Eine neue Bewegung für die Einheit der Linken und für einen Bruch mit dem Kapitalismus
Dieser Artikel ist Teil einer dreiteiligen Artikelserie zu Syriza und der Initiative der Eintausend.
Am Montag, dem 5. November 2012, gründeten Mitglieder verschiedener linker Organisationen und unabhängige AktivistInnen in Griechenland die „Initiative 1000“, deren Bezeichnung auf die Anzahl der ca. eintausend ErstunterzeichnerInnen einer ersten gemeinsamen Erklärung zurückgeht.
von Andros Payiatsos
Zu diesem ehrgeizigen Schritt ist es gekommen, weil zur Zeit unvergleichliche Attacken auf die Lebensbedingungen und die Rechte von Millionen von GriechInnen ausgeübt werden, die von der Politik der herrschenden Elite des Landes sowie der Troika (EU, EZB und IWF) in eine schier aussichtslose Lage getrieben werden. Angesichts einer Gesellschaft, die sich in ständiger Bewegung befindet und abrupte Wendungen vollzieht, sieht sich die Linke konfrontiert mit enormen Aufgaben und Herausforderungen.
ArbeiterInnen und junge Leute tauschen sich öffentlich darüber aus, inwieweit die Linke angemessene Antworten auf die Krise geben kann. Die „Initiative der Eintausend“ wird sich in diese Debatte einbringen – nicht, als „irgendeine Partei“, die im Wettbewerb mit dem Rest der Linken (SYRIZA, KKE, ANTARSYA etc.) neue Mitglieder rekrutieren will und somit für eine weitere Fragmentierung der Linken sorgt. Die „Initiative“ fordert auf Grundlage eines Programms, das einen Ausweg aus der katastrophalen Krise weist und sich der Verteidigung der Interessen der Arbeiterklasse und Unterdrückten verschreibt, zur Kooperation auf.
Die wichtigsten Prinzipien der Initiative
Der Aufruf der Initiative erwähnt folgende grundlegenden Punkte:
Alle UnterzeichnerInnen sind der Ansicht:
- dass die einzige Lösung für die soziale und ökonomische Katastrophe in unserem Land in einem Bruch mit dem kapitalistischen Systems liegt
- eine solche Lösung kann nur durch eine breite Einheitsfront der Linken und durch einen Bruch mit dem derzeitigen kapitalistischen Regime erreicht werden
- Die Krise ist international und gesamteuropäisch. Wir kämpfen für eine revolutionäre Veränderung in Griechenland als Katalysator ähnlicher internationaler Entwicklungen. Gleichzeitig streben wir die größtmögliche Koordination und den gemeinsamen Kampf mit den Bewegungen an, die sich international entwickeln.
- Wir unterstützen die größtmögliche Zusammenarbeit und Einheit in der Aktion der gesamten griechischen Linken, auf der Grundlage eines solchen politischen Programms, jedoch auch im gemeinsamen alltäglichen Kampf und bei Solidaritätsaktionen für das Überleben der von der Krise betroffenen.
- Wir unterstützen die Perspektive einer Regierung der Linken (die unter den heutigen Bedingungen im Wesentlichen von SYRIZA getragen würde), wobei wir wissen, dass eine solche Entwicklung nicht das Ende des Weges ist, sondern der Beginn von intensiveren Kämpfen.
- Die Linke muss die breiteste Zusammenarbeit ihrer Kräfte anstreben im Kampf gegen das Memorandum (die Kürzungsprogramme), die Troika und die griechische herrschende Klasse, wobei am Anfang die Forderung stehen muss: „Keine Opfer für den Euro“.
- Als Initiative wenden wir uns an die Gesamtheit der Kräfte und der Kämpfer, die eine ähnliche Auffassung vertreten, unabhängig von ihrer Partei- oder Gruppenzugehörigkeit, die oben entwickelten Positionen, Absichten und Ziele zu unterstützen und dafür zu werben.
Einheitsorientierung
Eine zentrale Aufgabe der „Initiative der Eintausend“ ist, dass sie die Einheit zum Ziel hat. Die spaltende „Chinesische Mauer“, die zwischen den verschiedenen politischen Parteien zu stehen scheint und historisch – vor allem in Griechenland – zu einer beinahe unüberwindbaren Hürde für die verschiedenen Kräfte der Linken geworden ist, um überhaupt miteinander zu kommunizieren, soll überwunden werden.
Diese „Initiative“ wurde gegründet von:
- „Aristeri Paremvasi“, ARAN (eine Strömung innerhalb von ARAN – „Linke Erneuerung“ und ANTARSYA)
- „Kommunistiki Ananeosi“ („Kommunistische Neugründung“; eine der Mitgliedsorganisationen von ANTARSYA)
- „Paremvasi“ (eine neue linke Organisation, die von GenossInnen gegründet wurde, die Anfang 2012 aus der KOE, einer maoistischen Organisation, die innerhalb von SYRIZA arbeitet, ausgeschlossen wurden und die sich an der MAA, der vom ehemaligen SYRIZA-Vorsitzenden, Alekos Alavanos, gegründeten Formation, beteiligen)
- und „Xekinima“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Griechenland)
Rasch nach der Veröffentlichung dieser ersten Erklärung drückten eine große Zahl an „Unabhängigen“ (GenossInnen, die keiner Partei angehören) wie Kostas Lapavitsas ihre Unterstützung für die „Initiative“ aus und unterschrieben die Erklärung.
Eine Vereinbarung zwischen so vielen Genossinnen und Genossen verschiedener politischer Richtungen auf Grundlage eines – sowohl politisch als auch taktisch – derart fortschrittlichen gemeinsamen Rahmens ist etwas, das wir so noch nicht erlebt haben!
Sicherlich wird das auch zu einigen Schwierigkeiten führen und auch den ein oder anderen Zweifel hinsichtlich der Aussichten, dieser „Initiative“ hervorrufen. Der alles beherrschende Aspekt ist für alle, die an der „Initiative 1000“ beteiligt sind, aber das gemeinsame Verständnis der historischen Aufgaben, die sich der Linken in Griechenland stellen.
Das Programm
Einige der grundlegenden Punkte des politischen Programms, für das die Initiative kämpft, sind folgende. (Wir zitieren aus dem Gründungstext der Initiative.):
- Nichtanerkennung der Schulden und direkte Einstellung ihrer Bezahlung
- Abschaffung aller Memoranden (Kürzungsprogramme) und ihrer Umsetzungsgesetze
- Annullierung aller neokolonialen Kreditverträge bzw. -vereinbarungen
- Verstaatlichung des Bankensystems
- Drastischer Schuldenschnitt für alle Haushalte der Arbeiterklasse, das Kleingewerbe, kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe und all jene, die von der Krise in Mitleidenschaft gezogen wurden
- Schwere Besteuerung des Kapitals. Aufhebung des Bankgeheimnisses von Großanlegern. Drastische Reduzierung der Rüstungsausgaben.
- Verstaatlichung aller strategisch bedeutsamer Wirtschaftsbereiche und Konzerne
- Wirkliche Demokratie – durch die Institutionalisierung der gesellschaftlichen und Arbeiterkontrolle und –verwaltung in der gesamten Wirtschaft
- Aufstellung eines fortschrittlichen Planes für den produktiven Neuaufbau der Wirtschaft im Interesse der arbeitenden Massen und der gesamten Bevölkerung.
Nur mit einem derartigen Programm kann die griechische Gesellschaft dem ökonomischen und sozialen Desaster entkommen, in das uns die griechische herrschende Klasse, die EU und der IWF führen. Nur so können Arbeitslöhne, Renten und soziale Errungenschaften wie beispielsweise die kostenlose Gesundheitsversorgung oder das freie Bildungssystem, aber auch die Arbeitnehmerrechte sowie die demokratischen Grundrechte gerettet werden.
Die Initiative und die übrige Linke
Indem sie einen fortschrittlichen politischen Rahmen wie den obigen aufstellt, unterscheidet sich die Initiative von der Politik der Führungsgruppe von SYRIZA. Und indem sie das Thema der Zusammenarbeit der Linken stellt, unterscheidet sie sich vom Isolationismus und dem Sektierertum von ANTARSYA und KKE.
Die „Initiative der Eintausend“ hat ihr Programm nicht aufgestellt, um damit in Wettbewerb mit den bestehenden Kräften auf der Linken zu treten oder ihnen Mitglieder abspenstig zu machen. Es geht vielmehr um den Versuch, Einfluss auf die intensiven politischen Debatten zu nehmen, die unter den Mitgliedern der linken Strukturen und in der gesamten Linken bereits stattfinden.
Damit sollen bestehende Strukturen und Einzelpersonen, die in den bestehenden Parteien ähnliche Ideen wie die Initiative vertreten unterstützt und zusammen gebracht werden
Die „Initiative der Eintausend“ hat bereits viele UnterstützerInnen gewinnen können, aber auch schon eine Reihe von Anfeindungen erfahren. Die Ideen der „Initiative“ sind bereits von Mitgliedern von SYRIZA, ANTARSYA (dort wurde schon mit Ausschlüssen gedroht, um die Leute davon abzuhalten, die Erklärung der „Initiative“ zu unterzeichnen) und anderen angegriffen worden.
Wir appellieren an all die GenossInnen, die sich sehr beeilt haben, die „Initiative“ anzugreifen, Offenheit zu bewahren und sowohl das freie Wort als auch den freien Austausch von Ideen unter den jeweiligen Parteimitgliedern zuzulassen, damit sich jede und jeder zu den angesprochenen Aspekten ein eigenes Bild machen kann. Habt Vertrauen in die Fähigkeiten der „einfachen“ Mitglieder und Kader von Organisationen und Parteien der Linken. Sie werden sicher in der Lage sein, sich selbst ein Urteil zu bilden. Darüber hinaus solltet ihr auch auf die Fähigkeit der „einfachen“ ArbeiterInnen vertrauen zu entscheiden, was richtig und was falsch ist. Schließlich sind es die „einfachen Leute“ für die die Linke ja eigentlich kämpfen will. Die Linke muss zuversichtlich sein, was den Klassen-Instinkt der Unterdrückten und ihre Freiheit angeht selbst zu wählen, was sie für den richtigen Weg halten. Das sollte ein wesentlicher Wert sein für die Linke an sich. Ohne dies hätte die Linke den Kampf schon verloren, bevor er überhaupt begonnen hat. Von dieser Warte aus betrachtet müsste die „Initiative der Eintausend“ eigentlich von allen linken Kräften wärmstens begrüßt werden.
Koordiniertes Vorgehen nötig
Die „Initiative der Eintausend“ hat nicht vor, sich allein auf die Ebene der Ideen und Debatten zu beschränken. Diskussionen in Blogs, Internetforen und anderen sozialen Netzwerken sind notwendig und wichtig. Sie haben aber auch Nachteile: So werden sich sicher nicht besonders große Teile der Unterdrückten selbst an ihnen beteiligen und beschränken wird sich das Ganze meist auf die bestehende Linke ( und hier zumeist auf ihre Kader und führende Mitglieder), die in der Lage sind und die die Zeit dazu haben, sich diesbezüglich einzubringen.
Die „Initiative der Eintausend“ hingegen braucht das Leben der real existierenden Bewegungen. Deshalb ist es wichtig, sich das Ziel zu setzen, vor Ort Komitees von Gruppen, Freundeskreisen oder UnterstützerInnen der „Initiative“ aufzubauen. Geschehen muss dies auf lokaler Ebene, in den Betrieben oder innerhalb der linken Partei, bei der sie jeweils Mitglied sind.
„Xekinima“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Griechenland) beteiligt sich aktiv an dieser Initiative. Wir tun dies gerade deshalb, weil wir davon ausgehen, dass nur der linke Politikansatz einen Weg aus der Krise weisen und die Macht des Kapitals auf nationaler wie internationaler Ebene herausfordern kann. Das muss auf der Basis des sozialistischen Wiederaufbaus der Wirtschaft und auf Grundlage einer sozialistischen Gesellschaft geschehen.
Bei der derzeitigen Wirtschaftskrise handelt es sich um eine internationale Krise, die 2007 in den USA ihren Anfang nahm und in absehbarer Zeit nicht zu Ende gehen wird. Der implodierende Kapitalismus führt nun ganze Gesellschaften in die Barbarei. Das gilt auch für solche Gesellschaften, die von sich selbst dachten, nicht (mehr) zu den „Entwicklungsländern“ zu gehören. Nur die Perspektive des Sozialismus kann für die Krise der griechischen Gesellschaft, Südeuropas, Europas und der gesamten Welt eine praktische und realistische Lösung bieten.
Alle Teile der Linken, die mit dieser Sichtweise übereinstimmen, müssen zusammenkommen, miteinander kommunizieren und ihre Aktionen miteinander koordinieren – jenseits etwaiger, die jeweilige Organisation oder Partei betreffender Trennlinien. Dies ist der einzige Weg, auf dem die Arbeiterbewegung und die Unterdrückten in eine optimistische Zukunft geführt werden können. Wir sind zuversichtlich, die vor uns liegenden Kämpfe gewinnen zu können.
Andros Payiatsos ist Generalsekretär der marxistischen Organisation Xekinima und Mitbegründer der „Initiative der Eintausend“. Er lebt in Athen. Der Text wurde übersetzt von Hubert Schönthaler und Max Höhn aus Köln.