Hollywood-Film mit erschreckender Aktualität
Trotz Science-Fiction-Oberfläche steckt im neuen Film von Neil Blomkamp schärfste Gesellschaftssatire in bester Tradition von Fritz Lang und Terry Guilliam. Bittere soziale Kritik, abschreckende, in ihrer Vollkommenheit, großflächige Bilder vom Untergang der Erde, düstere Stimmung – das macht den zweiten Film von Neil Blomkamp zur absoluten Pflicht der Saison.
Von Dima Yansky, Aachen
Bereits in seinem ersten Antiutopischen Gemälde, „District 9“, reizte der Regisseur die Themen von Ghettoisierung, Migration, Armut, Rassismus sowie Krankheiten aus. Überraschenderweise gelingt es dem jungen Meister, die aktuellen Themen in Form eines spannenden Sciencefictionthrillers zu präsentieren. Die finstere Welt von „Elysium“ ist sozusagen die Weiterentwicklung des Universums von „District 9“. Der Planet Erde ist überbevölkert, verseucht, fast zerstört von ökologischen Katastrophen. Es ist eine staubige, heiße Welt, ohne sauberes Wasser, ohne saubere Luft, ohne Arbeit und ohne Perspektiven. Eine Welt voll unendlicher Slums und kollosaler Fabriken. Das Leben eines Menschen in einer überbevölkerten Gesellschaft ist nicht mehr als ein Tageslohn wert. Die sehr realistischen Bilder dieser Welt wurden übrigens vom Regisseur in mexikanischen Ghettos gedreht, nur mit leichter Science-Fiction dekoriert, um die Traditionen des Genres zu bewahren.
Auf dem anderen Pol dieser apokalyptischen Gesellschaft liegt „Elysium“. Eine orbitale Paradiesinsel der reichen und schönen Halbgötter. Die Millionäre habe die Erde vor langer Zeit verlassen und haben sich ein Refugium im Himmel aufgebaut. Die perfekt aussehenden, absolut gesunden, und nicht alternden Superreichen kontrollieren die Erde mit Hilfe ihres Reichtums, ihrer Technologien und einer Armee von Androiden. Auch hier malte der südafrikanische Regisseur keine Fantasie-Bilder, sondern reflektierte reale Bauprojekte aus seiner Heimat Südafrika, sowie Lateinamerika und Asien. Auch hier schützen sich die urbanen Inseln der Reichen vor den Armen mit Mauern, Stacheldraht, elektronischen Systemen und Security-Armeen. Nicht zu vergessen die Spaltung zwischen den reicheren Industrienationen und der Welt der Armen im Rest der Welt. Um jeden Preis und unter Einsatz ihres Lebens versuchen die Armen „Elysium“ zu erreichen, genau wie die afrikanischen Flüchtlinge in zerbrechlichen Fischerbooten versuchen das Mittelmeer zu überqueren.
Die Hauptfigur des Filmes, Max deCosta, wird einer tödlichen Strahlendosis in seiner Fabrik ausgesetzt. Die einzige Möglichkeit zu überleben und gesund zu werden ist es, auf „Elysium“ zu gelangen um dort eine Therapie zu machen. Sein Versuch, sein Leben zu retten, wird zum Dreh- und Angelpunkt des Filmes.
Die Bilder der Fabriken, der Slums, „Elysium“ erinnern an Fritz Langs Film „Metropolis“. Es gibt allerdings auch deutliche Unterschiede. Das Meisterwerk von Fritz Lang wurde in der Zeit von Revolutionen, Konterrevolutionen und Bürgerkriegen kreiert, in einer Zeit von höchstentwickeltem sozialen und politischen Bewußtsein, was heute leider nicht der Fall ist. Der Künstler kann brilliant die Widersprüche der heutigen Gesellschaft aufzeigen und sie durch die Science-Fiction-Lupe mehrmals vergrößern und zum Absoluten bringen. Wenn es jedoch um Antworten auf die gestellten Fragen und belichteten Konflikte geht, bleibt er im Rahmen von bürgerlichem Idealismus und individualistischem Heldenkult. Die armen Massen sind nur die Kullissen für die Heldentaten der unbremsbaren Hauptfigur.
Dennoch ist das wahrscheinlich das Maximum, das man von einem kommerziell erfolgreichen Regisseur erwarten kann. Vor dem Hintergrund von realitätsfernen, leeren, konsumorientierten Filmen der Saison ist Elysium eines der wenigen Kunstwerke, welches nicht nur die soziale Problematik anspricht, und versucht Antworten zu finden, sondern gleichzeitig ein visuelles Konstwerk darstellt.
Und zum Thema seiner bizarren Darstellungsmethoden sagte der Regisseur selber: „No, no, no. This isn’t science fiction. This is today. This is now.“ („Nein, das ist keine Science-Fiction. Das ist heute. Das ist jetzt“).