Dieser Artikel erschien zuerst am 19. Oktober in englischer Sprache auf socialistworld.net
Kleiner aber wichtiger Erfolg im anhaltenden Kampf um Meinungsfreiheit
Bericht von tunesischen GenossInnen des CWI („Committee for a Workers´ International“ // „Komitee für eine Arbeiterinternationale“, dessen Sektion in Deutschland die SAV ist)
Der linke tunesische Rapper Ahmed Ben Ahmed (alias „Klay BBJ“), der aufgrund seiner angeblich „die staatlichen Stellen und die Moral beleidigenden“ Texte in Abwesenheit zunächst zu 21 Monaten Haft verurteilt worden ist, wurde am Donnerstag nun im Berufungsverfahren freigesprochen.
Klay und sein Musiker-Kollege „Weld El 15“ (Alaa Yaacoubi) wurden im August zu 21 Monaten Gefängnis verurteilt, nachdem sie gewaltsam während eines Konzerts in der Hafenstadt Hammamet von der Bühne weg verhaftet und von der Polizei misshandelt worden sind. Dabei haben sie keine Gerichtsvorladung oder auch nur Kenntnis von ihrem eigenen Verfahren erhalten.
Klay hatte sich dazu entschieden, das Urteil anzufechten, während Weld El 15 seit seinem Schuldspruch flüchtig war. Am 26. September stand der erste Termin in Klays Berufungsverfahren an, bei dem eine Reduzierung der Haft auf sechs Monate rauskam, die umgehend anzutreten sei. Auch dagegen legte sein Anwalt Berufung ein, was am Donnerstag schließlich zur Aufhebung des Urteils führte. Der Anwalt teilte mit, dass auch Weld El 15 nun in Berufung gehen würde.
Die MitstreiterInnen und SympathisantInnen des aller CWI-Sektionen in über 40 Ländern der Welt haben ihren Unmut über das Urteil ausgedrückt, das ursprüngliche gegen diese jungen und engagierten Künstler verhängt wurde. Hier haben SympathisantInnen des CWI aus fünf verschiedenen Ländern einen Rap-Song eingestellt, in dem die Aufhebung des Urteils gegen Klay BBJ und Weld El 15 gefordert wird:
Ganz ohne Zweifel hat der Druck, der gegen das erste Urteil aufgebaut wurde, bei dem Freispruch für Klay BBJ einen wichtigen Beitrag geleistet. Dazu zählte auch ein von 12 Mitgliedern des Europaparlaments unterzeichneter Brief, der auf die Initiative des Europaabgeordneten Paul Murphy von der „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Irland) zurückging. Das CWI begrüßt diesen bedeutenden Erfolg, den wir als Teil des anhaltenden Kampfes betrachten, der zur Zeit in Tunesien gegen die wiederholten Versuche geführt wird, das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken und kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.
Darüber hinaus begrüßen wir sehr, dass tunesische Rapper vor kurzem die Initiative zur Gründung einer landesweiten Gewerkschaft ergriffen haben, um die eigenen Rechte gegen die Repression des Staates zu verteidigen. Dies mag Motivation dafür sein, die Verteidigung der Rechte der KünstlerInnen miteinander zu verbinden. Dasselbe gilt für die Kämpfe der jungen Menschen aus den verarmten Vororten, aus denen die Mehrzahl der tunesischen Rapper stammt: Sie können sich verbinden mit der organisierten Arbeiterbewegung, die im Land existiert.
Der Kampf geht weiter!
Das Regime der islamistischen Regierungspartei „Ennahda“ stützt sich in hohem Maße auf das Strafgesetzbuch, das als Erbe des alten Regimes unter Ben Ali betrachtet werden kann und immer noch in Kraft ist. Davon ausgehend hat die derzeitige Regierung auch von sehr ähnlichen Methoden Gebrauch gemacht, um mit KritikerInnen und Oppositionellen umzugehen: Polizeigewalt, Folter, willkürliche Verhaftungen, Angriffe auf JournalistInnen und sogar politischen Mord.
Selbst im Zuge des letzten Berufungsverfahrens, in dem über das Schicksal von Klay BBJ entschieden wurde und zu dem JournalistInnen und VertreterInnen von NGOs wie „Human Rights Watch“ angereist waren, wurde diesen von der Polizei verweigert, an der abschließenden Sitzung teilzunehmen. Unterdessen sitzen weiterhin Dutzende MusikerInnen und andere KünstlerInnen im Gefängnis oder befinden sich auf der Flucht vor der Justiz.
Diese Beispiele zeigen, dass der Kampf weitergehen muss, auch wenn eine Schlacht gewonnen ist! Wie Klay BBJ in einem offenen Brief schrieb, den er im Gefängnis verfasst hat: „In diesem Land ist das Recht auf freie Meinungsäußerung begrenzt. Ich werde immer Kritik üben, wenn das nötig ist, und mich niemals verstellen […] No Pasaran!“