Interview mit Katja, Vertrauensfrau von Netto/Edeka in Einbeck. Die Fragen stellte Heino Berg, Göttingen
Kannst du unseren Lesern zunächst die aktuelle Lage bei Netto/Edeka in Südniedersachsen schildern? Was hat die Geschäftsleitung mit den vier Filialschließungen in Göttingen bezweckt? Wie ist der Stand der Verhandlungen von ver.di mit dem Management?
Aktuell gibt es in Göttingen noch drei Filialen, in denen fast alle Mitarbeiter aus den Schließungsfilialen untergebracht wurden. Dadurch ist das Problem entstanden, dass es dort nun zu viel Personal gibt und die Kolleginnen und Kollegen nicht ihre ihnen zustehenden Wochenarbeitsstunden arbeiten können und Minusstunden fahren.
Die Geschäftsleitung sagte zu uns, dass die Filialen nicht mehr wirtschaftlich seien und deshalb geschlossen wurden. Wir gehen aber davon aus, dass damit gewerkschaftliches Engagement und die Wahl von Vertrauensleuten „bestraft“ werden sollte. Bei unseren Verhandlungen haben wir erreicht, dass vorerst keine Kündigungen vorgenommen werden.
Welches Echo hatten die bisherigen Aktionen in der Region?
Die öffentliche Solidarität gegen die Filialschließungen hat uns sehr gefreut und geholfen. Sie kam von anderen Gewerkschaftsgliederungen, aber auch von der Studentenvertretung, dem Rat der Stadt Göttingen und von politischen Parteien wie der LINKEN. Wir hoffen, dass dies auch den Kolleginnen und Kollegen in anderen Niedriglohnbereichen Mut macht, sich zu wehren, vor allem natürlich im Einzelhandel.
Welche Rolle spielte der Betriebsrat von Edeka in den Auseinandersetzungen? Warum fand die Teilbetriebsversammlung am 23. August in Paderborn statt – und nicht in Göttingen, wo die Filialen geschlossen wurden?
Wir haben das Gefühl, dass ein Teil des Betriebsrates nicht auf unserer Seite, sondern auf der Seite von Netto steht, denn sie haben nichts gegen die Filialschließungen unternommen.
Ich weiß nicht genau, warum die Betriebsversammlung nicht in Göttingen, sondern in Paderborn stattfand, aber ich glaube, sie haben sie dorthin verlegt, weil unser Betriebsrat dieses Jahr noch gar keine Betriebsversammlung einberufen hat und er laut Gesetz vier Betriebsversammlungen im Jahr machen muss. Es war ja auch keine Teilbetriebsversammlung, wie wir sie gefordert haben, sondern eine für den ganzen Bezirk Hamm/Bielefeld. Das Problem der Filialschließungen in Göttingen steht dort, soweit ich weiß, noch nicht einmal auf der Tagesordnung.
Es war für viele Kolleginnen und Kollegen nicht möglich, zu der Betriebsversammlung zu kommen, weil sie keine Betreuung für ihre Kinder haben oder ihnen ist der Weg einfach zu weit. Die Anreise wurde uns zunehmend schwieriger gemacht; denn wir wollten zuerst einen Bus mieten, damit alle die Chance haben, hingehen zu können, auch die, die kein Auto haben. Da hat Netto allerdings die Kostenübernahme nicht bewilligt. Dann wollten wir wenigstens einen Vorschuss für die Fahrtkosten, denn Ende des Monats hat nicht jeder noch das Geld, um die Benzinkosten oder ein Zugticket auszulegen, aber auch das hat Netto abgelehnt. So sind wir jetzt gemeinsam mit dem Zug gefahren, den ver.di uns erstmal bezahlt.
Was ist bei der Versammlung in Paderborn rausgekommen?
Wegen der genannten Behinderungen, zu der auch fehlende Information über die Betriebsversammlung in manchen Filialen gehörte, waren nur 50 von 2.000 Beschäftigten in Paderborn anwesend. Davon kamen allein 20 aus Göttingen und Umgebung. Immerhin konnten wir dort die Schikanen der Geschäftsleitung offen ansprechen und die Zusage erreichen, dass Minusstunden wegen der Filialschließungen nichtig beziehungsweise nachträglich zu bezahlen sind.
Wie siehst du die Rolle von ver.di? Warum ist die gewerkschaftliche Organisierung gerade im Einzelhandel so schwierig – und gleichzeitig so wichtig?
Ich sehe die Rolle von ver.di als eine sehr wichtige an. Sie gibt den Kolleginnen und Kollegen Kraft und Mut, sich gegen Ungerechtigkeit zu wehren.
Die Organisation ist so schwierig, weil es ein sehr verbreitetes Filialnetz und kaum einen Austausch von Mitarbeitern untereinander gibt. Des Weiteren wird in der Branche sehr viel mit Zeitverträgen gearbeitet und das bringt die Leute dazu, wenig zu sagen, aus Angst ihren Job zu verlieren. Es ist wichtig zu zeigen, dass man nicht allein ist mit seinen Problemen, sondern dass es Leute gibt, die genau die selben Probleme haben. Nur gemeinsam kann man etwas verändern. Ich hoffe, dass wir mit unserer Kampagne allen zeigen, dass man nicht die Mehrheit in den Parlamenten haben muss, um etwas zu verändern. Man muss nur einen starken Willen zeigen und zusammenhalten.