Blog-Eintrag von Europaparlamentsabgeordneten Paul Murphy der zur Wahl in Griechenland war
sozialismus.info veröffentlicht hier den Blogeintrag von Paul Murphy, der für die irische Schwesterorganisation der SAV Abgeordneter im Europäischen Parlament ist und zur Zeit der Wahl in Griechenland war. Das englische Original des Artikels kann hier aufgerufen werden.
Nach vier Tagen Kampagnenarbeit in Griechenland sind die Wahlen jetzt vorbei und ich fahre zurück nach Brüssel, um dort an einer entscheidenden Abstimmung über ACTA im Internationalen Handelsausschuss des EU-Parlaments teilzunehmen. Ich habe die Wahlergebnisse mit einigen Mitgliedern von Xekinima, der Schwesterorganisation der Socialist Party in Griechenland verfolgt, bevor ich zum Büro von Synaspismos (die größte Organisation in Syriza) ging, wo sich schon eine große Menge sammelte.
Obwohl man in einigen Augenblicken vor Aufregung an den Fingernägeln kaute – zum Beispiel als die ersten Prognosen herauskamen und die geschätzten Stimmen für Nea Demokratia (ND) nur 0,5% höher als die für Syriza lagen und schon erste Gerüchte aufkamen, dass Syriza es schaffen würde, zeigte sich schließlich, dass die privaten Umfragen, die schon Tage vorher im Umlauf waren, korrekt sind und ND die Syriza um ca. 2,5 Prozent geschlagen hat.
Die Stimmung beim Büro von Synaspismos war gemischt. Auf der einen Seite, war Syriza so nah daran gewesen, die stärkste Partei zu werden und damit potentiell in der Lage zu sein eine linke Regierung zu bilden, dass es eine gewisse Enttäuschung gab. Auf der anderen Seite, wurde das massive Ergebnis von 26,9% gefeiert, was einen Zuwachs der Unterstützung von 10 % gegenüber der Wahl im letzten Monat und rund 22 % gegenüber der Wahl davor darstellt. Das demonstriert, wie schnell linke Parteien ihre Unterstützung unter bestimmten Bedingungen ausbauen können.
Als das Ergebnis feststand, rief Alexis Tsipras, der Vorsitzende von Syriza, den Vorsitzenden von Nea Demokratia, Antonis Samaras an. Er gratulierte Samaras und informierte ihn, dass die Verantwortung dafür, eine neue Regierung zu bilden jetzt ausschließlich bei der ND liegt, weil Syriza die Opposition anführen wird. Unzweifelhaft ist das die richtige Herangehensweise. Jeder Druck von PASOK in eine Regierung der „nationalen Einheit“ einzutreten, um PASOK politisch Rückendeckung zu geben, muss zurückgewiesen werden. Natürlich ist der ganze Gedanke einer Regierung der „nationalen Einheit“ der reinste Betrug: Es kann keine Regierung geben, die Kürzungen vornimmt und sozialistische Politik macht oder die beide Interessen, die der Banker und der arbeitenden Bevölkerung vertritt.
Nach dem Anruf, kam Tsipras bei der Parteizentrale an, um dort eine kurze Pressekonferenz zu geben. Anschließend ging er zum nahegelegenen Platz, wo über tausend Menschen sich in guter Stimmung versammelten und er eine kurze Rede hielt.
Obwohl PASOK zuerst erklärte, dass sie in keine Regierung ohne Syriza eintreten würden, glaube ich, dass sie unter Druck gesetzt werden, die einzig „vernünftige“ Sache für den Kapitalismus in Griechenland zu tun. Nichtsdestotrotz, werden sie versuchen die Demokratische Linke (Dimar) in die Falle der Regierung zu locken. Es sieht im Moment danach aus, dass Dimar ihr beitreten wird, was den Ausverkauf der Positionen dieser Partei nochmals unterstreicht.
Der knappe Sieg der Kampagne des Terrors gegen die griechische Bevölkerung wird wahrscheinlich ein Pyrrhus-Sieg sein und mag sogar extrem kurzlebig werden. Die Stabilität, die Nea Demokratia in der Wahlkampagne versprochen hat, wird von ihr nicht umgesetzt werden können und es wird eine Fortsetzung von sogar noch härteren Kürzungsmaßnahmen geben. Die Eurokrise wird sich vertiefen und es ist wahrscheinlich, dass Griechenland sich irgendwann außerhalb der Eurozone wiederfinden wird, selbst mit einer ND-Regierung. Der Fokus des Kampfes wird sich zurück auf die Straße und die Betriebe verlagern, wenn die ArbeiterInnen auf die erneuerten Angriffe antworten.
Die Linke, insbesondere Syriza, ist in einer starken Position diesen Widerstand und die Opposition zu organisieren und zu führen, gerade durch ihre ausgebaute parlamentarische Position und ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Wenn sie die Position nutzt, kann die neue Regierung geschlagen und sogar in recht kurzer Zeit gestürzt werden. Eine Wahl unter solchen Umständen würde wahrscheinlich Syriza begünstigen und sie könnte sogar noch in diesem Jahr an die Regierung kommen.
Die Fortsetzung von Syriza“s Opposition gibt Zeit, um eine volle Diskussion darüber zu führen, für welches Programm sie eintreten sollte. Das wird eine unerlässliche Diskussion und könnte ziemlich polarisiert werden, besonders da einige Neuankömmlinge von der PASOK versuchen die Partei nach rechts zu drücken, während andere, wie Xekinima, korrekterweise die Notwendigkeit eines vollen sozialistischen Programms betonen, um mit den Problemen fertig zu werden, denen sich die griechische Bevölkerung und Wirtschaft gegenüber sieht. Angesichts der Tiefe der Krise, sollte in der Diskussion jede Illusion, dass die Herrschaft des Kapitals aufrecht erhalten werden kann, während mehr „soziale“ Maßnahmen durchgesetzt werden, zurückgewiesen werden. Syriza muss ein Programm ausarbeiten, dass die Schulden zurückweist, unmittelbar die Banken und die Schlüsselindustrien unter demokratischer Arbeiterkontrolle und -verwaltung verstaatlicht und die Wirtschaft mit einem demokratischen Plan saniert.
Die andere Partei, die jetzt wahrscheinlich durch eine große interne Debatte erschüttert werden wird, ist die Griechische Kommunistische Partei (KKE). Der Fall der Stimmen für die KKE von 8,5 % auf 4,5% wird eine Diskussion provozieren und die sektiererische Haltung der Führung gegenüber Syriza wird jetzt Opposition hervorrufen. Dadurch, dass die es ablehnte eine Einheitsfront mit Syriza einzugehen, während sie Kritik an Syriza“s Führung und Programm übte, hat die KKE eine große Möglichkeit verpasst, sich am Kampf von Millionen Menschen, die sich gegen Kürzungen und in Richtung sozialistischer Politik bewegten, zu beteiligen. Berichte von der Basis lassen vermuten, dass viele KKE-Mitglieder und UnterstützerInnen mit dieser Herangehensweise zutiefst unglücklich sind.
Die andere erwähnenswerte und besorgniserregende Besonderheit dieser Wahl ist das Wahlergebnis der faschistischen Partei Goldene Morgenröte. Sie haben ihr Ergebnis mit 6,9 % gehalten, trotzdem sie ihren Charakter mit ihren täglichen Angriffen auf ImmigrantInnen und dem Angriff ihres Abgeordneten auf KKE und Syriza Abgeordnete vor laufenden Kameras im Fernsehen gezeigt haben. Dieses Ergebnis wird sie ermutigen ihre Angriffe fortzusetzen und vor dem Hintergrund einer Regierung, die das Memorandums-Programm umsetzen will, können sie wahrscheinlich mit weiterem Wachstum rechnen.
Mit hunderten von engagierten Aktivisten und nun einer größeren Unterstützung in der Bevölkerung, sind sie jetzt eine reale Bedrohung. Natürlich sind die Mehrheit ihrer WählerInnen keine Faschisten sondern Menschen die von der Krise betroffen sind, insbesondere kleine Geschäftsleute, welche die einfache Antwort bejahen, dass die ImmigrantInnen das Problem seien und welche die Goldene Morgenröte als eine Anti-Establishment Kraft sehen.
Die Linke in Griechenland muss diese Gefahr jetzt ernst nehmen. Das heißt, dass sie jetzt zusammenarbeiten muss, um die Angriffe der Faschisten zu stoppen. Die linken Parteien sollten gemeinsam (Syriza, KKE und Antarsya) eine Initiative ergreifen, um antifaschistische Komitees in jedem Stadtteil aufzubauen, in denen linke AktivistInnen, Nachbarschafts- und GewerkschaftsaktivistInnen zusammenkommen. Diese Komitees könnten eine Aufklärungskampagne durchführen, die den schädlichen anti-demokratischen und arbeiterfeindlichen Charakter der Faschisten erklärt. Sie könnten außerdem die Themen aufgreifen, auf denen die Faschisten florieren, wie zum Beispiel die ungleiche Verteilung von Wohnungen und der Daseinsführsorge. Zusätzlich sind Verteidigungskomitees nötig, die in der Lage sind ImmigrantInnen, Homosexuelle und linke Treffen sowie AktivistInnen vor diesen Faschisten zu verteidigen.
Insbesondere die KKE, mit ihrer Basis von tausenden ArbeiteraktivistInnen könnte eine besonders wichtige Rolle spielen, diese Gefahr zu bekämpfen und sollte eine Initiative in einer nicht-sektiererischen Art und Weise ergreifen. Wenn die Linke diese Gefahr nicht ernst nimmt und nicht auf sie antwortet, wird das Problem nur stärker wachsen.
Auch wenn Syriza die Wahlen dieses Mal nicht gewonnen hat, läutet ihr Wahlergebnis eine neue Periode für linke Parteien in Europa und der sogenannten Randgebiete insbesondere ein. Während sich die Krise und die Kämpfe vertiefen, wird es große Möglichkeiten für die Linke geben zu wachsen.
Alle Augen werden richtigerweise auf Griechenland gerichtet sein, während sich die Krise vertieft. Menschen in Irland und anderswo sollten aktive Solidarität und Unterstützung für diejenigen üben, die in Griechenland gegen Kürzungen und Kapitalismus kämpfen. Zusätzlich sollte jede Stufe der Krise in Griechenland studiert und diskutiert werden – weil sie in vielerlei Hinsicht uns einen Spiegel unserer Zukunft vorhält. Darüberhinaus ist es die beste Solidarität, die wir den leidenden Menschen in Griechenland geben können, selbst Bewegungen in Irland und ganz Europa voranzutreiben, welche die Kürzungen zurückschlagen können und eine sozialistische Umgestaltung auf die Tagesordnung setzen.