Taksim ist überall, überall ist Widerstand!
Es ist nicht mal 25 Jahre her, dass die wichtigen Vertreter des Kapitalismus vom „Ende der Geschichte“ und der Alternativlosigkeit ihres Systems schwadroniert haben. Sie haben uns erklärt, dass es niemandem mehr geben würde, der gegen Ungerechtigkeit aufbegehren würde, dass unsere Ideen von einer besseren Welt kindische Träume wären. Und sie waren sich ziemlich sicher, dass sie fest im Sattel sitzen.
Von David Schultz aka Holger Burner, Hamburg
Jetzt haben sie Massenstreiks und Aufstände von Athen bis Lissabon, von Alexandria bis Tunis gesehen. Sie haben gesehen, wie wir uns nicht mehr alles gefallen lassen: Ob ihre Sparpakete, ihre Kriege oder ihre Unterdrückungspolitik. Der Widerstand sieht über Grenzen hinaus, lernt, holt sich Ideen und Motivation von anderen Bewegungen.
Und genau wie wir den Widerstand in anderen Ländern als Beispiel nehmen, müssen wir vom Widerstand in anderen Ländern lernen, was uns noch fehlt.
Der Bewegung in der Türkei fehlt es nicht an Mut: Trotz mehrerer Toter und tausender Verletzter und Gefangener, trotz der Tatsache, dass die Türkei ihre gesamten Vorräte an Tränengas auf die Plätze geschossen hat: Die Menschen sind immer wieder aufgestanden. Der Bewegung in der Türkei fehlt es nicht an Unterstützung: In den bürgerlichen Medien lesen wir von Istanbul, höchstens noch mal einen Satz über Ankara. Erdogan versucht alles, den Widerstand aufzuspalten, von ausländischer Steuerung zu reden oder die Men schen als „Terroristen“ zu diffamieren. Aber in Dutzenden Städten der Türkei waren Massen auf der Straße. Und dass es der Bewegung nicht an Entschlossenheit fehlt, kann niemand übersehen: Erdogan fordert die Mütter auf, ihre Söhne von der Straße zu holen – am nächsten Tag sind tausende Mütter mit auf dem Platz.
Aber wenn wir von den Bewegungen aus anderen Ländern etwas lernen müssen, dann eines: Wir können nur auf unsere eigene Kraft vertrauen, denn eine andere kapitalistische Regierung wird unsere Probleme auch nicht lösen. Wenn die CHP an die Regierung kommt, wird sie auch Politik gegen das Volk machen. Beck von den Grünen hat auf der Großdemo in Köln von der EU geredet – aber wir reden von Freiheit, und das ist etwas anderes.
Und den deutschen Politikern, die jetzt das Vorgehen der AKP öffentlich kritisieren, ist sowieso nicht zu trauen. Westerwelle redet von einem „intensiven Meinungsaustausch im Geiste von Partnern und Freunden“ – und meint damit: Auch die deutsche Regierung gebraucht ab und zu mal Knüppel und Tränengas gegen die Bevölkerung in Stuttgart oder Frankfurt. Wenn in der Türkei eine wirklich andere Politik herrschen soll, dann darf man nicht dabei stoppen, Erdogan wegzujagen. Dann müssen ArbeiterInnen und Jugendliche beginnen, sich selbst das Land in ihrem eigenen Interesse zu organisieren.
Das heißt auch: In Deutschland muss praktische Solidarität aus der Arbeiterbewegung kommen, aus Gewerkschaften, Linkspartei und sozialen Bewegungen. Dazu gehört, für den Stopp aller Waffenlieferungen an die Türkei einzutreten, für ein Ende aller Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdiensten, für die Freilassung aller inhaftierten kurdischenAktivistInnen in Deutschland. Dazu gehört, jeden Schritt zur breiteren Organisierung der Arbeiterklasse in der Türkei auch praktisch zu unterstützen.
Denn nur durch Widerstand werden wir siegen!
Direne direne kazanacagız!