Solidarität ist nötig!
von Weizmann Hamilton (Mitglied des Koordinierungskomitees der Workers And Socialist Party, Generalsekretär des Democratic Socialist Movement)
Nachdem ANC-Generalsekretär Gwede Mantashe auf dem Wirtschaftgipfel in Sandton am 11. Juni 2013 behauptet hatte, Ausländer aus Schweden und Irland steckten hinter dem, was er „Anarchie in Marikana“ nennt, folgt nun der Versuch, Liv Shange – eine mit einem Südafrikaner verheiratete schwedische Staatsbürgerin, die führendes Mitglied des Democratic Socialist Movement [DSM; Schwesterorganisation der SAV in Südafrika. Anmerkung der Übersetzung] und Aktivistin der Workers and Socialist Party (WASP) ist – aus dem Land zu werfen.
Genossin Liv ist gegenwärtig in Schweden bei einem Familienbesuch, zusammen mit ihrer fünfjährigen Tochter Nomanyano, ihrem achtjährigen Sohn Nila und Naledi, der 14-jährigen Tochter ihres Mannes – alle sind südafrikanische StaatsbürgerInnen. Liv musste über die Zeitung „Sunday Independent“ und aus Radioberichten erfahren, dass sie von „Sicherheits- und Einwanderungsermittlungen“ durch das Department of Home Affairs [DHA; das südafrikanische Amt für Immigrations- und Passfragen] betroffen ist, weil sie unter dem Vorwurf des illegalen Aufenthalts im Land steht.
Die Verantwortung für jegliche Schwierigkeiten mit dem Aufenthaltsstatus der Genossin Liv liegen komplett beim DHA. Dabei geht es um Probleme, die Liv seit Jahren versucht zu lösen. Die Entwicklungen an diesem Wochenende legen nahe, dass der Grund für die Verhinderung einer Lösung für die Angelegenheit nicht in der legendären Inkompetenz des DHA liegt, sondern in in etwas viel unheilvollerem – nämlich dem Mißbrauch staatlicher Ressourcen für die Zwecke einer politischen Hexenjagd.
Bei ihrer Rückkehr von einer Übersee-Reise 2011 haben Beamte der Pass- und Einwanderungsbehörde ihr ein Touristenvisa in ihren Übergangspass gestempelt, den sie wegen des Diebstahls ihres Passes bei einem Straßenüberfall brauchte. Dies geschah, obwohl sie schon 2009 mit einem zweijährigen Visum für [mit einem südafrikanischen Staatsbürger] Verheiratete ausgestattet wurde.
Bei Erhalt ihres vollwertigen Passes beantragte sie die Übertragung ihres in ihrem gestohlenen Pass noch eingetragenen Ehepartner-Visums in ihren Ersatzpass.
Das DHA behauptete dann, keinen Beleg für die Existenz eines Ehepartner-Visums von ihr in ihrem Datensystem zu haben, sondern nur das mittlerweile abgelaufene Touristenvisum und nötigten sie dazu zuzugeben, sich illegal in Südafrika aufzuhalten. Dies erfolgte durch die Nötigung einer Zahlung von einer Art Kaution/Bußgeldzahlung [in Südafrika als „guilt fine“ bekannt], die ihrerseits Voraussetzung dafür war, eine Verlängerung ihres Ehepartner-Visums zu beantragen und eine Abschiebung zu verhindern.
Die vom DHA auf zunächst 1000 Rand festgesetzte „guilt fine“-Zahlung wurde vom Magistrat auf 100 Rand reduziert.
Obwohl Liv alle vom DHA auferlegten Anforderungen erfüllt hat, wurde ihr Verlängerungsantrag dann aber abgelehnt, weil es angeblich keine vorliegende Bewilligung gäbe und und die hinterlegte „guilt fine“ – Zahlungssumme zu niedrig gewesen sei.
Man riet ihr dann, gegen die Verweigerung Beschwerde einzulegen, was sie – belegt durch eine sie unterstützende Stellungnahme des DHA – auch tat. Dabei wurde die Fehlerhaftigkeit der Verweigerung einer Wiederausstellung eines Ehepartner-Visums festgestellt.
Dies wurde verknüpft mit der Registrierung eines neuen Verlängerungsantrags.
Dies, so wurde ihr versichert, ändere ihren Aufentsahaltsstatus von „abgelehnt“ zu „ausstehend“ und „noch nicht erledigt“. Dennoch vergingen beinahe zwei Jahre ohne Antwort auf ihren Antrag oder auf diverse Rückfragen Livs an das DHA.
Dass ANC-Generalsekretär Mantashe nun behauptet, unter anederem Liv sei verantwortlich für die „Anarchie in Marikana“ ist rücksichtslos und unverantwortlich. Die Behauptung sollte zurückgezogen werden. Es ist eine Schande, dass ein Führer des ANC, einer Bewegung deren Kampf gegen die Apartheid im Geist der internationalen Solidarität von „Ausländern“ weltweit, besonders von Schweden, unterstützt wurde, Xenophobie zum Mittel seiner politischen Attacken macht.
Es ist beleidigend nicht nur für die Genossin Liv, sondern auch für die MinenarbeiterInnen und ihren Kampf für höhere Löhne und angemessene Lebensbedingungen, gegen Kürzungen und Personalabbau sowie gegen den Verrat der offiziellen Gewerkschaft National Union of Mineworkers (NUM, Gewerkschaft der MinenarbeiterInnen)!
Mantashe glaubt anscheinend, dass die ArbeiterInnen ihre eigenen Lebensbedingungen nicht selber erfassen können und nicht eigenständig den Kampf gegen ihre Versklavung führen können. Sie müssen nach Mantashes Auffassung dazu erst von außen angestiftet werden. Das ist genau das was einst das Apartheid-Regime über die unterdrückten Schwarzen sagte und über solche AktivistInnen, wie Mantashe selbst mal einer war.
Die Manipulation der Einwanderungsgesetze, die Angriffe auf die Ausübung der verfassungsmäßigen Rechte auf Streik und Versammlungsfreiheit – welche das Recht auf Ablehnung einer mit den Bossen zusammenarbeitenden Gewerkschaft beinhaltet – sind weitere Bestätigungen für die wachsende Schwärmerei des ANC für die Methoden des Apartheid-Regimes, welche auf blutige Weise durch das Marikana-Massaker demonstriert wurde.
Genossin Liv ist nur das jüngste Beispiel einer langen Reihe von Sündenböcken, die die ANC-Regierung, die Südafrikanische Kommunistische Partei und einige COSATU-Führer verantwortlich gemacht haben für den heroischen Aufstand der MinenarbeiterInnen letztes Jahr [COSATU ist der größte südafrikanische Gewerkschaftsdachverband, der ANC hat viel Einfluss auf ihn]. Sie haben mit den Fingern auf Malema [einen bekannten ANC-Dissidenten] gezeigt, auf eine von ihnen so genannte „Selbstjustizmafia“ in der Pondoland-Provinz, auf Sangomas (Medizinmänner) und nun auf DSM, die WASP and die Genossin Liv.
Genossin Liv, zeitlebens Sozialistin, war in Schweden gewählte Stadträtin, bevor sie nach Südafrika emigrierte. Ihr wahres „Verbrechen“ ist die Unterstützung der MinenarbeiterInnen in ihrem Kampf für ordentliche Löhne und demokratische Gewerkschaften. Wenn Mantashe wirklich besorgt wäre über Ausländer die das Bergbauwesen destablisieren, müsste er nicht weiter schauen als bis zu den internationalen Inverstoren in der Platinindustrie, die auf die Bergbauunternehmen den enormen Druck ausüben, der mittels der Entlassung von zehntausenden von ArbeiterInnen tatsächlich Chaos, „Anarchie“ verursacht.
Mantashe sollte unsere Forderung nach Verstaatlichung des Bergbaus unter demokratischer Kontrolle und Leitung durch die Arbeiterklasse unterstützen.
Genossin Liv lebt seit Januar 2004 in Südafrika und ist seit Dezember 2004 mit dem Südafrikaner Xolani Shange verheiratet. Sie hat ihren Bachelor-Abschlusss in den Fächern Zulu-Sprache und Wirtschaftsgeschichte 2007 an der Universität von Kwa Zulu Natal mit summa cum laude gemacht. Sie ist führendes Mitglied des DSM. Ihr zu verbieten, in das Land zurück zu kehren, welches jetzt ihre neue Heimat ist und sie von ihren Kindern zu trennen, die alle StaatsbürgerInnen Südafrikas sind und die in die Schule zurück müssen, ist Menschenrechtsverletzung. Wir fordern, dass die Genossin Liv ein Ehepartner-Visum und die Erlaubnis zur Beantragung eines dauerhaften Aufenthaltsstatus‘ bekomt.
Bitte Protesterklärungen an folgende Adressen schicken:
- An das Amt für Einwanderungs- und Passfragen (Department of Home Affairs, DHA): mkuseli.apleni@dha.gov.za, info@dha.gov.za
- An den zuständigen Minister für Einwanderungs und Passfragen (Minister of Home Affairs, Grace Naledi Mandisa Pandor): carmen.h@dha.gov.za
- An die Regierungspartei African National Congress: sngubane@anc.org.za
- Sowie an die südafrikansiche Botschaft in Berlin: berlin.political@dirco.gov.za, berlin.info@dirco.gov.za
Kopien bitte an info@sav-online.de