Ist das Volksbegehren „Neue Energie für Berlin“ ein Schritt in die richtige Richtung?
Die Strompreise explodieren. Allein im Januar um 13 Prozent. Schuld daran sei die Umstellung auf erneuerbare Energien argumentieren die Bundesregierung und die vier großen Energiekonzerne in Deutschland (E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW). In Wirklichkeit nutzen die großen Energiekonzerne die EEG-Umlage (Förderung durch die Umlage der Einspeisevergütung im Rahmen des „Erneuerbare-Energien-Gesetzes“), um die Strompreise für Otto Normal zu steigern und ihre Profite zu erhöhen.
von Lucy Redler, Berlin
2012 fuhr E.ON einen Gewinn von 2,2 Milliarden Euro ein. Vattenfall Europe (eine Tochter des schwedischen Vattenfall-Konzerns) erzielte allein in Berlin einen Gewinn von 1,4 Milliarden Euro. Gleichzeitig verkündete Vattenfall jüngst den Abbau von 1.500 Stellen in Deutschland. Hierzulande produziert und verkauft Vattenfall vor allem Strom aus Braunkohle. Andere setzen auf Atomstrom. Wer darauf hofft, dass private Energieunternehmen oder staatliche Konzerne wie Vattenfall, die gewinnorientiert arbeiten, Strompreise senken, ökologischen Strom produzieren oder Arbeitsplätze schaffen, kann lange warten.
Die einzige Möglichkeit, energieeffizient, ökologisch und zu verträglichen Preisen Strom zu produzieren, besteht darin, die Energiekonzerne zu verstaatlichen und die Energieversorgung demokratisch zu planen. Das Beispiel Vattenfall oder die frühere Bewag machen deutlich, dass staatliche Betriebe als Versorgungsanstalt für Politiker missbraucht werden können. Deshalb ist es nötig, diese Betriebe der demokratischen Kontrolle und Leitung durch VertreterInnen der Belegschaft und ihrer Gewerkschaft, von VerbraucherInnen, Umweltverbänden und VertreterInnen der jeweiligen Gebietskörperschaft zu unterstellen.
Der Energiesektor ist ein Beispiel dafür, wie sehr eine demokratische Planung der Energieversorgung so zentral wie nötig, so dezentral wie möglich der Energieerzeugung und -versorgung im Kapitalismus überlegen wäre. Ein sofortiger Ausstieg aus der Atomenergie und eine Umstellung auf erneuerbare Energien wäre genauso möglich wie eine preiswerte Stromversorgung für alle. Eine Entmachtung der Energiekonzerne wird jedoch nur durch große gesellschaftliche Bewegungen möglich sein. Hier stehen DIE LINKE, die Gewerkschaften und große Umweltorganisationen in der Verantwortung.
Was will der „Berliner Energietisch“?
In Berlin hat sich die Initiative „Energietisch“ gegründet, die sich nach eigenen Angaben die Gestaltung der Energiewende in Berlin nach ökologischen, sozialen und demokratischen Kriterien zum Ziel setzt. Sie haben das Volksbegehren „Neue Energie für Berlin“ gestartet, das sich vom 11. Februar bis zum 10. Juni in der zweiten Stufe befindet. Wenn die nötigen rund 170.000 gültigen Unterschriften zusammen kommen, kann es parallel zur Bundestagswahl zum Volksentscheid kommen. Der „Energietisch“ ist ein Bündnis, das von verschiedenen Organisationen, Initiativen und Einzelpersonen unterstützt wird. Darunter befinden sich Umweltverbände, Mieterorganisationen, die GEW, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Parteien wie DIE LINKE, Piraten und Grüne und verschiedene linke Gruppen.
Es verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele: Erstens die Errichtung eines öffentlichen Stadtwerks als Anstalt öffentlichen Rechts zum Vertrieb von Strom aus 100 Prozent erneuerbarer Energie. Der neue Betrieb soll Energiesparmaßnahmen fördern, Energiearmut durch die Einrichtung von Sozialtarifen entgegenwirken und für mehr demokratische Mitbestimmung im Verwaltungsrat sorgen. Beschäftigte von Vattenfall sollen übernommen und zu gleichen Arbeitsbedingungen angestellt werden. Die Hoffnung des „Energietischs“ ist, dass sich ein örtliches Stadtwerk in Konkurrenz zum Monopolisten Vattenfall (und den 250 anderen Konkurrenten) behaupten kann. Verwiesen wird auf das Beispiel von Hamburg Energie, die in kurzer Zeit über 80.000 KundInnen für sich gewinnen konnten.
Zweitens möchten die TrägerInnen des Volksbegehrens eine öffentliche Netzgesellschaft für die Stromverteilung als Anstalt öffentlichen Rechts bilden mit dem Ziel, bei der Ausschreibung der Konzessionen des Netzes zum 1. Januar 2015 den Zuschlag zu erhalten. Auch das Berliner Stromnetz ist derzeit in den Händen von Vattenfall. Der Kaufpreis des Netzes wird vom Energietisch mit bis zu 400 Millionen Euro beziffert.
Volksbegehren unterstützen und darüber hinaus aktiv werden
Das Volksbegehren „Neue Energie für Berlin“ fordert nicht die Verstaatlichung der vier Energie-Riesen, sondern setzt darauf, durch ein kommunales Stadtwerk den Einfluss von Vattenfall zu begrenzen. Ob das gelingt und ein kommunales Stadtwerk ausreichend KundInnen haben wird, ob es am Markt überleben wird, ob es gelingt, darüber die Strompreise zu senken, ist ungewiss.
Wenn es die gesteckten Ziele erreichen sollte, wird es den politischen Druck in Richtung Rekommunalisierung und ökologische Energieerzeugung erhöhen und anderen Kommunen als Beispiel dienen. An der Tatsache, dass sich die Großen Vier den Strommarkt in Deutschland aufteilen, die Preise diktieren und auf Atomstrom und fossile Energie setzen, würde sich jedoch wenig ändern. Trotzdem kann es eine positive Wirkung ausüben und eine Debatte eröffnen.
Ebenfalls offen ist, ob eine kommunale Netzgesellschaft bei einer Ausschreibung 2015 den Zuschlag erhalten würde. Zu hinterfragen ist, einem Konzern wie Vattenfall noch Hunderte von Millionen Euro für das Netz in den Rachen zu werfen. Trotzdem wäre eine Kommunalisierung des Netzes selbst zum Preis eines Rückkaufs ein Fortschritt zum Status Quo.
Aus diesen Gründen ist es richtig, das Volksbegehren zu unterstützen. Es ist aber wichtig, den UnterzeichnerInnen zu vermitteln, dass es keine Garantie auf Erfolg gibt und ein Kreuz beim Volksbegehren nicht ausreichend ist, um die Energieversorgung in die öffentliche Hand zu bringen, die Strompreise zu senken und ökologisch Strom zu erzeugen. Wenn man darauf verzichtet, können AktivistInnen, die mit dem Volksbegehren große Hoffnungen verknüpfen, bei einem Nicht-Erreichen der Ziele enttäuscht werden.
Das Volksbegehren eröffnet eine politische Debatte um die Zukunft der Energieversorgung und ermöglicht, mit vielen Menschen in die Diskussion über Forderungen wie die Verstaatlichung aller Energiekonzerne und den Ausstieg auf der Atomenergie zu treten. Das sollten alle, die daran ein Interesse haben, tun. Auch eine Diskussion mit den Beschäftigten bei Vattenfall sollte gesucht werden.
Mit den Worten Georg Büchners: „Friede den Hütten Krieg den Palästen!“
Lucy Redler ist SAV-Bundessprecherin
Mehr Infos und Unterschriftenlisten gibt es auf: www.berliner-energietisch.net