Erklärung der „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in England und Wales)
Dieser Artikel erschien zunächst in englischer Sprache am 3. Januar 2013 auf der Webseite www.socialistparty.org.uk
Len McCluskey, der amtierende Generalsekretär von „Unite – the Union“, hat entschieden, die Wahl des nächsten Generalsekretärs vorzuverlegen. Die mit mehr als 1,5 Millionen Mitgliedern größte Einzelgewerkschaft Großbritanniens und Irlands bekommt damit drei Jahre früher als ursprünglich vorgesehen eine neue Spitze. Aufgrund seines Alters wäre McCluskey realistischer Weise ansonsten ein Generalsekretär mit nur einer Amtszeit geblieben.
Diese Entscheidung ist mit breiter Zustimmung und nach langer Debatte mit und innerhalb der Linken zustande gekommen. Auch wir, die „Socialist Party“ (SP) waren daran beteiligt. Peter Taaffe (Generalsekretär der SP) und Rob Williams (gewerkschaftspolitischer Sprecher der SP) hatten ein zweistündiges Treffen mit Len McCluskey, in dem dieser darum bat, dass unsere Partei die Schritte, die er derzeit vorbereite, billigen würde.
Die „Socialist Party“ hat ihm kritische Unterstützung zugesagt, obwohl es in einigen Punkten (z.B. hinsichtlich der fortgesetzten Unterstützung von „Unite“ für die sozialdemokratische „Labour Party“) politische Meinungsverschiedenheiten gibt. Das heißt also nicht, dass wir automatisch alle Entscheidungen und Vorgehensweisen von Len McCluskey und der Führung von „Unite“ unterstützen werden.
Wir treten dafür ein, dass „Unite“ alle Verbindungen zu „New Labour“ (Bezeichnung für die brit. Sozialdemokratie; Anm. d. Übers.) abbricht. Schließlich hat diese Partei schon eindeutig darauf hingewiesen, dass sie – wenn sie bei den nächsten Parlamentswahlen gewinnen sollte, mit den Kürzungen fortfahren wird, die die derzeitige konservative Regierung durchführt.
Einige haben einzuwenden versucht, dass die vorgezogenen Wahlen undemokratisch seien und einen negativen Beigeschmack haben. In dieser Richtung sprachen sich beispielsweise Jerry Hicks (vom Wahlbündnis „RESPECT“; Anm. d. Übers.), der seine Kandidatur bereits erklärt hat, aber auch die „Socialist Workers Party“ (britisches Pendant zu „marx21“; Erg. d. Übers.) aus. Das Ganze erinnere demnach an die unlauteren Praktiken der rechtslastigen Generalsekretäre von „Amicus“, einer der beiden Gewerkschaften, aus denen „Unite“ 2007 hervorgegangen war.
Aber auch andere AktivistInnen, vor allem die ehemaligen Mitglieder von „Amicus“, werden ganz ähnliche Bedenken haben. Wir müssen daher offen erklären, dass es nicht allein darum geht, was getan wird sondern auch darum, wer dies tut und aus welchem Grund.
Ganz im Gegensatz zu den Fällen, als rechtslastige GewerkschaftsführerInnen sich in der Vergangenheit (und hoffentlich nicht wieder in Zukunft) dieses Mittels bedienten, geht es bei dieser Wahl nicht darum, „Unite“ nach rechts zu drängen sondern darum, die Gewerkschaft auf der Linken fest zu positionieren. Wir gehen davon aus, dass Len McCluskey in der Lage ist, die Position der Mitgliedschaft innerhalb der Gewerkschaft zu stärken.
Letztendlich geht es um die Kern-Frage: Welche Interessen haben die Mitglieder von „Unite“, welche Interessen hat die Linke und welche Interessen hat ganz allgemein die Arbeiterklasse?
Die Bilanz von Len McCluskey als Generalsekretär seit 2010
Die Wahl von Len McCluskey zum ersten Generalsekretär der 2010 fusionierten Gewerkschaften („Amicus“ und „Transport and General Workers‘ Union“; Erg. d. Übers.) war ein Erfolg für die Linke und die Gewerkschaftsbewegung allgemein. Die „Socialist Party“ hat seine Kandidatur gegen die von Jerry Hicks unterstützt, weil wir glaubten, dass Len am ehesten in der Lage sein würde, den rechten Flügel zurückzudrängen. Die Wahl von Les Bayliss, dem Kandidaten der „Simpsonites“ (nach Derek Simpson, dem vormaligen Generalsekretär von „Amicus“), wäre ein enormer Rückschlag für die Linke gewesen. Das hätte bedeutet, dass „Unite“ sich neben den anderen großen Gewerkschaften „Unison“ oder GMB und der bürokratischen Führung des Gewerkschaftsbundes TUC gegen die kleineren linken Gewerkschaften eingereiht hätte.
Stattdessen hat sich „Unite“ beim Gewerkschaftstag des TUC 2012 nun für den Antrag mit der Bezeichnung „Resolution 5“ ausgesprochen, mit dem die Idee unterstützt wird, sich in Richtung eines Generalstreiks gegen die Austerität zu bewegen. Und beim Treffen des Geschäftsführenden Generalrats des TUC im Anschluss des Kongresses hat sich Len McCluskey zusammen mit dem Generalsekretär der Transportarbeitergewerkschaft RMT, Bob Crow, und anderen gegen Versuche der TUC-Führung ausgesprochen, im Prinzip jede weitere Diskussion über einen Generalstreik zu beenden.
Jerry Hicks hatte 2010 mit beschwörenden Worten davor gewarnt, dass – sollte er nicht gewählt werden, das eine Katastrophe für die Gewerkschaft wäre, von der man sich nie wieder erholen würde.
Tatsache ist hingegen, dass unter der Führung von McCluskey gerade damit begonnen worden ist, auf das enorme Potential, das „Unite“ hat, zurückzugreifen. Dass das noch längst nicht perfekt ist, ist auch klar.
In nur zwei Jahren in einer Gewerkschaft mit bis zu 1,5 Millionen Mitgliedern aus 23 verschiedenen Branchen und mit einer Geschichte, zu der auch die ehemalige Gewerkschaft „Amicus“ gehört, die wiederum aus einer Reihe von rechtslastigen Einzelgewerkschaften bestand, wäre dies auch mit der besten Betriebsräte- und Vertrauensleute-Arbeit eine extrem schwierige Aufgabe gewesen.
Bei der „Unite“ haben wir es in gewisser Weise mit einer kleineren Ausgabe des TUC zu tun. So ist diese Einzelgewerkschaft vier- bis fünfmal größer als die Gewerkschaft der Staatsbediensteten, die PCS. Wenn man dies in Betracht zieht, dann wirken die Worte von Hicks als fehle ihm Differenzierungsvermögen und die angemessene Perspektive.
Trotz der Schwäche von „Unite“ hat es ganz klare Fortschritte gegeben. „Unite“-Mitglieder haben unzählige Male gestreikt und es ist zu einigen beachtlichen Erfolgen gekommen (auch, wenn diese manchmal nur kurzfristigen Charakter hatten und/oder es sich lediglich um Teil-Erfolge gehandelt hat).
Die ElektrikerInnen (engl.: „the Sparks“), die Beschäftigten bei den Londoner Busbetrieben, Paddy Brennan, der als Betriebsrat bei Honda in Swindon kurzzeitig entlassen worden war und gerade erst die LKW-FahrerInnen bei Tesco in Doncaster – sie alle haben durchaus Erfolge erzielt.
Viele andere KollegInnen wie z.B. bei „Unilever“, „Crown“, „Remploy“ und „Amnesty“, aber auch „Unite“-Mitglieder, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind und eine Auseinandersetzung wegen ihrer Renten hatten, sind in Aktion getreten.
Len hat betont, dass er in seiner ganzen bisherigen Amtszeit kein einziges Mal ein Mahnschreiben an irgendein „Unite“-Mitglied geschickt hat, , das wild gestreikt hat. Das hat er auch noch einmal beim Landestreffen der „United Left“ wiederholt. Fast direkt nach seinem Amtsantritt hat er das Streikgeld auf 30 brit. Pfund am Tag verdoppelt.
In der Auseinandersetzung um die Renten hat es „Unite“ abgelehnt, die Kernpunkte dessen zu unterschreiben, was die Regierung vorgelegt hatte. Außerdem haben sich Mitglieder der Gewerkschaft, die beim Verteidigungsministerium beschäftigt sind, und die „Unite“-Fachgruppe der Staatsbediensteten sowie die „Unite“-KollegInnen aus dem Gesundheitsbereich neben der PCS und anderen Gewerkschaften am Streik vom 10. Mai beteiligt.
Dazu war es zwar erst auf Druck des Vorstands der Landesfachgruppe Gesundheit gekommen. Aber dies hat erneut gezeigt, dass die Gewerkschaft unter McCluskeys Führung zum Handeln gebracht werden kann.
Bei den Kommunalbeschäftigten ist „Unite“ hinter „Unison“ und der GMB auf Rang drei aufgerückt, sieht sich dort aber in erster Linie als Gewerkschaft in der Minderheit, was im Prinzip der Realität entspricht. Das hat aber leider auch dazu geführt, dass man nicht trotzdem die Initiative ergriffen und damit vor allem auf die „Unison“ Druck ausgeübt hätte.
Linkes Programm
Wir meinen, dass es korrekt ist, McCluskey zu unterstützen und dabei gleichzeitig Kritik zu üben, wenn wir meinen, dass die Gewerkschaft nicht weit genug geht.
Im Zuge dieser Wahlen werden wir auch unser Programm in die Diskussion mit einbringen. So zum Beispiel, wenn es darum geht, „Unite“ zu einer demokratischeren Gewerkschaft zu machen. Und dazu gehört auch die Frage, wie die Wahl der GewerkschaftsfunktionärInnen abläuft.
Vor allem hinsichtlich des Umgangs mit der „Labour Party“ müssen wir weiterhin Forderungen in Richtung Len McCluskeys formulieren. Aber auch, was die unserer Meinung nach notwendige Durchführung eines 24-stündigen Generalstreiks oder wenigstens koordinierter und massenhafter Streikaktionen gegen die Austeritäts- und Kürzungspolitik der liberal-konservativen Regierung angeht, werden wir uns natürlich nicht zurückhalten.
Was die „Labour Party“ angeht, stimmen wir mit McCluskeys Sicht der Dinge nicht überein. Er meint, die Partei könne zurückgewonnen werden und wir sind der Ansicht, dass „Unite“ seine Verbindungen zu dieser Partei kappen und mit anderen Gewerkschaften am Aufbau einer neuer Partei für die Menschen aus der arbeitenden Klasse arbeiten muss.
Beim Landestreffen der „United Left“ (dt.: „Vereinte Linke“) sagte Len, dass „Unite“ die Kommunalräte unterstützen würde, die wegen ihres Widerstands gegen die Kürzungen aus der „Labour Party“ ausgeschlossen worden sind.
Er sagte, er sei bereit, vor den Kommunalwahlen den Geschäftsführenden Vorstand der Gewerkschaft aufzufordern, dass man dem Vorsitzenden der „Labour Party“, Miliband, ein Ultimatum stellt, damit „Labour“ sich nicht gegen diese Kommunalräte wendet. Dabei war ihm durchaus bewusst, dass dies das ganze Verhältnis zwischen „Unite“ und „Labour“ verändern kann.
Die Wahlen zum Generalsekretär müssen auch genutzt werden, um „Unite“ dazu zu bringen, den Aufruf für massenhafte und koordinierte Streikmaßnahmen bis hin zum 24-stündigen Generalstreik anzuführen.
Dieser Ansatz hat geholfen, Len dazu zu bringen, dass er sagte, die Mitgliedschaft von „Unite“ werde darüber abstimmen und neben der PCS Aktionen in puncto Löhne durchzuführen. Das, so sagte er, sei der nächste Schwerpunkt im Kampf gegen die Kürzungen.
Sollte sie ernsthaft mit linken Gewerkschaften wie der PCS zusammenarbeiten, würde „Unite“ damit auch Druck auf „Unison“ und die GMB ausüben.
Das Bündnis „United Left“, hinter dem „Unite“ steht, hat viele Schwächen. So ist diese Struktur viel zu sehr beeinflusst von hauptamtlichen FunktionärInnen und war nicht in der Lage, genügend Anziehungskraft auf frische Kräfte auszuüben. Wir denken dennoch, dass darin die meisten Kräfte der organisierten Linken vertreten sind. Wir werden damit fortfahren auch weiterhin am Aufbau der „United Left“ zu arbeiten und daran, dass das Bündnis demokratischer und schlagkräftiger wird.
Unter einem Generalsekretär Len McCluskey ist es möglich gewesen, die Gewerkschaft zu öffnen und die rechteren Kräfte zurück zu drängen.
Wir sollten aber nicht das Potential vergessen, das die Gewerkschaftsrechte weiterhin hat, sich neue Geltung zu verschaffen, wenn die Gewerkschaftsführung die Mitgliedschaft enttäuscht.
Statt unserem Rat zu folgen und sich nach den letzten Generalsekretär-Wahlen der „United Left“ anzuschließen, hat Jerry Hicks hingegen seine Arbeit mit seiner eigenen „Grassroots Left“ fortgesetzt.
Wir meinen jedoch nicht, dass Jerry zeigen konnte, damit zum Aufbau eines breiten linken Bündnisses beitragen zu können, das entscheidend ist, um die Gewerkschaft nach links zu treiben, den Kampf gegen den Bürokratismus aufzunehmen und in der umfassenderen Gewerkschaftsbewegung aufbauen zu können.
Die Wiederwahl von Len McCluskey ist ein bedeutender Schritt zur Konsolidierung der real spürbaren Errungenschaften, die erreicht werden konnten und die das Fundament dafür sein können, dass die Gewerkschaft weitere Schritte vorwärts macht.