Demonstration: 20 Jahre nach dem Pogrom von Rostock-Lichtenhagen

Am Samstag sind in Rostock 6500 Menschen bei einer bundesweiten Demonstration auf die Straße gegangen. Hintergrund war das rassistische Pogrom im Stadtteil Lichtenhagen vor 20 Jahren.

von Torsten Sting, Rostock

Damals wütete ein, mehrere hundert Mann starker, rechter Mob gegen das Sonnenblumenhaus, eine Flüchtlingsunterkunft und gleichzeitig Wohnhaus der vietnamesischen „Vertragsarbeiter“, die bereits zu DDR-Zeiten nach Rostock gekommen waren. Über mehrere Tage wurde die Stimmung immer radikaler und gipfelte im Werfen von Brandsätzen in das Sonnenblumenhaus. Nur durch Glück kamen keine MigrantInnen ums Leben. Die SAV hat in ihren Stellungnahmen damals wie heute die Ursachen klar benannt. Das Pogrom von Rostock, die Übergriffe auf Flüchtlinge sowie die mörderischen Anschläge von Mölln und Solingen waren die Folge der massivsten rassistischen Kampagne in Deutschland seit dem 2. Weltkrieg. Regierung und Presse hetzten über zwei Jahre lang gegen Asylbewerber und schürten ein Klima der Angst und Hysterie. Sie wollten damit bewusst von der sich zuspitzenden sozialen Lage im frisch wiedervereinigten Deutschland ablenken. Es gab Massenentlassungen in Ostdeutschland und im Westen des Landes entwickelte sich eine Rezession. In Rostock waren es die, insbesondere für die Flüchtlinge, aber auch für die Anwohner, unhaltbaren Zustände des Flüchtlingsheimes (Menschen mussten im Freien kampieren und dort ihre Notdurft verrichten) welche die Grundlage der Eskalation bildeten. Örtliche und bundesweite Naziführer nutzten diese Situation für sich aus und heizten die Stimmung an. (ausführlicher Bericht siehe: Interview mit René Henze)

Heuchelei der Bürgerlichen

Den etablierten Parteien –mit Ausnahme der LINKEN- ging es immer vorrangig darum, dass Image der Hansestadt aufzupolieren. Keiner der damals Verantwortlichen aus Politik und Polizei wurde zur Rechenschaft gezogen. Wenn es konkret wird, werden MigrantInnen noch immer diskriminiert. Zudem weigern sich örtliche Politiker standhaft eine Straße nach dem von den NSU-Terroristen umgebrachten Mehmet Turgut zu benennen. Die „Stärke“ der Bürgerlichen besteht darin, hohle Phrasen á la Gauck von sich zu geben und die eigentlichen Ursachen zu verschweigen.

Antideutscher Demotenor

Leider waren auf der Demo Gewerkschaften und DIE LINKE schwach vertreten. Dies schuf den Raum für laute sektiererische, antideutsche Töne. Zwar wurde auch von diesen RednerInnen die Verantwortung der Herrschenden benannt. Aber geradezu genüsslich wurde pauschal die deutsche Bevölkerung als rassistisch gegeißelt. Entsprechend distanziert war die Reaktion der Einwohner des Stadtteiles Lichtenhagen. Wir SAV-Mitglieder haben stattdessen gezielt das Gespräch mit „Schaulustigen“ gesucht, um unsere Position zu verdeutlichen und haben durchaus positive Reaktion bekommen. Viele wurden jedoch durch den antideutschen Ton abgeschreckt.

Fazit

Die Demo war größer als ursprünglich gedacht. Sie war ein klares Signal gegen Rassismus und gegen die Verfälschungen der Herrschenden. Den Kampf gegen Rassismus und für eine Gesellschaft die diesem die Grundlage entzieht, kann man jedoch nicht gewinnen, wenn man die Masse der Bevölkerung beschimpft. Gerade angesichts der chauvinistischen Welle, die der nahende Zusammenbruch des Euros hervorruft, müssen Gewerkschaften und DIE LINKE dringend diesem Gift, den gemeinsamen Kampf der Arbeiterklasse gegen die Folgen der Krise und für gleiche Rechte aller Menschen, unabhängig von ihrer Nationalität, Religion oder Hautfarbe entgegensetzen.