Natürlich sind alle Menschen gleich, aber manche sind doch ein bisschen gleicher …
Gegen den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff läuft aktuell ein Verfahren wegen Bestechlichkeit, mit Uli Hoeneß wurde bei einer weiteren öffentlich bekannten Person Steuerbetrug bekannt und die CSU zeigt ein weiteres Mal eindrucksvoll, wie legale Vetternwirtschaft funktioniert mit der Beschäftigung von Familienangehörigen als MitarbeiterInnen von Landtagsabgeordneten.
von Fabian Thiel, Hamburg
Die Korruption von Politikern ist sprichwörtlich. Bis 1994 war Abgeordnetenbestechung in Deutschland kein Strafbestand, weil sonst die „Unabhängigkeit des Mandats“ gefährdet sei. Ausgerechnet die Kohl-Regierung führte erste gesetzliche Sanktionen für den Stimmenkauf von Abgeordneten ein, was sie nicht daran hinderte, im großen Stil illegale Parteispenden zu kassieren.
Seit etwa zehn Jahren liegt die Umsetzung der UN-Konvention gegen Korruption auf Eis, mit der einige der zahlreichen Schlupflöcher in der jetzigen gesetzlichen Regelung geschlossen werden würden. Die Herkunft von Parteispenden unter dem Wert von 10.000 Euro muss beispielsweise nicht veröffentlicht werden.
Spenden, die einer Partei erkennbar in Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen und politischen Vorteils gegeben werden, sind formal nicht zulässig. Wenn der Mövenpick-Hotelbesitzer August von Finck der FDP 1,1 Millionen Euro spendet und danach ihm durch die FDP 1,1 Milliarden Mehrwertsteuer erlassen werden, dann ist das aber scheinbar formal nicht als Gegenleistung erkennbar. Es ist nach den jetzigen gesetzlichen Regelungen vollkommen in Ordnung, wenn Lobbyisten Abgeordnete für Bildungs- und Kulturabende zum Essen einladen. Es ist vollkommen in Ordnung, wenn Politiker für eine Rede mal eben zehntausend Euro bekommen.
„Bestechung im Wirtschaftsleben alltäglich“
Auffälligerweise findet man in der Presse, lässt man die Artikel zu korrupten Beamten in anderen Ländern weg, zu Beamtenkorruption in Deutschland relativ wenig (was uns hier interessiert, sind natürlich die hohen Beamten, nicht die normalen KollegInnen). Der Mythos des unbestechlichen, über der Gesellschaft stehenden deutschen Staatsapparats wird gepflegt. Dabei kann viel Gewinn mit der Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Privatisierungen gemacht werden, was sogenannte „Zuwendungen im Geschäftsverkehr“ zu einer lukrativen Anlage macht. Wenn bei einem Bauprojekt wie der Elbphilharmonie in Hamburg der Baupreis für die Stadt von 77 Millionen Euro auf 789 Millionen Euro explodiert und der Bauträger die ganze Zeit der Gleiche bleibt, dann ist es zu simpel, einfach nur kolossale Inkompetenz zu vermuten.
In einer Umfrage der Unternehmensberatung Ernst & Young von 3.500 Top-Managern in Europa 2013 gaben 30 von 100 deutschen Managern an, dass ihrer Meinung nach Bestechung im Wirtschaftsleben alltäglich sei. Neun gaben an, dass es in ihrer Branche übliche Praxis ist, Aufträge durch Bestechung zu bekommen. 34 gaben an, dass sie ihre Bilanzen fälschen.
Der Kapitalismus funktioniert nach dem Prinzip der Profitmaximierung und des internationalen Konkurrenzkampfes um Absatzmärkte. Dafür ist jedes Mittel recht ob das Schmieren von Regierungen, das Ruinieren der Gesundheit bis zum Tod von ArbeiterInnen oder die zeitweilige Kartellbildung zu Preis- und Produktionsabsprachen zwischen den größten Herstellern.
Vertrauen ist (nicht so) gut, Kontrolle ist besser
SozialistInnen sind für schärfste Kontrollen der „Wirtschaft“ durch direkt gewählte (und abwählbare) VertreterInnen der Beschäftigten und der arbeitenden Bevölkerung. Sie sollten zum Beispiel Einblick in die Geschäftsbücher bekommen. Entlassungen und Einstellungen dürfen nicht an gewählten Beschäftigtenvertretern vorbei erfolgen. Das wären nicht nur Maßnahmen gegen Korruption, sondern wären auch erste Mittel, um sicherzustellen, dass der Arbeits- und Gesundheitsschutz eingehalten wird, dass ausreichend Personal eingestellt wird, Überstunden abgebaut werden und dass der Lohn zum Leben ausreicht. Unternehmer, die nachweislich Steuer- beziehungsweise Kapitalflucht begehen, gehören enteignet: Statt überbezahlter Manager und korrupter Bürokraten sollte für alle Personen in Leitungsfunktionen nicht mehr als ein durchschnittlicher Tariflohn sowie die jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit gelten.
Abgeordnete sollten keine zusätzlichen Leistungen und Privilegien annehmen dürfen. Sie sollten von einem durchschnittlichen Facharbeitergehalt leben müssen, damit sie nicht vollkommen abgehoben sind von der sozialen Situation der normalen Bevölkerung. Das hätte zugegebenermaßen wenig Wirkung bei einem Multimillionär wie Peer Steinbrück, aber stattdessen sollte man vielleicht auch gleich nur Leute wählen, die auch im Interesse von uns Lohnabhängigen handeln.
Kampf gegen Korruption vor hundert Jahren
Ziemlich genau vor hundert Jahren nutzte der SPD-Reichstagsabgeordnete Karl Liebknecht (für heutige LINKE-Abgeordnete in vorbildlicher Manier) Parlamentssitzungen, um einen Bestechungsskandal, in den Krupp-Manager, Heeresoffiziere und Regierungsbeamte verwickelt waren, zu enthüllen.
Die Bewegung gegen den Krieg erhielt damit Auftrieb. Liebknecht gelang es, dass es zum Prozess kam und leitende Angestellte von Krupp verurteilt wurden. Aufgrund der öffentlichen Stimmung sah sich der Reichstag sogar gezwungen, eine Kommission zur Untersuchung einer Verstaatlichung der Rüstungsindustrie einzusetzen. Liebknecht gehörte spätestens seit dem Krupp-Skandal zu den meistgehassten Gegnern der Kapitalisten. Ein Krupp-Direktor forderte ihn sogar zum Duell auf.
In seiner Reichstagsrede vom 21. April 1913 sagte Liebknecht, was auch heute passt: „Die Wege des Kapitals sind nicht im mindesten wunderbar. Mit der gleichen naturgesetzlichen Notwendigkeit, die das Wasser den Berg hinuntertreibt, strömt das Kapital an den Ort des höchsten Profits. Ihm moralische Skrupel welcher Art immer ansinnen, hieße, dem Wasser zumuten, bergan zu laufen oder dem Felde zuzufliegen. Aber die Wege des Kapitals sind dennoch wunderbar. Nicht in ihrer Gesetzmäßigkeit, sondern in ihrer unerschöpflichen Mannigfaltigkeit … Verborgene Maulwurfsgänge, geheime, geheimste Kanäle, ein weitverzweigtes unterirdisches Röhrennetz, leiten in politische Parteien, die zu einem guten Teil geradezu die Ausgehaltenen gewisser kapitalistischer Interessentengruppen sind, leiten in allerhand scheinbar unabhängige, oft sich höchst idealistisch gebärdenden Vereinsorganisationen, leiten vor allem auch in die Presse.“