Mahnwache vor südafrikanischer Botschaft in Nigeria und Irland
Solidaritätsaktionen des CWI dauern an, derweil der Kampf in Südafrika an Intensität zunimmt
Im Folgenden veröffentlichen wir Fotos von zwei Solidaritätsaktionen, die gestern [am 6. September 2012; Anm. d. Übers.] von GenossInnen des CWI organisiert wurden. Unterdessen hält der Kampf der Bergleute in Südafrika für angemessene Löhne und gegen Polizeigewalt nach dem Blutbad von Marikana am 16. August weiterhin an.
Mitglieder des „Democratic Socialist Movement“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Nigeria) und der „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Irland) sowie dort auch der „United Left Alliance“ zogen vor die Botschaften Südafrikas in Lagos bzw. Dublin. Sie forderten ein Ende der staatlichen Gewalt und des Rückgriffs auf Gesetze aus der Apartheid-Zeit, mit deren Hilfe die Streikenden mit Repressalien belegt werden sollen. Zudem wurden Forderungen nach einer unabhängigen Untersuchung der Vorfälle durch die ArbeiterInnen selbst und nach Verstaatlichung des Reichtums aus den südafrikanischen Bergwerken laut.
Die Redaktion von Socialistworld.net (Homepage des CWI, „Komitee für eine Arbeiterinternationale“, deren Sektion in Deutschland die SAV ist)
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Bericht aus Nigeria: Protestkundgebung vor südafrikanischer Botschaft in Lagos
Am Donnerstag, dem 6. September 2012, zogen Mitglieder des „Democratic Socialist Movement“ (DSM) mit Schildern, Transparenten und Protestbriefen bewaffnet vor das Generalkonsulat Südafrikas in Lagos, Nigeria. Sie taten dies, um gegen das Blutbad von Marikana in Südafrika zu protestieren, das an die Zeit der Apartheid erinnert. Außerdem zeigte man sich solidarisch mit den Bergleuten beim Unternehmen „Lonmin“ und mit ihren Forderungen nach besserer Bezahlung.
von Peluola Adewale, DSM (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Nigeria)
Am 16. August eröffnete die bewaffnete Polizei das Feuer auf Bergleute, die sich für bessere Löhne im Streik befinden. Dabei wurden 34 von ihnen getötet. Die Polizei handelte so, weil sie die riesigen Profite von „Lonmin“, dem drittgrößten Platinlieferanten der Welt, und die Gier einiger führender Mitglieder des ANC absichern sollte. Um alles nur noch schlimmer zu machen, wurden 270 der Bergleute, die den Kugelhagel überlebt hatten, festgenommen und anfangs noch von der Staatsführung wegen Mordes angeklagt, was bitter böse Erinnerungen an die Zeit der Apartheid und die Gesetze aus der damaligen Zeit wach werden ließ. Die Schuld der Polizei wurde einfach den Opfern zugeschoben. Es war die weltweite Empörung über diese Ereignisse, die die Regierung schließlich dazu zwang, die Anklagen fallen zu lassen und die Bergleute auf freien Fuß zu setzen.
Daneben waren es die Solidaritätsaktionen auf lokaler und internationaler Ebene, die von verschiedenen Gruppen, darunter auch den Sektionen des „Committee for a Workers‘ International“ (CWI; „Komitee für eine Arbeiterinternationale, deren Sektion in Deutschland die SAV ist) überall auf der Welt durchgeführt wurden, die dabei halfen den streikenden Bergleuten neues Selbstvertrauen zu geben, um trotz der Drohungen seitens der „Lonmin“-Geschäftsführung und unter der Duldung der Regierung Zuma standhaft zu bleiben und weiterzukämpfen. Unsere Schwesterorganisation in Südafrika, die sich auch „Democratic Socialist Movement“ nennt, hat dabei mitgewirkt, die Bergleute zu organisieren und eine Solidaritätskampagne loszutreten – vor Ort genauso wie auf internationaler Ebene. Auch die Forderung nach einem Generalstreik wurde von den GenossInnen des DSM in Südafrika eingebracht.
Vor dem südafrikanischen Generalkonsulat sprach Dagga Tolar, Sprecher des DSM, im Namen der Protestierenden und verlas den Protestbrief, der über den Konsul an Präsident Jacob Zuma weitergeleitet werden soll (vgl. unten). Im Auftrag des Generalkonsulats nahm Mr. Lindak Pule, Erster Sekretär der Abteilung für allgemeine Dienste, ein Protestschreiben entgegen.
Aufschlussreich ist, dass es sich dabei schon um den zweiten Protestbrief handelt, den wir Präsident Zuma zu kommen lassen. Den ersten hatten wir am 17. August verschickt, was zu einer Reaktion der südafrikanischen Präsidialamts führte, in der die Schritte erläutert wurden, mit denen die Regierung Zuma der Krise entgegenwirken will. Sämtliche, per Email an uns gerichtete Erklärungen zeigen nur, wie verzweifelt die Regierung Zuma versucht, sich vom Blutbad zu distanzieren, das von ihren eigenen Einrichtungen verübt wurde, um die enormen Profite der multinationalen Konzerne abzusichern.
Dagga rief auch den Gewerkschaftsdachverbände „Nigeria Labour Congress“ (NLC) und den „Trade Union Congress“ (TUC) dazu auf, vergleichbare Solidaritätsaktionen für die Bergleute in Südafrika zu organisieren. Er zog auch Parallelen zwischen dem Blutbad von Marikana und der Entsendung von Soldaten und Panzern durch die nigerianische Regierung unter Goodluck Jonathan mittels Infrastruktur der PHCN (staatlich-nigerianische Elektrizitätswerke), um den Protest der Beschäftigten in der Elektrobranche zu unterdrücken. Schließlich soll die Privatisierung des Unternehmens nicht gefährdet werden. Dagga forderte die umgehende Rückführung der Soldaten und bezüglich der PHCN, dass das Unternehmen unter die demokratische Kontrolle der Beschäftigten, VerbraucherInnen und anderer relevanter Fachleute zu stellen sei.
Die Botschaften auf den von den GenossInnen mitgeführten Schildern riefen unter anderem dazu auf, dass die Forderungen der Bergleute umgesetzt werden sollen. Sie sollten unter sicheren Bedingungen arbeiten können und die Geschäftsführung von „Lonmin“ wie auch die Mörder unter den Polizeibeamten müssten angeklagt werden. Den Familien der Opfer hingegen sollte eine angemessene Entschädigung zuteil und sämtliche Gesetze aus der Zeit der Apartheid müssten abgeschafft werden. Wir machten auch die ANC-Regierung mit verantwortlich, die nur im Sinne der Reichen und Konzerne agiert und immer mehr den Charakter annimmt, als entstamme sie selbst der Apartheid-Zeit. Wir riefen dazu auf, dass die Gewerkschaften die Allianz mit dem ANC aufkündigen und dass eine neue Massenpartei der ArbeiterInnen gegründet wird. Genauso wichtig ist die Forderung nach der Verstaatlichung der Bergwerke unter demokratischer Kontrolle der ArbeiterInnen und örtlichen Gemeinden, damit der riesige Wohlstand des Landes, der aus den Bodenschätzen resultiert, genutzt werden kann, um den Bedürfnissen der Bevölkerungsmehrheit zu entsprechen.
Der Protest, an dem auch eine Frau aus Russland teilnahm, die gegenüber der Botschaft wohnt, von den lokalen elektronischen und Printmedien ebenso aufgegriffen wie von der „British Broadcasting Corporation“ (BBC). Die Frau aus Russland kaufte unsere Zeitung zum Solidaritätspreis.
Protestschreiben des DSM an den Präsidenten Südafrikas:
6. September 2012
An Präsident Jacob Zuma
Präsident von Südafrika
vermittels des
Generalkonsuls von Südafrika in Nigeria
Generalkonsulat der Republik Südafrika
Molade Okoya Thomas Street 24
Victoria Island
Lagos, Nigeria
Sir,
WIR VERURTEILEN DAS BLUTBAD AN DEN STEIKENDEN ARBEITERiNNEN BEI „LONMIN“
Für die Verstaatlichung der Bergwerke unter der demokratischen Geschäftsführung der Arbeiterklasse
Das „Democratic Socialist Movement“ (DSM) – Sektion des CWI in Nigeria – verurteilt nachdrücklich das brutale Massaker an den 34 streikenden Bergleuten bei „Lonmin“. Das DSM ist die nigerianische Schwesterorganisation des DSM in Südafrika. Beide Organisationen sind Teil des „Committee for a Workers‘ International“ (CWI).
Wir machen das Bergbauunternehmen „Lonmin Plc“ und die Regierung von Südafrika für den Tot der Bergleute verantwortlich. Während sie für die Anhebung ihrer Löhne auf monatlich 12.500 südafrikanische Rand streikten, wurden am Donnerstag, dem 16. August, 34 Bergleute brutal umgebracht. Dieses unbarmherzige Vorgehen lässt die schlimmen Erinnerungen an die Massaker wieder hochkommen, die zur Zeit des Apartheid-Regimes verübt wurden. Von daher stellen wir fest, dass sich seit dem offiziellen Ende der Apartheid im Südafrika nach der Arpartheid grundsätzlich nichts geändert hat.
Die Polizei und der Staat haben in einem simplen Akt der Selbstverteidigung versucht, dieses brutale Vorgehen einfach zu rechtfertigen. Dem können wir nicht zustimmen. Es hat sich hierbei um ein vorsätzlich geplantes Werk der südafrikanischen Regierung im Auftrag des multinationalen Platinumförderers „Lonmin Plc“ gehandelt und war darauf ausgerichtet, dem Kampf der Bergleute um höhere Löhne ein Ende zu setzen. Damit sollte auch den Rest der ArbeiterInnen in anderen Minen und in ganz Südafrika abgeschreckt werden.
Das DSM in Nigeria unterstützt die Forderungen der streikenden Beschäftigten von „Lonmin“ voll und ganz. Dem nun von Präsident Zuma offiziell eingesetzten Untersuchungsausschuss schenken wir kein Vertrauen. Dieser soll Gerechtigkeit bringen, obwohl die südafrikanische Regierung im Sinne der Konzerne und gegen die eigene Bevölkerung handelt. Die anfangs durchgeführten Verhaftungen und die Ingewahrsamnahmen von Bergleuten, die mit Gesetzen aus der Apartheid-Zeit begründet wurden, zeigen ganz klar die unterdrückerische Natur der Regierung. Seit dem Ende der Herrschaft einer hellhäutigen Minderheit herrscht nun eine Minderheit, die helle und dunkle Haut hat. Trotz der opulenten menschlichen und materiellen Ressourcen liegt Südafrika in der Rangliste der Länder mit der größten Einkommensungleichheit unter den ersten zehn Ländern der Welt. Auch die Armuts- und Arbeitslosenraten sind enorm hoch.
Deshalb rufen wir dazu auf, dass ein unabhängiger Untersuchungsausschuss eingesetzt wird, der aus demokratisch gewählten VertreterInnen der Gewerkschaften, Bürgerrechtsorganisationen und „einfachen“ Bergleuten besteht. Wir fordern die Abschaffung aller unterdrückerischen und ausbeuterischen Gesetze aus der Zeit der Apartheid. Alle Anklagen gegen die MinenarbeiterInnen müssen bedingungslos aufgehoben und den Familien der getöteten aber auch der verstümmelten Opfer müssen Entschädigungen gezahlt werden
Wir fordern die sofortige Erfüllung der Forderungen der Beschäftigten bei „Lonmin“. Dazu zählt auch die Lohnerhöhung auf 12.500 Rand, eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und eine bessere Bezahlung für alle BergarbeiterInnen in ganz Südafrika. Wir verurteilen die massive Ausbeutung in der Bergbaubranche, in der die ArbeiterInnen gezwungen werden in Armut zu leben, obwohl sie für die multinationalen Konzerne und die obersten Regierungsangestellten die Profite erwirtschaften.
Deshalb fordern wir die Verstaatlichung der Bergbaubranche unter demokratischer Geschäftsführung und Kontrolle durch die Beschäftigten, Fachleuten und Gemeinden.
Segun Sango, Generalsekretär