Kein Tarifvertrag zweiter Klasse!
Wir veröffentlichen hier zwei Artikel der Februar Ausgabe der Solidarität – sozialistische Zeitung zur Ländertarifrunde und zu den Forderungen der LehrerInnen.
Auskömmliche Bezahlung bei sicherem Job? Der Öffentliche Dienst ist nicht mehr das, was er mal war! Über 70 Prozent aller Neuanstellungen an Universitäten sind befristet. Viele Löhne liegen bei öffentlichen Arbeitgebern unter dem „Marktwert“. Das gilt insbesondere für die Landesbeschäftigten. Für sie steht bei der kommenden Tarifrunde einiges auf dem Spiel.
von Lasse Schmied, Kassel
Die Gehaltslücken zwischen den Beschäftigten im Öffentlichen Dienst sind zuletzt gewachsen. KrankenpflegerInnen in einem städtischen Krankenhaus verdienen 61 Euro mehr als die Landesbeschäftigten eines Uniklinikums. Sollte sich im Tarifwerk nichts ändern, wären es ab August sogar 101 Euro. Mit der Parole „Anschluss halten: Mehr Geld muss her!“ stimmt ver.di die Landesbeschäftigten deshalb auf die kommende Tarifauseinandersetzung ein. Um eine weitere Zerklüftung der Tariflandschaft zu verhindern, muss die Lohnforderung 6,5 Prozent mit sozialer Komponente voll durchgesetzt werden.
Neben einer satten Lohnerhöhung steht die tarifliche Eingruppierung der Lehrkräfte (siehe Artikel unten) ebenso aus wie die Einbeziehung der technischen Theaterbeschäftigten in den Geltungsbereich des Tarifvertrags. Gleichzeitig sollen befristete Beschäftigungsverhältnisse eingedämmt und der Urlaubsumfang verteidigt werden. Angesichts dessen meint ver.di-Chef Frank Bsirske: „Wenn es sich als schwierig herausstellen sollte, wird es zu Reaktionen in den Betrieben kommen. Dass die Beschäftigten bereit sind, ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, haben sie vor zwei Jahren in zwei Streikwellen gezeigt“ („Die Welt“ vom 24. Dezember 2012).
Es ist gut, dass Bsirske an die Mobilisierungsfähigkeit der KollegInnen erinnert. Es ist schlecht, dass der Streik in der ver.di-Strategie nur das letzte Mittel ist. Denn schon jetzt ist gewiss, dass die Auseinandersetzung „schwierig“ wird. „Ich will die Schuldentilgung erhöhen, nicht die Personalausgaben“, lautet die Marschroute des Verhandlungsführers der Länder Jens Bullerjahn (SPD). Mit anderen Worten: Die Krise der öffentlichen Haushalte soll trotz Steuergewinnen der Länder auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden.
Der beginnende Bundestagswahlkampf, in dem die SPD wie auch die anderen etablierten Parteien um jede Stimme bangen, bietet indes eine gute Gelegenheit, Scharfmacher wie Bullerjahn in die Schranken zu weisen. Die KollegInnen müssen von Anfang an aktiv in die Tarifauseinandersetzung einbezogen werden. Mit den Angestellten in der Binnenschifffahrt, in den Autobahn- und Straßenmeistereien und der Flughafen-Feuerwehr haben die Landesbeschäftigten Berufsgruppen in ihren Reihen, die im Streikfall den Arbeitgebern einen empfindlichen Schaden zufügen könnten. Urabstimmungen und Streikversammlungen müssen ebenso vorbereitet werden wie eine Diskussion über einen Flächenstreik der Landesbeschäftigten.
Ein erfolgreicher Streik in diesem Jahr böte eine gute Grundlage für eine gemeinsame Auseinandersetzung von Bund, Land und Kommunen im Jahr 2014. Dann könnte der Zerklüftung im Öffentlichen Dienst endlich ein Ende gemacht werden. Voraussetzung wäre allerdings eine Laufzeit des TV-L von zwölf Monaten.
Lohndumping
In den Jahren 2000 bis 2012 stagnierten die Realeinkommen der Beschäftigten. Gleichzeitig sind die Reichen immer reicher geworden. Die Folge: Der Anteil der Einkommen durch Lohnarbeit am jährlichen Volkseinkommen sank zwischen 2000 und 2011 von 72 auf 67 Prozent.
Besonders verheerend sieht es für KollegInnen ohne Tarifvertrag aus. Und ihre Zahl wächst. Waren es vor 20 Jahren noch 70 Prozent aller Beschäftigten, die unter dem Schutz eines Tarifvertrags arbeiteten, reduzierte sich dieser Anteil bis zum Jahr 2010 auf 52 Prozent.
Gleiches Geld für gleiche Arbeit!
In der Länder-Tarifrunde muss mit den Ungleichheiten beim Gehalt von LehrerInnen aufgeräumt werden.
Bundesweit werden 200.000 angestellte Lehrkräfte gegenüber ihren verbeamteten KollegInnen massiv benachteiligt. Doch es regt sich Widerstand: Im Vorfeld der bundesweiten Tarifrunde traten in Berlin an die 1.000 Angestellte an 120 Schulen in einen Warnstreik.
In Sachsen folgten bereits im November 20.000 Angestellte dem Streikaufruf der GEW.
von Christoph Wälz, Berlin
Bereits vor der Einführung des Tarifvertrags der Länder (TV-L) wurden LehrerInnen ungleich bezahlt. Sachsen lag schon lange deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt, da hier grundsätzlich Lehrkräfte nie verbeamtet wurden. Und angestellte Lehrkräfte sind die einzige Berufsgruppe im Öffentlichen Dienst, für die seit Jahrzehnten keine tariflichen Regelungen zu Entgelt und Arbeitszeit bestehen. Die Arbeitgeber zahlen in jedem Bundesland frei nach Schnauze.
Mit der Einführung des TV-L im Jahre 2006 hat sich die Situation noch mal deutlich verschlechtert. GrundschullehrerInnen verdienen nach der Gehaltstabelle des TV-L beim Berufseinstieg 624 Euro brutto weniger als wenn sie entsprechend des alten Tarifvertrags BAT bezahlt werden würden. In Nordrhein-Westfalen wurde der TV-L genutzt, um das Gehalt neueingestellter Angestellter gegenüber den BeamtInnen massiv abzusenken. Seit Inkrafttreten des TV-L wurde Angestellten damit eine Summe von über 40.000 Euro netto (!) vorenthalten (so die Berechnungen der Kölner LehrerInnen-Initiative „INI“).
Benachteiligung der Angestellten
In Berlin gibt es eine Gehaltslücke zwischen Angestellten und BeamtInnen von mindestens zehn Prozent, im Extremfall sogar bis zu 20 Prozent. Die Wut über diese Ungerechtigkeit führte im Laufe des letzten Jahres zu einer großen Kampfbereitschaft unter Angestellten. Im Dezember traten sieben besonders gut organisierte Schulen in einen Warnstreik und erreichten eine Streikbeteiligung von über 90 Prozent.
Seit Januar ist Berlin wieder Mitglied im Arbeitgeberverband TdL. Die Forderungen des nächsten Warnstreiks am 16./17. Januar richteten sich somit sowohl an den Berliner Senat (bessere Arbeitsbedingungen und eine Zulage für Angestellte, um die Gehaltslücke auszugleichen) als auch an die TdL (tarifliche Eingruppierung).
Berlin-Zulage
Wenn Berliner LehrerInnen am 18. Februar, in der bundesweiten Tarifrunde, zu einem ganztägigen Streik auf die Straße gehen, dann werden auch hier die Forderungen miteinander verbunden. So gelingt es der GEW Berlin gerade, die entstandene Dynamik in der Mobilisierung weiter zu nutzen. Wir streiken nicht nur für 6,5 Prozent und die Eingruppierung, sondern auch für die Zulage in Berlin: Bis zu 230.000 Euro netto weniger in einem Berufsleben (Berechnung der Tarifkommission der angestellten Lehrkräfte in der GEW Berlin) gehen nicht an!
Spirale nach unten durchbrechen!
Die Reallöhne sind in den letzten Jahren in vielen Berufsgruppen gefallen. Wie eine Spirale dreht die eine Berufsgruppe die andere mit runter. Sinkende Einkommen von Angestellten setzen auf der einen Seite die Beamtenbesoldung unter Druck (eine Angleichung nach unten wird in Arbeitgeberkreisen schon diskutiert), auf der anderen Seite wird der Niedriglohnsektor weiter ausgebaut. Auch im Bildungswesen nimmt befristete Beschäftigung zu Niedriglöhnen zu.
Diese Entwicklung muss umgedreht werden. Mit einer schwungvollen Beteiligung angestellter Lehrkräfte an der Tarifrunde sollten wir für die volle Durchsetzung der Forderungen gegenüber der TdL und unserem jeweiligen Bundesland eintreten.