Snowden: „Ich kann es den USA nicht erlauben, Privatsphäre und grundlegende Freiheiten zu zerstören“
Nachdem der Ex-Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA (National Security Agency) Edward Snowden Anfang Juni über das Ausmaß der staatlichen Überwachung auspackte, ging eine bisher nicht dagewesene Hetzjagd los. Er versteckte sich in Hongkong und Moskau und beantragte in 21 Ländern Asyl wegen politischer Verfolgung. Der Fall zeigt eindrucksvoll, wie groß die Angst der Herrschenden vor Bekanntwerden ihrer kriminellen Machenschaften ist.
von Christian Walter, zur Zeit Berlin
Schon vor Snowden wurden „Whistleblower“ mit aller Härte verfolgt. Der Gründer der Enthüllungsplattform „Wikileaks“ Julian Assange kann seit einem Jahr die ecuadorianische Botschaft in London nicht verlassen, ihm drohen Abschiebung und Verfolgung. Bradley Manning, bis 2010 als US-Soldat im Irak, sitzt seit drei Jahren – ohne Urteil – in Haft. Er hatte Videos und Dokumente an Wikileaks weitergegeben, die Folter und Angriffe auf Zivilisten und andere durch US-Militärs im Irak zeigen.
Staatliche und private Überwachung
Es ist kein Geheimnis, dass Staaten über Inlandsgeheimdienste verfügen, die keine andere Aufgabe haben, als die eigene Bevölkerung zu überwachen. Das Ausmaß der Überwachung ist aber doch erschreckend: PRISM und Tempora (die Überwachungsprojekte US-amerikanischer beziehungsweise britischer Geheimdienste, die Snowden aufgedeckt hatte) verschaffen den Ermittlern Zugriff auf die fast komplette digitale und telefonische Kommunikation – weltweit. Die Empörung von deutschen Politikern ist jedoch heuchlerisch, wissen diese doch seit langem Bescheid.
Was in der ganzen Debatte untergeht, aber genauso skandalös ist, ist die private Überwachung am Arbeitsplatz, in Bus und Bahn, durch Facebook und Google (die NSA & Co. jede Menge Arbeit abnehmen). Offenbar finden manche Bürgerrechtsgruppen Überwachung vor allem dann schlimm, wenn sie staatlich ist – dem widersprechen wir entschieden.
Stirbt Freiheit mit Sicherheit?
Auf eine Kleine Anfrage von LINKE-Bundestagsabgeordneten musste die Bundesregierung zugeben: Deutsche Geheimdienste überwachen ebenso intensiv wie US-amerikanische oder britische. Allein 2010 wurden 37 Millionen E-Mails gespeichert und stehen Bundesnachrichtendienst (BND), Militärischen Abschirmdienst (MAD), Verfassungsschutz und Zoll jederzeit zur Einsicht. Es wurde auch klar, dass angeblich sichere Verschlüsselungstechniken wie PGP („Pretty Good Privacy“) wenig helfen.
Trotz umfassender Live-Überwachung konnten Terroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) allerdings ungestört zehn Jahre lang mordend durch Deutschland ziehen. Bei Protesten gegen einen Neonazi-Aufmarsch in Dresden hingegen wurden kurzerhand eine Million Handydaten ausgespäht. Wenn Linke kriminalisiert und überwacht werden sollen, funktioniert der Überwachungsapparat plötzlich reibungslos. Mehr Sicherheit gibt es dafür aber nicht – zumindest nicht für Normalsterbliche. Wohl aber für große Kapitalisten, die durch Überwachung und Einschüchterung die Gründung von Betriebsräten und den Widerstand gegen die Ausbeutung „ihrer“ ArbeiterInnen verhindern. Oder für Rüstungskonzerne, die es gut finden, dass Proteste gegen Krieg und Militarisierung kriminalisiert werden.
Wir wollen eine freie und demokratische Gesellschaft – dafür brauchen wir weder ausbeuterische Großkonzerne noch Geheimdienste!
DIE LINKE verteidigt Snowden
Die Linkspartei verteidigt als einzige im Bundestag vertretene Partei konsequent Edward Snowden. In einer Pressemitteilung nennt die Partei ihn einen „modernen Helden und Bürgerrechtler“ und fordert, ihm Asyl zu gewähren. Das hatte die Bundesregierung ihm zuvor verweigert, im Gegensatz zu Nicaragua und Venezuela. Die Grünen forderten zwar ebenso Asyl für Snowden, allerdings kann man ihre Aufregung als Wahlkampfmanöver verstehen, haben sie doch mehr als einmal deutlich gemacht, dass sie die EU-weite Vorratsdatenspeicherung umsetzen werden. DIE LINKE ist mit ihrer Haltung nicht allein: In wenigen Tagen unterzeichneten 150.000 Menschen eine Petition zum Schutz von Snowden und für Asyl. DIE LINKE brachte die Debatte in den Bundestag, nutzte ihre Position, um neue Informationen herauszufinden und konnte weitere Hinweise liefern, dass auch Deutschland massiv überwacht. Gut wäre es, wenn die Partei sich jetzt verstärkt dafür engagieren würde, zu erklären, warum so massiv überwacht wird – und dass Repression nicht erst beim Polizeiknüppel auf dem Tahrir-Platz oder dem Wasserwerfer im Gezi-Park beginnt, sondern bereits viel früher.
- Asyl für Edward Snowden
- Rücknahme aller „Anti-Terror-Gesetze“. Nein zu Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung, Videoüberwachung, Lauschangriff und Abbau demokratischer Rechte
- Ersatzlose Auflösung aller Geheimdienste
- Kein Bundeswehreinsatz im Inneren