittelbar neben unserer Demonstration angemeldet. Skandalöser Weise gewährte die Polizeiführung diese! Wir machten klar: ”Wir gehen erst, wenn die weg sind. Wir lassen es nicht zu, dass Neonazis in der Öffentlichkeit ihre Hetze und Gewalt verbreiten können!”.
Trotzdem blieb die Polizeiführung bei ihrer Haltung, wohlwissend dass sie damit eine weitere Eskalation überhaupt erst ermöglichte. So kam es dann auch: Immer wieder verließen Neonazis ihre Kundgebung, um einzelne DemoteilnehmerInnen zu provozieren. Bei einem weiteren körperlichen Angriff ging die Polizei sogar mit Pfefferspray gegen sich verteidigende AntifaschistInnen vor. Hiernach wurde gegen drei weitere Neonazis Anzeige erstattet, eine halbe Stunde später lösten diese ihre Kundgebung auf.
Unsere Demo konnte ihren Weg fortsetzen. Die jetzt eingesetzten Polizisten hatten keine Ahnung, wie die Demoroute verlief. Die Demo lief am “Fiasko” vorbei, einer bekannten, von rechten Alemannia-Fans („Karlsbande“ und „Supporters“) genutzten Kneipe. Unserer Anmelderin wurde vorher zugesichert, dass dort Polizisten stünden, die verhindern sollten dass unsere Demo aus dieser Kneipe heraus attackiert werden könnte.
Dort angekommen mussten wir feststellen, dass dies nicht der Fall war. Die Demo lief friedlich und laut an der Kneipe vorbei, bis Flaschen flogen und betrunkene Personen die Demonstration angriffen. Andere „beleidigten“ DemoteilnehmerInnen als Juden – auf dem Synagogenplatz! Die total überforderten Polizisten ließen einen ersten Angriff zu, reagierten dann mit dem Versprühen von Pfefferspray, aber vorwiegend gegen die angegriffenen DemonstrantInnen! Es dauerte Minuten, bis die Polizei die randalierenden rechten Hooligans zurück drängte.
Erst dann setzte die Demo ihren Weg zum Hauptbahnhof fort. Die meisten DemonstrantInnen gingen in das Autonome Zentrum, um dort Schutz vor in der Stadt umherziehenden Neonazi-Banden zu suchen, denn mehrere AntifaschistInnen wurden zeitgleich am Elisenbrunnen von Neonazis angegriffen. Keine fünf Minuten nach Beendigung der Demonstration provozierten rechte Hooligans erneut am Autonomen Zentrum und suchten Streit, der durch das besonnene Handeln der AntifaschistInnen nicht eskalierte.
Gegenüber unserer Anmelderin und auch dem LINKE-Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko rechtfertigte die Polizeiführung den Schutz der angreifenden Neonazis mit deren „demokratischem Recht“. Das ist absolut zynisch, insbesondere da von diesen Neonazis bereits Gewalt gegen die DemonstrantInnen ausgegangen war! Unter den Neonazis waren nicht nur zugereiste Neonazis aus dem süddeutschen Raum, sondern auch der ehemalige Aachener Daniel Thönnissen, der 2011 bereits wegen Gewaltdelikten verurteilt wurde und jetzt als Verbindungsglied zur süddeutschen Neonazi-Szene fungiert. Man denke aber auch daran, wie immer wieder – sei es in Stolberg, Dresden oder Dortmund – die Polizei mit enormer Härte gegen AntifaschistInnen vorgeht, die sich mit friedlichen Blockaden Nazi-Aufmärschen in den Weg stellen. Auch hier wird mit dem Demonstrationsrecht der Neonazis argumentiert. Besonders zynisch erscheint dieses polizeiliche Vorgehen, wenn man bedenkt dass gegenwärtig noch von der Aachener Justiz gegen Menschen ermittelt wird, die gegen den ausländerfeindlichen Nazi-Aufmarsch in Stolberg mit friedlichen Blockaden vorgegangen sind. Zudem verletzten Polizisten TeilnehmerInnen der Demonstration, die sich verteidigen mussten, und wirkten so eskalierend. DemonstrantInnen, die Anzeige erstatten wollten gegen Neonazis, wurden teilweise von Polizisten nicht ernst genommen. Die Situation am Synagogenplatz war vorhersehbar und auch hier mussten wir feststellen, dass die Polizeiführung nicht Willens war, dem vorzubeugen.
Wir müssen also feststellen, dass im Kampf gegen rechte Gewalt Polizei und Justiz keine Verbündeten sind. Im Gegenteil: Mit dem gleichen Argument, dem Demonstrationsrecht werden AntifaschistInnen kriminalisiert und Neonazis gefördert.
Wir müssen es also selber tun:
- Antifaschistischen Selbstschutz organisieren!
- Faschisten verjagen!
- Rassismus konsequent bekämpfen!
Wir werden auch weiterhin aktiv bleiben gegen Neonazis. Denn Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!
Und wir kämpfen weiter für eine Welt ohne Ausbeutung und Armut, ohne Sexismus und Rassismus, ohne Umweltzerstörung und Krieg. Wir kämpfen gegen die kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse. Faschisten schützen diese Ausbeutungsverhältnisse, greifen Menschen an, die sich dagegen wehren. Sie sind nützliche Idioten des kapitalistischen Systems.
Wir laden jede und jeden ein, sich uns in diesem Kampf anzuschließen!
Wir treffen uns jeden Dienstag um 19 Uhr im Linken Zentrum Aachen, Augustastraße 69. Interessierte sind herzlich willkommen.