Nur DIE LINKE stimmt konsequent gegen Entsendung von „Patriot“-Raketen
Letzte Woche hat der Deutsche Bundestag das Entsenden von Flugabwehrraketen des Typs „Patriot“ an die türkisch-syrische Grenze beschlossen. Bis zu 400 Soldaten können zudem in die Türkei zum angeblichen Schutz vor einem Angriff der syrischen Armee geschickt werden.
von Torsten Sting, Rostock
Wiedereinmal hat die große Mehrheit der bürgerlichen Abgeordneten von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen, für einen Auslandseinsatz der Bundeswehr votiert. Als einzige Partei stimmte DIE LINKE geschlossen dagegen – und das aus guten Gründen.
Ausgangslage
Im Nachbarland der Türkei, tobt ein verheerender Bürgerkrieg. Der im Frühjahr 2011 begonnene Volksaufstand gegen die Assad-Diktatur hat sich mehr und mehr in einen militärischen Konflikt zwischen den regimetreuen Truppen und der Freien Syrischen Armmee (FSA) entwickelt und die demokratische Massenbewegung an den Rand gedrängt. Das herrschende säkulare Assad-Regime kommt zunehmend unter Druck und hat die Kontrolle über einige Regionen verloren. Selbst die Hauptstadt bleibt vor Kämpfen nicht mehr verschont. Den Rebellen ist es jedoch bislang nicht gelungen eine Entscheidung herbeizuführen.
Die syrische Regierung gehört zusammen mit dem Iran zu jenen Ländern in der Region, die sich nicht bedingungslos dem Diktat der westlichen Mächte beugen wollen, wenn sie aus Sicht dieser Mächte auch über Jahre eine stabilisierende Rolle in der Region gespielt hatte und zum Beispiel noch unter George Bush eine geheimdienstliche Zusammenarbeit der USA und Syrien gegen Al Qaida stattfand. Aber der „Arabische Frühling“ wirbelte die Verhältnisse in der Region durcheinander und führte zu einer Massenbewegung gegen Assad, der verstärkt die Zusammenarbeit mit Russland und China suchte. Syrien ist das einzige Land mit einer Auslandsmilitärbasis der russischen Armee. Nachdem der Bürgerkrieg sich entwickelte, bezog der Westen Stellung zugunsten der Opposition. Auch wenn diese politisch sehr heterogen zusammengesetzt sind, dominieren doch mittlerweile pro-kapitalistische und pro-westliche Kräfte und verbinden die USA und die maßgeblichen Länder der EU mit einem Regimewechsel die Hoffnung, eine ihnen genehmere Regierung zu bekommen, die u.a. die Privatisierung der noch zahlreichen, staatlichen Betriebe an ausländisches Kapital in die Wege leitet und bessere Beziehungen mit Israel anstrebt.
In diesem Ringen spielt die Türkei eine besondere Rolle. Die Regierung von Ministerpräsident Erdogan, hat in den letzten Jahren verstärkt ihre Fühler Richtung Naher Osten ausgestreckt. Mit der durch den „Arabischen Frühling“ ausgelösten Veränderung der Kräfteverhältnisse im Nahen und Mittleren Osten und dem Erstarken islamischer Kräfte sieht die konservative AKP Führung ihre Stunde gekommen, um zu einer lokalen Großmacht aufzusteigen. In diesem Sinne agiert Erdogan auch im Falle Syrien. Er war einer der ersten Staatsmänner der offen den Sturz von Assad forderte. Die Türkei unterstützt die Opposition politisch, logistisch und zuletzt auch militärisch.
Im Laufe der letzten Monate kam es zu vermehrten Spannungen zwischen Syrien und der Türkei. Ein türkischer Kampfjet wurde laut syrischen Angaben „aus Versehen“ abgeschossen. Erdogan unterstellte Absicht. Immer wieder kam es an der Grenze der beiden Länder zu Gefechten zwischen syrischen Regierungs- und Rebellentruppen. Infolgedessen wurde auch türkisches Territorium getroffen und Zivilisten starben. Auch hier gab es unterschiedliche Darstellungen der jeweiligen Seite. Das Assad Regime hat aber eigentlich kein Motiv für eine Verschärfung der Lage zu seinen Nachbarn. Warum sollte die syrische Regierung einen Großkonflikt mit der Türkei und damit gleichbedeutend mit der NATO riskieren? Die Rebellen setzen dem Regime schon mächtig zu. Eine direkte Beteiligung von anderen Mächten die militärisch weit überlegen sind, wäre das endgültige Ende dessen morscher Herrschaft.
Warum „Patriots“?
Der Beschluss des Bundestages sei gefallen, weil die Türkei sich von Syrien bedroht fühle, so die offizielle Version. Wenn dem so sein sollte, muss man sich aber fragen, warum ausgerechnet Flugabwehrraketen des Typs „Patriot“ geliefert werden. Bislang wurde türkisches Gebiet von Granaten und Artilleriegeschossen getroffen. Um sich vor diesen zu schützen, helfen Raketen nicht weiter. Man muss folglich andere Motive hinter der Entscheidung der NATO vermuten, dem „Partner“ zu helfen.
Mögliche Eskalation
In türkischen und russischen Medien wird darüber spekuliert, dass das eigentliche Ziel des NATO Manövers eine Flugverbotszone in Nordsyrien sein könnte. Ähnlich war das Vorgehen im Falle Lybiens gewesen. Der Schutz der Zivilbevölkerung war der Vorwand für einen offenen Einsatz auf der Seite der Opposition mit dem Ziel ein Regime zu errichten, das ein verlässlicherer Partner für den Imperialismus ist, als es das Gadaffi-Regime war.
Mit einer möglichen, direkten Beteiligung der imperialistischen Staaten sind verschiedene Gefahren verbunden. Zum einem droht eine zusätzliche Zerstörung des Landes durch Bombardierungen aus der Luft. Ein Sieg der Freien Syrischen Armee würde wahrscheinlich zu einer vom Westen abhängigen Regierung führen, die den Ausverkauf des Landes organisiert, mit entsprechend negativen Folgen für den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung. Zudem ist eine Ausbreitung des Konflikts auf die Nachbarländer (z.B. im Libanon spitzt sich die Lage bereits zu) nicht auszuschließen.
DIE LINKE kann sich mit ihrer korrekten Position im Bundestag auf die Meinung der Mehrheit der Bevölkerung stützen, die den Einsatz ablehnt. Sie sollte aber auch deutlich machen, dass sie Partei zugunsten der ArbeiterInnen und BäuerInnen des Nahen Ostens bezieht und für den Sturz von Assad ebenso wie der reaktionären Regime in Saudi Arabien und anderswo eintritt – ohne jedoch pro-kapitalistische und vom Westen beeinflusste Oppositionsgruppen zu unterstützen. Die imperialistischen Regierungen versuchen diesen weit verbreiteten Wunsch für ihre Macht- und Profitinteressen auszunutzen. Der Sturz von Assad ist aber eine Sache des syrischen Volks und muss mit der Erkämpfung demokratischer und sozialer Rechte einher gehen. Dazu ist der Aufbau unabhängiger Arbeiterorganisationen nötig, die eine antikapitalistische Perspektive vertreten. DIE LINKE sollte internationale Solidarität organisieren und versuchen solche Kräfte in der Region zu unterstützen, die eine solche Perspektive einnehmen können.