ver.di startet Kampagne zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen
„Der Druck muss raus!“ – unter diesem Motto haben Beschäftigte der Berliner Charité am Montag nachmittag gegen Arbeitsüberlastung und Personalmangel demonstriert. An allen drei Standorten des Berliner Uniklinikums – Campus Mitte, Virchow und Benjamin Franklin – hatte ver.di zu Protestkundgebungen aufgerufen. Zugleich forderte die Gewerkschaft den Charité-Vorstand zu Tarifverhandlungen zum Gesundheitsschutz, zur personellen Mindestbesetzung sowie zur Verbesserung der Ausbildungsqualität auf.
von Daniel Behruzi
„Die Personalsituation ist extrem angespannt – das geht so nicht weiter“, erklärte Carsten Becker, Sprecher der ver.di-Betriebsgruppe an der Charité, am Montag. Das Fass zum Überlaufen gebracht habe eine kürzlich bekannt gewordene Anweisung der Klinikleitung, kein Leasingpersonal mehr anzufordern und Engpässe statt dessen mit „eigenen personellen Ressourcen“ zu überbrücken. Dem Dokument zufolge sollen künftig „Poolmitarbeiter und Auszubildende“ sowie andere Stammbeschäftigte einspringen, um die Pflege bei Ausfällen aufrechtzuerhalten. „Die hohen Leasingkosten sind seit langem bekannt, dennoch wurde Stammpersonal abgebaut“, kritisierte Becker. „Die Zitrone ist ausgequetscht – eine weitere Zunahme der Arbeitsbelastung ist absolut nicht hinnehmbar.“
Laut ver.di haben die gut 4.000 Pfleger an der Charité schon jetzt insgesamt mehr als 100.000 Überstunden angesammelt. Ohne Leasingkräfte würde sich diese Situation noch verschlimmern. „Wir wollen die Rücknahme des Leasingverbots, vor allem aber fordern wir deutlich mehr reguläre Stellen“, betonte Becker. Bei fehlendem Personal müssten im Zweifelsfall Betten geschlossen werden. Die ver.di-Betriebsgruppe an der Charité hat sich zum Ziel gesetzt, der Überlastung per Tarifvertrag Grenzen zu setzen, was sie aus Gewerkschaftssicht bundesweit zum Vorreiter macht. Auch in anderen Kliniken wird seit einiger Zeit darüber diskutiert, eine Tarifkampagne zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu starten.
Nach Beckers Vorstellungen könnte man sich dabei an anderen europäischen Ländern orientieren. So sei es international üblich, auf Intensivstationen ein Verhältnis von mindestens einem Pfleger pro zwei Patienten festzuschreiben. Auf normalen Pflegestationen liege diese Relation in Schweden bei eins zu zwölf, in der Schweiz bei eins zu acht. „Es gibt keinen Grund dafür, dass die reiche Bundesrepublik hinter diese internationalen Standards zurückfällt“, meinte Becker.
Nach ihrem sehr erfolgreichen Streik im vergangenen Jahr – durch den zeitweise fast die Hälfte der rund 3200 Betten geschlossen und 90 Prozent der Operationen abgesagt werden mussten – sehen sich die Gewerkschafter an Berlins Universitätsklinikum gut für die anstehende Auseinandersetzung gerüstet. Bereits jetzt hätten die aktuellen Proteste Wirkung gezeigt, berichtete Becker. Beispielsweise sei die gesetzeswidrige Anweisung zurückgenommen worden, Krankenpflegeschüler bei Engpässen einzusetzen. „Der Widerstand wirkt, jetzt erhöhen wir den Druck“, so der ver.di-Mann. Um Tarifverträge durchzusetzen, die verbindliche Mindeststandards beim Personal festschreiben, wird aber sicherlich ein langwieriger und harter Konflikt nötig sein. Die Kundgebungen vom Montag waren dafür ein erfolgreicher Auftakt.