Welt- und europäische Perspektiven (2. Teil)

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Deutschland – vorherrschende Kraft in Europa

42. Deutschland war lange die führende Wirtschaftskraft in Europa. Aber die Eurozonen-Krise hat es gezwungen, eine offener politische Kraft zu sein. Die Vertreter des deutschen Kapitalismus haben die Führungsrolle gegenüber dem Rest von Europa übernommen, so wie die USA in der Vergangenheit gegenüber der Welt. Es hat die Eurozone – mit von der EZB, die es beherrscht und an seine Interessen anpasst, festgelegten Zinsen – genutzt, um den Rest Europas ‚auf Ration zu setzen’. Dies wurde von der ‚Peripherie’ geduldet – war für sie in der Tat enorm nützlich –, weil es ihr ermöglichte, zu extrem niedrigen Zinsen Geld zu leihen, die es ihnen erlaubten zu ‚wachsen’, wenn auch um den Preis, riesige Schulden aufzuhäufen. Die Gegenleistung für Deutschland war, dass diese Länder und der Rest von Europa Märkte für deutsche Exporte, besonders Industriexporte, boten. China stellt auch einen riesigen Markt für deutsche Waren dar, aber mit der wahrscheinlichen Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft – letzte Schätzungen besagen, dass die Wachstumsraten unter 8% fallen könnten – werden diese Verkäufe zurückgehen. Die andere Seite davon ist natürlich, dass andere Länder, besonders die schwächeren, in eine Währungszwangsjacke gesteckt wurden, die sich als katastrophal erwiesen hat – wie wir vorhersagten, sobald aus dem Boom eine Krise wurde. Trotzdem machte der deutsche Kapitalismus riesige Finanzinvestitionen in der Eurozone, indem seine Banken Staatsanleihen kauften, weshalb sie von ihrem Zusammenbruch betroffen sind.

43. Die Angriffe auf den Lebensstandard der deutschen ArbeiterInnen in den ersten Jahren des letzten Jahrzehnts durch das Programm von Lohnkürzungen, Teilzeit- und prekärer Arbeit etc. haben bisher dem deutschen Kapitalismus einen Konkurrenzvorteil bei den Exporten gegeben. Sowohl Europa als auch China boten die Hauptabsatzmärkte für diese, was in der Zukunft nicht notwendig die Situation sein wird. Eine Periode von konkurrierenden Abwertungen, die auf ein Auseinanderbrechen der Eurozone folgen würden, könnte eine verheerende Wirkung auf die deutsche Wirtschaft haben. Eine Schätzung folgerte, es könnte zum Verlust von mindestens einer Million Arbeitsplätze in Deutschland führen.

44. Angela Merkel drückt das Vertrauen der deutschen herrschenden Klasse aus, sitzt Europa als einem imitierten ‚Koloss’ auf dem Rücken, schwingt den großen Knüppel gegen mutmaßliche wirtschaftliche Sünder in ganz Europa, aber sie macht zu Hause nicht die gleiche Figur. Die Arbeitslosigkeit ist zurückgegangen, aber ihre Koalitionsregierung – mit den ehemaligen ‚Liberalen’ der FDP – ist nicht populär und könnte jeder Zeit zusammen brechen. Obendrein steht sie einer großen Opposition innerhalb ihrer eigenen Partei, den Christdemokraten, wegen Europa gegenüber. Manche Teile der Partei drohen mit Unterstützung von Elementen des Großkapitals sich abzuspalten und eine neue euroskeptische Partei zu bilden. Die Industrieproduktion hat in den letzten Monaten 2011 nach oben und unten geschwankt, was die Sorgen der weitsichtigeren Vertreter des deutschen Kapitalismus und Merkel selbst vor den Folgen der gegenwärtigen Welt- und europäischen wirtschaftlichen Todesspirale und besonders der Drohung einer sich vertiefenden Deflation verstärkt hat. Sie hat die Idee eines Mindestlohns lanciert, teilweise aus diesem Grund, aber auch, weil sie die Grundlage schaffen will, um möglicherweise die niedergehende FDP aus der Regierung zu kicken. Dies könnte wiederum den Weg bereiten für eine Große Koalition mit der SPD, aber es ist auch möglich, dass eine Spaltung in der Regierungskoalition vorgezogene Neuwahlen erzwingen wird.

45. DIE LINKE hat zwar Rückschläge bei Landtagswahlen erlitten und ihr Ergebnis bei bundesweiten Meinungsumfragen ist auf rund 8% gefallen, aber sie hat immer noch das Potential für Wachstum und kann als Sammelpunkt für linke Opposition dienen, besonders wenn die SPD wieder in der Bundesregierung ist. Wie manche anderen linken Parteien, zum Beispiel die IU in Spanien, hat sich DIE LINKE als Reaktion auf die Krise nach links bewegt. Sie nahm kürzlich ein linksreformistisches Programm an, das Offenheit für die Beteiligung an kapitalistischen Koalitionsregierungen verbindet mit Aufrufen zum ‚Systemwandel’ und Zusicherungen, dass „wir eine demokratisch-sozialistische Gesellschaft aufbauen” wollen. Die Verbindung davon, dass DIE LINKE die einzige Bundestagpartei ist, die die ‚Rettungspläne’ der EU-Führer ablehnt, mit der Rückkehr von Lafontaine geben der Partei eine weitere Gelegenheit, Unterstützung aufzubauen, aber ob sie in der Lage ist, diese weitere Gelegenheit zu nutzen, ist leider eine offene Frage.

Britannien

46. Der Beginn der Krise hat Britannien tief getroffen, besonders seit der Wahl der konservativ-liberaldemokratischen Koalitionsregierung letztes Jahr. Die katastrophalen Irrtümer der britischen herrschenden Klasse wurden entlarvt. Sie hat ihre industrielle Basis verkümmern lassen zugunsten von Investitionen in Finanzdienstleistungen, die wiederum zusammengebrochen sind. All die Fettschichten, die aufgebaut wurden, um den britischen Kapitalismus vor den wirtschaftlichen Stürmen zu polstern, wurden aufgefressen. Ihr Imperium ist gegangen und die Einnahmen aus dem Nordseeöl haben begonnen, auszugehen.

47. Beispiellose Kürzungen im Lebensstandard wurden eingeführt und weitere werden kommen. Die Regierung gibt zu, dass der Lebensstandard 2015 niedriger sein wird, als er 2002 war; die Gesellschaft wird 10 Jahre lang stillgestanden haben! Dies wird in die Geschichte als verlorenes Jahrzehnt eingehen, mit einer verlorenen Generation von einer Million junger Menschen und einer Million Frauen, die schon arbeitslos sind, weitere werden in die Sackgasse der Arbeitslosigkeit folgen.

48. Britannien steht vor einer Lage, vor der es seit 80 Jahren nicht stand. Die Kriegserklärung der konservativ-liberaldemokratisch Regierung gegen alle Rechte und Lebensbedingungen für die britische Arbeiterklasse – denn dies stellt es dar – ist die größte Herausforderung seit der Periode unmittelbar vor dem Generalstreik 1926. Dies erklärt die heftige Reaktion der Masse der arbeitenden Menschen, die sich in den riesigen Demonstrationen und Streiks 2011 widerspiegelte: am 26. März die größte spezifische Arbeiterklassen-Demonstration in der Geschichte; am 30. Juni ein teilweiser Streik im öffentlichen Dienst; und der Riesenstreik am 30. November.

49. Die offizielle Führung des Gewerkschaftsdachverbands (TUC) war gezwungen, zu gehen, wo sie nicht hingehen wollten, nämlich Aktionen gegen die Regierungspläne billigen. In diesen spielten unsere GenossInnen eine Schlüsselrolle, besonders wo wir beträchtlichen Einfluss auf die Linke in den Gewerkschaften haben. Vor allem der Kampf, an dem wir im National Shop Stewards Network (Nationales Vertrauensleute-Netzwerk, NSSN) teilnehmen, wo wir sowohl von unten als auch von oben innerhalb der Gewerkschaften mobilisieren, hat sich ausgezahlt und geholfen, diese Lage herbeizuführen. Unsere JugendgenossInnen haben auch eine heroische und energische Kampagne gegen Jugendarbeitslosigkeit geführt, einschließlich des neuen Jarrow-Marschs und auch bei den Krawallen in London etc. interveniert.

50. Die Lage in Britannien illustriert vieles: die Sackgasse des Kapitalismus und das Fehlen einer Alternative durch alle großen Parteien und Organisationen. Dies schließt die große Mehrheit der Gewerkschaftsführer ein, besonders die Rechten. Sie illustriert auch die Rolle, die von einer kleinen Organisation gespielt werden kann, die klare Perspektiven hat. Sie kann eine Wirkung haben, die viel größer als ihre Größe ist. Dies haben wir gegenwärtig in Britannien erreicht. Aber es ist nicht ausreichend, nur Einfluss aufzubauen, sondern ernsthafte Kräfte müssen in der Partei organisiert werden.

Die US-ArbeiterInnen beginnen sich zu wehren

51. Die Krise wird klar illustriert durch die Blockade in Europa zwischen den verschiedenen europäischen Mächten, welche wirtschaftliche Richtung man einschlagen soll. Die Kluft zwischen den verschiedenen Teilen der herrschenden Klasse und ihren vorgeblichen VertreterInnen in den USA ist womöglich noch tiefer, was sich nach Lage der Dinge in dem Patt zwischen Kongress und Obama über das Ausmaß der Kürzungen, die Frage von Gesundheit, Bildung etc. ausdrückt. Obama ist voll Angst, dass eine Vertiefung der europäischen Krise – die zu dem Zusammenbruch oder teilweisen Zusammenbruch des Bankensektors führt – weitere Auswirkungen auf die USA und die Welt hat. Dies könnte seine Hoffnungen für eine erfolgreiche Wiederwahlkampagne für die Präsidentschaft nächstes Jahr zerstören.

52. Aber die wirtschaftliche Katastrophe der USA heute alarmiert auch die Bürgerlichen anderer Länder wegen der immer noch zentralen Stellung der herrschenden Klasse der USA für den Weltkapitalismus. Der ‚Amerikanische Albtraum’ war die Schlagzeile eines Leitartikels im ‚Guardian’ am 28. November, der erklärte: „Die US-Wirtschaft ist jetzt fast dreimal so groß wie in den frühen 1970ern – und doch findet der typische Arbeiter kein 10-Cent-Stück von diesem umgestaltenden Wachstum auf seinem Gehaltszettel … In den 1960ern hätte man noch angenommen, dass so ein ständiger Krawall der Reichen zu einer Revolution führen würde.” Und der Boden für eine Revolution in der Einstellung der Arbeiterklasse wird durch die systematische und scheinbar nie endende Verschlechterung der Bedingungen von beträchtlichen Teilen der Massen bereitet. Die Arbeitslosigkeit steht offiziell bei 9%, aber ist in Wirklichkeit doppelt so hoch und mit einer ausgesprochenen Tendenz, dass Massen-Langzeitarbeitslosigkeit sich nach dem Vorbild der 1930er etabliert.

53. In mancher Hinsicht ist diese Krise schon schlimmer als in den 1930ern. Insgesamt erlebte dieses Jahrzehnt wirtschaftliche Stagnation und ‚Depression’. Aber in diesem Rahmen gab es eine Wachstumsperiode vom Juni 1934 bis 1937. Roosevelts Angriff auf die Renten von Veteranen des Ersten Weltkriegs 1937 drohte die US-Wirtschaft zurück in die Krise zu stoßen. Aber die USA wurden vor einer neuen und tieferen Krise durch den Beginn der Kriegsvorbereitungen gerettet, die Wachstum in den Rüstungsbranchen in andere Branchen durchsickern ließ. Ohne dies hätten die gesellschaftlichen Erschütterungen der 1930er in eine mächtige revolutionäre Bewegung mit der möglichen Errichtung einer unabhängigen Arbeitermassenpartei umkippen können. Doch die Geschichte nahm einen anderen Verlauf. Aber jetzt wird der Knoten der Geschichte neu geknüpft in dem betrieblichen und gesellschaftlichen Wiedererwachen der Masse der Arbeiterklasse in Amerika. Dieser Prozess wird gefördert durch die Angriffe, die aus dieser Krise entspringen, die auf die Köpfe der amerikanischen ArbeiterInnen herabregnen werden.

54. Obendrein werden die USA von einer tiefen politischen Krise geplagt. Täglich zeigen beide Häuser des US-Kongresses, wie funktionsgestört das politische System und wie veraltet die US-Verfassung ist. Diese im 18. Jahrhundert für eine kleine von Farmern dominierte Bevölkerung und für ein ‚Zweiparteiensystem‘ entworfene Verfassung ‚erfüllt ihren Zweck nicht mehr’. Das Zweiparteiensystem ist völlig veraltet und total unfähig, die wachsenden Klassengegensätze zu versöhnen, die es fast unregierbar machen. Das würde in jedem beliebigen Staat ein Problem darstellen, aber es könnte den mächtigsten in Todesgefahr bringen.

55. Die niederträchtigen ‚Sonderinteressen’ – mit mindestens 13.000 Lobbyisten, die den Kongress heimsuchen, 25 für jeden US-Kongressabgeordneten – des Großkapitals und seiner Kohorten beherrschen diese ‚Dollardemokratie’ wie nie zuvor in der Geschichte. Und zur gleichen Zeit haben sich mehr als 50% des Volkes – und diese Zahl könnte bei der nächsten US-Präsidentschaftswahl wachsen – von dieser Travestie der Demokratie gelöst, wo eine zunehmend verarmte Bevölkerung die Wahl hat, welche Bande von Millionären und Milliardären sie während der nächsten vier Jahre beherrschen und ausbeuten wird.

56. Kein US-Präsident wurde bei einem Niveau der Arbeitslosigkeit, wie es jetzt in den USA besteht, für eine zweite Amtszeit gewählt. Obamas Popularität ist als Ergebnis abgestürzt, eine Umfrage im Dezember gibt ihm eine Zustimmungsrate von – 24 Prozentpunkten! Dies würde ‚normalerweise’ die Niederlage des Amtsinhabers bei den Präsidentschaftswahlen anzeigen. Aber wenige US-Präsidenten, wenn überhaupt einer, standen einem so unglaublichen Phänomen wie der Tea Party mit ihren lächerlichen und durchgeknallten Ideen und Führung gegenüber. In wenigen anderen Ländern könnten potentielle Kandidaten mit dem durchkommen, was Perry, der Gouverneur von Texas, kürzlich versuchte. Bei einem Angriff auf Obama zitierte er ihn mit den angeblichen Worten, dass die Wirtschaft ‚nicht wichtig‘ sei. Aber Obama hatte, wie später gezeigt wurde, nie etwas Derartiges gesagt, sondern sein Gegner bei den letzte Präsidentschaftswahlen, John McCain, sagte so etwas. Aber als dies enthüllt wurde, kam keine Entschuldigung oder Widerruf von Perry.

57. Das allgemeine politische Niveau ist in den meisten Ländern zurückgeworfen worden. Und wenn man es den Medien überlässt, die selbst gegen ‚Liberale’ nach Strich und Faden lügen, wird das nicht sehr steigen, wenn überhaupt. Die USA begannen von einem sehr niedrigen Niveau und wegen dem Fehlen von auf Klassen gestützten Parteien ist das Niveau des politischen Verständnisses bei riesigen Schichten der Bevölkerung noch tiefer gesunken. Trotzdem kann sich unter dem Druck großer Ereignisse das politische Verständnis besonders der Arbeiterklasse sprunghaft entwickeln. Dies würde enorm erleichtert werden durch den Aufbau einer wirklichen ‚dritten Partei’ als eines radikalen Anziehungspols für die Massen.

58. Für die Tea Party ist Obama ohne Zweifel ein ‚Sozialist’! Er ist es sicher nicht, wie seine Handlungen gezeigt haben, als er vor dem Großkapital auf die Knie ging. Er ist auch bei den notwendigen Reformen im Gesundheitswesen zurückgerudert. Roosevelt drohte in den 1930ern auf eine Weise, die Jesus Christus zugeschrieben wird, ‚die Geldverleiher aus dem Tempel zu vertreiben’. Obama hat noch nicht einmal versucht, dem Großkapital die Fingernägel zu stutzen. Er zeigt immer mehr, dass er fest im Lager des Kapitalismus ist.

59. Auf der anderen Seite wurde der amerikanischen Arbeiterklasse während der vergangenen Periode eine sehr mächtige Lehre in den Realitäten des Kapitalismus gegeben. Sie haben die massenhaften Zwangsräumungen ihrer Wohnungen erlebt – über 2 Millionen Häuser wurden ‚zwangsvollstreckt’ – sie wurden aus den Arbeitsplätzen und Fabriken vertrieben, während die Reichen noch mehr Reichtum auftürmen. Sie haben die Versuche von rechten Gouverneuren von Staaten wie Ohio erlebt und zurückgeschlagen, Gewerkschaften und das Recht zur Organisierung im Öffentlichen Sektor zu verbieten. Dieser Versuch wurde durch eine erfolgreiche Gewerkschaftskampagne in einem Referendum zur Ablehnung dieses Vorschlags zerschlagen. Es ist nur ein Anzeichen für die steigende Militanz – die wachsende Klassenpolarisierung –, die gegenwärtig in den USA stattfindet. Es ist kein Zufall, dass die ‚Occupy’-Bewegung ein höheres Niveau der Beteiligung hatte als in den meisten Ländern in Europa und besonders die Hände zu den Gewerkschaften ausstreckte. Wegen dem niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad – gerade mal 12% der amerikanischen Beschäftigten sind in Gewerkschaften organisiert – zusammen mit der konservativen Funktionärsschicht, die große Teile der Gewerkschaftsbewegung beherrschen, hatte diese Bewegung einen größeren Entwicklungsraum. Deshalb warfen sich die Gewerkschaften – besonders die kämpferische Basis von vielen von ihnen – eifrig in die ‚Occupy’-Bewegung. Auf diese Weise kann die Stimmung in der ‚Occupy’-Bewegung in die Gewerkschaftsbewegung zurückwirken und sich als wichtiger Katalysator für Wandel erweisen.

Dilemma der Eurozone

60. Was Perspektiven für die Eurozone und das Schicksal des Euro betrifft, ist die Bourgeoisie selbst völlig ratlos und unfähig, mit vereinbarten Lösungen aufzuwarten. Mervyn King erklärte unverblümt auf die Frage, was wahrscheinlich in den nächsten paar Monaten passieren werde: „Ich könnte Ihnen nicht sagen, was wahrscheinlich morgen passiert, ganz zu schweigen, von in ein paar Monaten.“ Für uns ist es gleichermaßen sehr schwierig, den wahrscheinlichen Gang der Ereignisse präzise herauszuarbeiten, besonders den zeitlichen Rahmen, wie sich die ‚Staatsschulden’-Krise entfalten wird, besonders kurzfristig. Diese Frage wurde sorgfältig analysiert in dem Artikel, der auf unserer Website und in der theoretischen Zeitschrift der Sektion von England und Wales, Socialism Today (Sozialismus heute) erschien. Das Internationale Sekretariat stimmt der dort gemachten Analyse und den folgenden Schlussfolgerungen zu.

61. Der Artikel wies darauf hin, dass Merkel und die Bundesbank abgeblockt haben, dass die EZB umfangreiche Käufe von Staatsanleihen der Eurozone tätigt, die einzige unmittelbare Maßnahme, die möglicherweise kurzfristig die Staatsanleihen abstützen könnte. Und das trotz Appellen von Regierungen der Eurozone, einschließlich Sarkozy, dass die EZB interveniert. Gleichzeitig wurde der Europäische Finanzstabilitätsfonds (EFSF – der nur etwa 250 Milliarden Euro übrig hat) nicht zu einem wirksamen Instrument zur Intervention gemacht (es konnte keine zusätzlichen Mittel auf den Finanzmärkten aufbringen). Merkel hat bisher auch die Einführung gemeinsam gesicherter Eurobonds zur Sicherung der Position der schwächeren Eurozone-Länder abgelehnt.

62. Mit EZB-Intervention oder Eurobonds wären aus der Sicht von Merkel ‚verschwenderische’ Eurozonen-Regierungen bezüglicher weiterer Kürzungsmaßnahmen aus dem Schneider. Sie würden ‚moralischen Hasard’ bringen und ihnen erlauben, straflos weitere Schulden anfzuhäufen. Inzwischen geht der Angriff der Finanzmärkte auf die Staatanleihen der Eurozone weiter und bedroht selbst die französisch Staatsanleihen. Philip Stephens [Financial Times, 22. November] kommentierte: „Wenige bezweifeln Frau Merkels gute Absichten, aber viele sorgen sich, dass ihre Manie mit dem moralischen Hasard trotzdem der Tod der Währungsunion sein könnte.”

63. Aber es gibt auch Versuche von Deutschland und Frankreich, solche Maßnahmen durch die Hintertür vorzubereiten, indem sie den EZB- Staatsanleihen-Kauf ausweiten oder die zusätzliche Einführung des ESM auf 2012 vorverlegen. Die Krise stößt die deutsche und französische Bourgeoisien in immer neue Versuche, Europa zu zentralisieren und neue Rettungspakete für Banken und Staaten zu organisieren, die weiter gehen werden, bis sie sie sich weder finanziell noch politisch mehr leisten können. Dann werden die zentrifugalen Kräfte die Oberhand erlangen. Neue Kehrtwenden sind möglich und wahrscheinlich, sowohl hin zu mehr Zentralisation als auch in eine nationalistische Richtung.

64. Die großen Anleihehändler haben die Kosten der italienischen und spanischen Staatsschulden nach oben getrieben, und wenden sich jetzt gegen französische Staatsanleihen. Die Anleihen anderer Länder wie der Niederlande, Österreichs etc. wurden bedroht. Es gibt sogar den Beginn eines Ausverkaufs deutscher Anleihen, trotz der relativen Stärke der deutschen Wirtschaft. Dies spiegelt wachsende Ängste unter asiatischen Investoren vor einem völligen Zusammenbruch der Eurozone wider.

65. Merkels Reaktion war, ‚mehr Europa’ vorzuschlagen, anfänglich eine Straffung der Währungsunion der Eurozone. Dies wäre nach ihrem Plan ein weiterer kleiner Schritt hin zu einer Haushalts- und politischen Union. Sie schlägt ein strafferes Eurozonen-Regime vor, mit strengen Regeln bei Besteuerung und Ausgaben. Es würde die Schaffung eines neuen Gremium, eines ‚Europäischen Währungsfonds’ geben, der die Machtbefugnisse hätte, in die Haushalts- und Wirtschaftspolitik der nationalen Regierungen einzugreifen, sie zu überwachen und sie sogar zu übernehmen. Dann, so wird angedeutet, könnte es möglich sein, gemeinsam gesicherte Eurobonds einzuführen und andere Maßnahmen zur Unterstützung der Eurozonen-Regierungen anzuwenden. Dieser Plan zur Überwachung aller Haushalte der Eurozone wäre wirklich eine Rückkehr zum Stabilitätspakt, der in der Vergangenheit von Frankreich und Deutschland gebrochen wurde, aber jetzt ‚mit Steroiden’!

66. Merkel hat jedoch Vorschläge von Barroso, dem Präsident der Europäischen Kommission, nicht begrüßt, die Pläne für Eurobonds vorlegten. Die deutsche Version würde auf strengeren Bedingungen beruhen als die, die von der Kommission vorgeschlagen sind. Dies hat Ängste unter europäischen Führern ausgelöst, dass das neue Eurozonenregime praktisch deutsche Hegemonie bedeuten würde. Dies war besonders wahr nach den Kommentaren von Volker Kauder, Merkels Fraktionsvorsitzendem, beim letzten CDU-Parteitag, dass Europa „jetzt deutsch spricht”.

67. Die von Merkel gemachten Vorschläge würden eine Vertragsänderung erfordern. Obwohl die Änderung nur die 17 Eurozonen-Mitglieder betreffen würde, würde sie die Zustimmung aller 27 EU-Mitglieder erfordern. In einer Reihe von Ländern würde dies Volksabstimmungen erfordern. Bei ihrem Treffen mit Cameron, war Merkel anscheinend begierig, die Zustimmung der britischen Regierung zu bekommen. Als Gegenleistung für die Zustimmung der konservativ-liberaldemokratischen Regierung zu Vertragsänderungen (und laut manchen Berichten zur Verpflichtung, keine Volksabstimmung in Britannien auszurufen), würde Merkel weiteren Ausnahmen für Britannien bei der Sozial- und Arbeitsgesetzgebung zustimmen.

68. Wären die von Merkel vorgeschlagenen Maßnahmen genug, um den Euro zu retten? Das erste Problem ist Zeit. Es würde mindestens mehrere Monate, möglicherweise das ganze nächste Jahr brauchen, bis die Führer der Eurozone ein neues Rahmenwerk für die Eurozone entwerfen und ihm zustimmen. Aber dann gibt es das noch größere Problem, politische Akzeptanz in den Eurozonen-Ländern zu erlangen. Massenopposition wird zweifellos zunehmen, durch weitere Kürzungsmaßnahmen, einen Abschwung in der europäischen (und höchstwahrscheinlich globalen) Wirtschaft und den Umstand, dass Merkel und andere diese begrenzten Schritte mit der Idee der politischen Union verbinden.

69. Merkel wirft die Frage einer politischen Union als langfristiges Ziel auf, das schrittweise erreicht werden soll. Eine Haushaltsunion, mit einer zentralen politischen Infrastruktur – einem übernationalen Staatsapparat – ist die Logik einer gemeinsamen Währung. Die gegenwärtige Krise zeigt die Unmöglichkeit, eine reine Währungsunion ohne Haushalts- und wirtschaftliche Koordination aufrecht zu erhalten. Die reicheren kapitalistischen Staaten werden nie die schwächeren Volkswirtschaften stützen, ohne ein entscheidendes Wort bei ihrer Wirtschaftspolitik mitzureden. Um langfristig erfolgreich zu sein, würde die Währungsunion eine gemeinsame Haushaltspolitik erfordern, gemeinsame Staatsanleihen und Transferzahlungen aus den reicheren in ärmere Länder, um wachsende wirtschaftliche Ungleichgewichte und politische Spannungen zu vermeiden.

70. Dies beinhaltet einen europäischen Bundesstaat, ähnlich der föderalen Struktur der Vereinigten Staaten. Aber die US wurden während einer Periode von langfristigem Wachstum im 19. Jahrhundert gebildet. Der US-Kapitalismus wurde als Ergebnis des Bürgerkriegs gegen die Sklavenhalter der Südstaaten gefestigt, deren Grndlage Plantagen-Wirtschaft war. Der US-Kapitalismus konnte eine gemeinsame (oder zumindest vorherrschende) Sprache und Kultur entwickeln. Im Kontrast dazu besteht Europa (egal ob die 17 oder die 27) aus einer Ansammlung von Nationalstaaten mit ihren eigenen Sprachen, Geschichten und Nationalbewusstsein.

Griechische ArbeiterInnen kämpfen weiter

71. Aus diesen Gründen werden der Euro und die Eurozone – wie wir lange argumentierten – statt zu einem einigeren Europa zum Gegenteil führen: zu Spaltungen, Nationalismus und all den ‚Übeln’, die das Euro-Projekt, wie man uns sagte, für immer vertreiben werde. Der Euro selbst könnte durch einen entweder freiwilligen oder erzwungenen Austritt einer Reihe von Ländern – angefangen mit Griechenland – zusammenbrechen. Der Preis für den Verbleib im Euro ist ein ständiges brutales Kürzungspaket und zu guter letzt werden die Staatsschulden immer noch bei 120% des BIP sein! Aber dies ist schon das ‚inakzeptable’ gegenwärtige Niveau der italienischen Staatsschulden, die große Kürzungen erzwangen und den Fall von Berlusconi auslösten, der durch das Aufzwingen einer undemokratischen ‚technokratischen’ Regierung ersetzt wurde.

72. Dies bedeutet die Massenverarmung des griechischen Volkes für eine ganze historische Periode. ArbeiterInnen in anderen Ländern werden dasselbe Schicksal teilen, wie das Programm der britischen konservativ-liberaldemokratisch Regierung für Jahre der Entbehrung anzeigen. Das griechische Volk fürchtet gegenwärtig, dass ein Rausschmiss aus der Eurozone die Uhr zur wirtschaftlichen Rückständigkeit und Isolation der Vor-Euro-Periode zurückdrehen würde. Deshalb lehnten zu der Zeit von Papandreous vorgeschlagener, aber dann zurückgezogener Volksabstimmung 80% in Meinungsumfragen ein Verlassen des Euro ab. Dies könnte sich jedoch sehr schnell ändern und in einer Volksabstimmung über ‚drinnen oder draußen’ – die schnell drohen könnte, nicht nur in Griechenland, sondern auch in anderen europäischen Ländern – könnte ein Ausstieg aus der EU als die attraktivere Option als der Verbleib in der Kürzungs-Zwangsjacke erscheinen. Wir müssen jedoch betonen, dass, ‚drinnen oder draußen’ sich dieselben Probleme stellen werden und dieselben Angriffe auf den Lebensstandard gegen das griechische Volk losgetreten werden. Die Wiedereinführung der Drachme könnte zum Zusammenbruch der Banken im großen Stil und mit ihm der Zerstörung der Ersparnisse – à la Argentinien – und ebenso zu einer Abwertung der neuen Währung führen, die von einem großen Anstieg der Inflation begleitet wäre.

73. Wir müssen extrem flexibel sein bei der Weise, wie wir an die EU herangehen und an die Möglichkeit – vielleicht sogar Wahrscheinlichkeit – von Volksabstimmungen für oder gegen den Euro und die Eurozone, die sich sowohl in den 17 Ländern innerhalb der Eurozone als auch den zusätzlichen 10 Länder ‚außerhalb’ stellen könnte. Weil fortgesetzte Mitgliedschaft in der EU im Bewusstsein der Massen mit weiteren rücksichtslosen Kürzungen im Lebensstandard gleichgesetzt werden könnte, könnten in manchen Situationen die Arbeiterklasse und unsere Sektionen damit konfrontiert sein, für den Ausstieg aus der EU zu stimmen. In dieser Lage ist es entscheidend, dass wir eine Klassen- und internationalistische Position mit klarer Opposition gegen bürgerlichen Nationalismus vertreten, den wir bei allen Gelegenheiten ablehnen. Aber angesichts der bürokratischen zentralistischen Diktate der EU, kann sich ein legitimes Gefühl der nationalen Entrüstung entwickeln, wie es offensichtlich der Fall in Griechenland war und es sich in anderen Ländern entwickeln kann. Trotzki wies darauf hin, dass es die Arbeiterklasse und ihre Organisationen sind, die die wirklichen Vorkämpfer der ‚Nation’ sind, deren Mehrheit die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten sind.

74. Die Idee, dass die EU ‚fortschrittlich’ sei und unvermeidlich zu einem ‚vereinten Europa’ führen werde, wurde mit dem Beginn der wirtschaftlichen Krise erschüttert. Diese Idee, die nicht nur bürgerliche Liberale und prokapitalistisch Gewerkschaftsführer teilten, sondern sogar manche mit einer marxistischen oder sogar trotzkistischen Überzeugung, wurde massiv untergraben, wobei der neoliberale Charakter der EU – mit dem Aufzwingen von arbeiterfeindlichen Maßnahmen wie der Entsenderichtlinie, dem Öffnen der Tür für das Akzeptieren von Löhnen und Arbeitsbedingungen der neokolonialen Welt – klar geworden ist. Diese Sicht wurde verstärkt durch das, was besonders in den Ländern auf der Empfangsseite als faktische Kolonialmacht wahrgenommen wird, die ihren ‚Untertanen’ Elend und Diktate zufügt. Dies ist der Fall in Griechenland, wo EU-Beamte in den Büros der verschiedenen Ministerien installiert werden – oder zumindest zu handeln versuchen –, um so die Durchführung der Kürzungsprogramme sicher zu stellen. Dasselbe gilt für den faktischen ‚Putsch’ der sogenannten ‚unpolitischen’ Monti-Regierung in Italien, die auf die Vertreibung von Berlusconi von der Macht folgte. Denselben Prozess erlebte man in Griechenland mit der Ersetzung der Papandreou-Regierung durch eine ‚nationale’ Regierung unter der Führung des früheren EZB-Vizepräsidenten Papademos als ‚Schlichter’ zwischen Neuer Demokratie und Pasok.

75. Dies stellt eine neue Phase in Europa dar, die die Tiefe und Ernsthaftigkeit der Wirtschaftskrise widerspiegelt, die Schwere der Angriffe auf die Arbeiterklasse, ihren Widerstand dagegen und als Folge die Intensivierung des Klassenkampfs. Selbst in ‚normalen’ Perioden von ‚Gesellschaftsfrieden’ findet ein verschleierter Bürgerkrieg zwischen den kämpfenden Klassen statt. Dies hat jedoch in der vergangenen Periode eine direktere und offenere Form angenommen, wenn das Bürgertum in manchen Fällen zu brutalen Mitteln gegen die Rechte und Lebensbedingungen der Arbeiterklasse gegriffen hat, wie es in Griechenland klar der Fall ist. Die griechischen ArbeiterInnen leisten immer noch heftigen Widerstand, was sich in der Weigerung der ElektrizitätsarbeiterInnen widerspiegelt, die von der Regierung eingeführten Maßnahmen umzusetzen, die dazu führen würden, dass Wohnungseigentümern der Strom abgeschaltet würde, wenn sie nicht die neue Eigentumssteuer zahlen würden. Dies wird von einer Nichtzahlungs-Kampagne begleitet, an der unsere GenossInnen teilnehmen. Aber selbst in anderen Ländern, wo der Klassenkampf noch nicht dieses Niveau erreicht hat – in Irland, Britannien und anderen Ländern – wurde eine Art ‚einseitiger Bürgerkrieg’ losgetreten, dem noch nicht mit genügend entschlossenem Widerstand von den Gewerkschaftsführern begegnet wird. In der Tat haben die Kapitalisten in einer Reihe von Ländern die erste Runde des Kampfes gewonnen; in manchen Fällen – wie z.B. Griechenland – auch die zweite und dritte Runde. In Britannien wurden 300.000 Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor verloren, seit die konservativ-liberaldemokratische Regierung an die Macht kam und weitere 400.000 sollen gehen. Das Versprechen von Osborne und Cameron, dass Arbeitplätze im Privatsektor sie ersetzen würden wie der Phönix aus der Asche hat sich als völlig illusorisch erwiesen; es gibt jede Menge ‚Asche’ in den leeren Fabriken und einen massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit, aber kein Zeichen von einem Phönix, der nach China und in andere ‚Wachstumsgebiete‘ geflogen ist, um nie zurückzukehren!

Spanien und Portugal schauen über die Klippe

76. Mit der Ankunft von rechten Regierungen in Portugal und Spanien kann die Arbeiterklasse eine riesige Verschlechterung ihrer Stellung durch eine Vertiefung und Ausdehnung der Kürzungsmaßnahmen erwarten, die von der neuen rechten Regierung von Rajoy in Spanien und der im Juni gewählten portugiesischen Mitte-Rechts-Koalitionsregierung angekündigt wurden. Die portugiesische Wirtschaft schrumpfte vom Juli bis September 2011 das vierte Quartal in Folge, das schlimmste Ergebnis irgendeiner der 27 Nationen in der EU. Das Bruttoinlandsprodukt fiel 0,4% im dritten Quartal im Vergleich zu den drei vorangegangenen Quartalen und war 1,7% niedriger als im selben Zeitraum des letzten Jahrs. Und Steuererhöhungen sollen das Realeinkommen von ArbeiterInnen im öffentlichen Sektor und staatliche Pensionen um mehr als 20% im Vergleich zu 2010 senken. Bedeutsamerweise schlossen sich Soldaten und Polizisten, die Zivilkleidungen trugen, den massiven Demonstrationen und dem Generalstreik im November an, der das Land zu einem völligen Stillstand brachte.

77. Selbst der 87-jährige Mario Soares, der frühere Vorsitzende der Portugiesischen Sozialistischen Partei (PSP) und frühere Präsident von Portugal, war gezwungen, das Regierungsprogramm abzulehnen und den Generalstreik zu unterstützen! Was für eine Kehrtwende für Soares, der eine entscheidende Rolle spielte, die portugiesische Revolution in den frühen 1970ern zum Entgleisen zu bringen! Er diente als Verbindungsmann für die deutsche Sozialdemokratie – die wiederum mit der amerikanischen CIA verbunden war – beim Ermöglichen der Konterrevolution in einer ‚demokratischen’ Form in Portugal. Von diesem geretteten portugiesischen Kapitalismus hatte die ‚Times’ in einem verfrühten Nachruf erklärt, er sei nach den Ereignissen vom März 1975 tot. Leider schafften es Soares und seine Partei zusammen mit anderen Faktoren – und besonders bei dem Fehlen einer revolutionären Massenpartei –, ihn von den Toten auferstehen zu lassen, was in der Folge zu einem Zurückdrehen der Errungenschaften der Revolution und wiederum die Basis für den Albtraum legte, vor dem das portugiesische Volk heute steht.

78. Eines ist sicher: die Traditionen der portugiesischen Revolution, die 1974 begann, werden von der neuen Generation, die in den Kampf tritt, wieder entdeckt werden. Dieselbe Notwendigkeit einer anleitenden Massenorganisation der portugiesischen Massen bleibt heute so dringend, wie sie in der Periode nach dem Sturz von Caetano 1974 war. Die Portugiesische Kommunistische Partei hat zwar immer noch eine wichtige Präsenz in der Arbeiterklasse, hat es aber noch nicht geschafft, ihre stalinistischen Traditionen und Methoden der Vergangenheit loszuwerden und hat es nicht geschafft, die neue Generation mit einer wirklich marxistischen, demokratisch-revolutionären Politik und Organisation zu erreichen. Auf der anderen Seite stagniert der Linksblock, der bei seiner Gründung versprach, die Basis für einen neuen alternativen revolutionären Anziehungspol zu werden, wegen seinem uneinheitlichen Klassencharakter – er ist nicht fest in der Arbeiterklasse, besonders der industriellen Arbeiterklasse, verwurzelt und wendet sich auch nicht an sie. Er war auch opportunistisch in seiner Herangehensweise an die letzten Wahlen, als er den PSP-Präsidentschaftskandidaten unterstützte! Die kleinen Kräfte des Marxismus in Portugal müssen für ein wirkliches marxistisches Programm kämpfen, sich auf die neue Generation der Jugend und ArbeiterInnen stützen und das zugleich mit dem Kampf innerhalb der beiden großen linken Kräfte der KP und des Linksblocks verbinden.

79. Die fortgesetzte Wirtschaftskrise könnte auch die nationale Frage in Europa wieder auf die Tagesordnung bringen: zum Beispiel in Spanien und in Britannien – sowohl in Schottland als auch Wales. Selbst in Ländern, in denen die nationale Frage ‚gelöst’ schien oder in den Hintergrund gedrängt wurde, kann sie wieder erscheinen: in Belgien, in Italien (zum Beispiel im Norden und in Alto Adige/Südtirol), in Irland, Zypern etc. Das kann die Kämpfe der Arbeiterklasse verkomplizieren, wenn nicht eine klare Politik und Herangehensweise angenommen wird. Diese beinhaltet die Unterstützung für legitime nationale Bestrebungen, aber Opposition gegen bürgerlichen Nationalismus und das Streben nach der engsten Einheit der Arbeiterklasse in der Aktion durch vereinte Arbeiterorganisationen in Gewerkschaften und Parteien.

80. In Spanien wird die rechte Regierung unter dem heftigen Druck der EU, noch mehr zu kürzen, schnell handeln, um ‚Reformen’ einzuführen, in Wirklichkeit massive Konterreformen. Ein Kürzungsprogramm, geschätzt auf 16 Milliarden Euro, muss der spanischen Bevölkerung zugefügt werden, um die ‚Märkte’ – in Wirklichkeit eine Handvoll von Anleihengangstern – zu besänftigen. Rajoy, der Führer der Partido Popular (PP), gewann durch Nichterscheinen des Gegners (by default), wodurch er vielleicht eine später wirtschaftliche Zahlungsunfähigkeit (default) seiner Regierung vorwegnahm! Aber die Kapitalisten haben wenig Vertrauen, dass die rechte Regierung ihren Job macht. Der Wahlsieg der PP führte zu einem steilen Fall der Aktienkurse am Tag nach ihrer Wahl! Dies ist eine stillschweigende Anerkennung, dass die spanischen ArbeiterInnen und ihre Organisationen – trotz dem Bestehen von Massenarbeitslosigkeit – eine respekteinflößende Kraft sind, mit der man rechnen muss. Die Regierung von Zapatero versuchte in gewissem Maße eine volle Konfrontation mit der Arbeiterklasse zu begrenzen, wegen ihrer angeblich ‚sozialistischen’ Herkunft, obwohl sie sich in Wirklichkeit – wie die Indignados-Bewegung zeigte – so weit nach rechts bewegt hat, dass sie bloß als eine weitere kapitalistische Partei gesehen wurde.

81. Die spanischen Massen werden viel besser auf eine Konfrontation mit einer offen rechten Regierung der PP vorbereitet sein, vielleicht nach einer anfänglichen Pause, wenn sie ihre Kräfte und ihre Gedanken bündeln, um sich mit der neuen Regierung anzulegen. Eine lang gezogene Periode des Kampfes eröffnet sich in Spanien auf den gesellschaftlichen, betrieblichen und politischen Feldern. Die ‚indignados’-Bewegung, die in Spanien begann – offensichtlich angeregt durch den Tahrirplatz in Ägypten – nahm anfänglich die vielleicht ausgeprägteste ‚unpolitische’ Haltung von allen ein. Dies lag gerade an der völligen Enttäuschung, besonders der Jugend, über den politischen Niedergang aller Hauptparteien. Das schloss die Gewerkschaften und die Vereinigte Linke (IU) ein. Es stimmt, dass die IU ihre Vertretung in der Cortes vergrößerte und die Zahl ihrer Abgeordneten verdreifachte. Aber angesichts der Desillusionierung mit den kapitalistischen Parteien, besonders der ‚Sozialistischen’ Partei, und vor dem Hintergrund der verheerenden Wirtschaftskrise, hätte sie unermesslich besser abschneiden sollen. In Valencia – der drittgrößten Stadt in Spanien – zu Beispiel ist ein Viertel der Erwerbspersonen arbeitslos. Die PSOE erhielt die niedrigste Zahl von Sitzen – 110 – seit dem Ende des Franco-Regimes 1977.

82. Aber die politische Enthaltung der Jugend kann nicht aufrechterhalten werden angesichts der Ernsthaftigkeit der Krise, vor der Spanien steht, und der Dringlichkeit der Suche nach einer gangbaren Lösung. Die ‚Occupy’-Bewegung wird wegschmelzen, wenn sie nicht eine klare politische Richtung nimmt. Das CWI in Spanien muss, wie wir es bisher erfolgreich gemacht haben, auf den Kampf innerhalb der linken Organisationen, besonders der IU, für eine klare marxistische Politik des Kampfes eintreten, die die von der ‚Occupy’-Bewegung angezogene Jugend an sich ziehen und entlang klarer Klassenlinien politisieren kann. Dies muss verbunden werden mit dem Aufrichten eines klaren unabhängigen marxistischen Banners. Rajoy drückt den Bankrott des spanischen Kapitalismus aus und spricht für das System insgesamt in ganz Europa und der Welt, als er erklärte: „Es wird keine Wunder geben … Wir haben keine versprochen.”

Berlusconi geht, aber mehr Angriffe in Italien

Eine ähnliche Herangehensweise nehmen die Führer in anderen Ländern an, insbesondere die auf der ‚Linken’ wie Bersani von der Demokratischen Linken (PD) in Italien. Die PD – die Überbleibsel der einst mächtigen Kommunistischen Partei von Italien – machte bei der kapitalistischen Kampagne mit, die Monti an die Spitze der völlig undemokratischen ‚technokratischen’ Regierung hob, die den diskreditierten Berlusconi ersetzte. Tatsächlich hat ein ‚sanfter Putsch’ der Rechten stattgefunden, ohne ein Piepsen des Protests der ‚linken’ politischen Führer. Sie demonstrieren jetzt dieselbe Furcht davor, die Macht zu übernehmen, die Trotzki in Bezug auf den de-Man-Plan der belgischen Sozialdemokratie in den 1930ern ansprach. Die verheerende Krise – teilweise versteckt durch Berlusconis lange Periode an der Macht – ist jetzt klar sichtbar. Italien hat ein ‚verlorenes Jahrzehnt’ der wirtschaftlichen Stagnation erfahren, die Italien auf einen der untersten Plätzen der Weltrangliste des Wachstums gebracht hat. Laut IWF „haben nur Simbabwe, Haiti und Eritrea schlechter abgeschnitten”. Wie in anderen Ländern in Südeuropa mussten die jungen Menschen die Hauptlast tragen mit mindestens 30% Arbeitslosigkeit; viele von ihnen sind wegen der Wohnungskrise gezwungen, weiter bei ihren Eltern zu leben, bis sie in ihren Vierzigern sind. Unter dem ‚nationalen Schirm’ wird Montis Regierung – auf die die EU drängte – versuchen, alle vergangenen Errungenschaften der italienischen Arbeiterklasse anzugreifen, besonders die Renten, indem sie versucht, sie zu kürzen und das Renteneintrittsalter auf 67 zu erhöhen. Aber nicht umsonst warnte der Führer der Lega Nord, Bossi, Berlusconi vor seinem Abtritt, dass „die Leute uns töten werden“, wenn er die Renten anrühre! Dasselbe wird für die Monti-Regierung gelten oder jede Regierung, die sie ersetzt.

83. Es gibt ganze Familien in Italien – wie in anderen Ländern –, deren einzige Einkommensquelle die Rente ist, die ein verrenteter Familienangehöriger bezieht. Ein Angriff auf die Renten – der sicher von der Monti-Regierung kommen wird – ist daher in Italien ein viel direkterer Angriff auf ganze Familien als in anderen Ländern. Er wird sicher massivem Widerstand hervorrufen, ebenso wie die Erhöhung des Renteneintrittsalters: „Wie kann man am Fließband mit 67 in Rente gehen? Es ist physisch nicht möglich. Wir produzieren ein Auto in weniger als einer Minute”, kommentierte ein Autoarbeiter in einem Bericht in der ‚Financial Times’.

84. Daher ist die Erwartung, dass diese Regierung bis zu den für 2013 angesetzten Wahlen halten wird, ein Hirngespinst. Wenn die Monti-Regierung nach ‚links’ kippt – zum Beispiel durch die Einführung einer Reichtumssteuer, was sehr unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen ist – könnte sie von den rechten Parteien gestürzt werden, die immer noch die Mehrheit auf dem Papier haben. Aber die entscheidenden gesellschaftlichen Fragen werden nicht im Parlament entschieden. Die Fabriken und Arbeitsplätze und die ‚Straße’ werden jetzt entscheidend sein. Die Massendemonstrationen, das Singen von Hallelujahs in Rom, als Berlusconi verjagt wurde – mehr wie eine ‚Befreiung’ als der normale Regierungswechsel – die Sprechchöre, die heftige Reaktion der Studierenden in ganz Italien, ist die Kennmelodie dieser kommenden Periode.

85. Der Generalstreik, zu dem alle großen Gewerkschaften binnen Tagen nach der Ankündigung des neuen Kürzungspakets für den 12. Dezember aufriefen, ist ein Anzeichen für die Wut, die von unten explodierte. Er kündigt eine neue Periode des Klassenkampfs an, in dem sich die Überbleibsel der Rifondazione Comunista, die sich an ihre Unterstützung für die PD klammert, als unfähig ereisen werden, eine kämpferische Führung zu geben. Die Initiative eines gut bekannten Metallarbeiterführers, Giorgio Cremaschi, die Hunderte Linke unter dem Titel ‚Streicht die Schulden’ sammelte, wird auch in den großen Zusammenstößen zwischen den Klassen getestet werden.

86. Italien wird in der kommenden Periode die Neuentfachung seiner besten revolutionären Traditionen erleben. Die Idee einer ‚Arbeiterfront’ der besten radikalen KämferInnen der Arbeiterklasse und Jugend, die die Basis für den Wiederaufbau einer wirklichen Arbeiterpartei schaffen kann, entspricht den gegenwärtigen Bedürfnissen des Marxismus in Italien. Die Installation undemokratischer Regime in Italien und Griechenland wirft die Frage des Charakters und der Grenzen der Bürgerlichen Demokratie in der gegenwärtigen Periode auf.

Elemente des Bonapartismus

87. Eine Funktion der bürgerlichen Demokratie ist die Eindämmung der gesellschaftlichen Spannungen, die besonders in einer Krise durch die Überflutung der Ufer des ‚normalen’ und ‚friedlichen’ täglichen, parlamentarischen Kampfes steigen. Aber gesteigerte ‚Elektrizität’ – steigende Klassenspannungen – können so ein Niveau erreichen, dass die ‚Sicherungen durchbrennen’. Die Idee einer klassenübergreifenden Lösung der Krise wurde vom britischen Schatzkanzler (Finanzminister) George Osborne in dem Satz zusammengefasst: „Das stehen wir gemeinsam durch.“ Die Idee, dass der Klassenkampf weggezaubert wurde, überzeugt wenige in dieser Periode erhöhter Klassenspannungen. Warren Buffet, angeblich der reichste Mann der Welt, erklärte unverblümt: „Es gibt Klassenkrieg, in Ordnung, aber es ist meine Klasse, die reiche Klasse, die Krieg führt und wir gewinnen.“

88. Angesichts einer ernsthaften und sogar bedrohlichen Herausforderung, die einen immer offeneren Charakter annimmt – wie in Griechenland und anderswo –, können die Kapitalisten zu außerparlamentarischen Maßnahmen greifen. Es gibt ein Element des Bonapartismus selbst in den ‚demokratischsten’ oder ‘republikanischsten’ Ländern in den Machbefugnissen, die sehr oft ‚latent’ sind und ‚in Reserve’ gehalten werden, zu denen Regierungen bei ‚Notständen’ greifen können. Teil dieses Prozesses war eine steigende Tendenz, staatliche Unterdrückung anzuwenden. Die extreme Erscheinungsform außerparlamentarischer Maßnahmen, von Konterrevolution, ist natürlich der Faschismus. Die Bürgerlichen können in der modernen Ära nicht zum klassischen Faschismus von Hitler und Mussolini greifen. Das Kräfteverhältnis der Klassen – besonders mit dem überwiegenden gesellschaftlichen Gewicht der Arbeiterklasse, einschließlich seiner neueren Schichten, und auch die Radikalisierung des Kleinbürgertums oder von Teilen davon – schließt das aus.

89. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Bürgerlichen nicht versuchen werden, sich auf ‚autoritärere’ Maßnahmen zu zubewegen, die als ihr Ziel die Umgehung von demokratischer Kontrolle durch gewählte Gremien hat. Besonders wenn die Arbeiterklasse und ihre Organisationen eine Chance nach der anderen verpassen, der Lage ihren Stempel aufzudrücken, und das zu Massendesillusionierung führt, kann es in der Zukunft nicht ausgeschlossen werden, dass ein neuer ‚starker Mann’ aus dem Chaos mit all der damit verbundenen Barbarei entstehen kann – wie in Lateinamerika in den 1970ern. Aber bevor der Albtraum eine reale Form annimmt wird die Arbeiterklasse mehr als eine Gelegenheit haben, eine sozialistische Veränderung zu bewirken, besonders wenn der Marxismus die große Mehrheit gewinnen kann. Es ist klar, dass die Arbeiterklasse in Griechenland in den letzten zwei oder drei Jahren allein hätte die Macht übernehmen und eine sozialistische Veränderung bewirken können, wenn sie eine revolutionäre Massenpartei an ihrer Spitze gehabt hätte – unsere gegenwärtige Organisation organisiert auf einer Massenbasis.

90. Aber selbst in der gegenwärtigen Krise können die Kapitalisten zu Formen des Bonapartismus – besonders parlamentarischem Bonapartismus – greifen, wenn es ein politisches Patt gibt, wie es das in gewissem Ausmaß in Griechenland und Italien gibt. Obendrein können solche Maßnahmen auf europäischer Ebene ebenso wie in Nationalstaaten drohen; das bezeugt das Durchsichern von Irlands nächstem Haushalt im Bundestag, bevor der Dáil und das irische Volk über seinen Inhalt informiert wurden! Die ungewählte EU-Kommission – mit der Mittäterschaft von Merkel und Sarkozy – hat zu bonapartistischen Diktaten gegen ‚Übeltäter’-Länder gegriffen, die beim Schlucken der Kürzungsmedizin gezögert haben. Sie schlagen eine schärfere Version des ‚Stabilitätspakts’ vor, der in einer Periode des Booms nicht voll funktioniert hat und dessen Wirskamkei daher in einer Periode von ernsthafter wirtschaftlicher Krise noch unwahrscheinlicher ist. Sie drohen, ‚Bußgelder’ gegen Länder zu verhängen, die gegen Schuldengrenzen (als Prozentsatz des BIP) sündigen.

91. Aber in diesem Stadium ist das eine sehr schwache Form von parlamentarischem Bonapartismus. Obendrein kann es weggefegt werden, sobald sich die Lage, die zu ihm führte, ändert, besonders bei einem Aufschwung im Klassenkampf, der in einer Reihe von Ländern wahrscheinlich ist. Auch in Griechenland, wird angesichts der neuen bitteren Stimmung, die sich entwickelt hat, der Widerstand der Arbeiterklasse wieder aufgenommen werden, sobald die volle Wirkung der Kürzungsmaßnahmen zusätzlich zu den Qualen, die das griechische Volk in der vergangenen Periode erlitten hat, spürbar wird.

Die extreme Rechte

92. Die rechtsextremen Parteien und Organisationen in Europa besetzen weiterhin einen wichtigen Teil des politischen Vakuums, das es jetzt seit einiger Zeit gib. Tatsächlich haben sie in manchen Ländern die Position gestärkt, besonders auf der Wahlebene. Die rechtsextreme Front National, unter der Führung von Marine Le Pen, könnte bei den französischen Präsidentschaftswahlen nächstes Jahr eine große Wirkung haben und es ist nicht ausgeschlossen, dass sie Sarkozy im ersten Wahlgang schlagen könnte. In den Niederlanden stützt die Partei von Geert Wilders, die PVV, die Regierung. Wilders wird in den Umfragen als der zweitpopulärste Politiker im Land gesehen. In Österreich ist die rechtsextreme Freiheitliche Partei in den Umfragen gleich hinter oder gleichauf mit der regierenden Sozialdemokratischen Partei, während die andere rechtsextreme Partei, das BZÖ, bei 5% ist. Bei den russischen Wahlen bekam die rechtsnationalistische Liberaldemokratische Partei Russlands unter der Führung von Schirinowski 11,4% der Stimmen. Und es ist unheimverkündend, dass in Griechenland in Umfragen die nationalistische rechte Partei LAOS gegenwärtig bei 8% ist, während in Ungarn die bösartig antisemitische Jobbik-Partei eine beträchtliche Wählerbasis mit fast 17% der Stimmen bei den Wahlen von 2010 hat, was ihr 47 Sitze im Parlament gab. Ihre Stimmen haben sich seit den vergangenen Wahlen 2006 mehr als versiebenfacht. Es gibt wichtige, bösartige rechtsextreme Organisationen, die paramilitärische Flügel haben, aber zahlenmäßig schwächer sind, in Skandinavien, Deutschland, Italien, Britannien und anderswo. Der Schaden und das Leid, die sie völlig unschuldigen Menschen zufügen können, enthüllten sich in den norwegischen Massakern im Sommer durch den rassistischen rechten Irren Anders Breivik. Dem folgten die Enthüllungen in Deutschland über eine Zelle von Neonazis, die eine Serie von Morden über sieben Jahre durchgeführt hatten und doch nie von der Polizei entdeckt wurden!

93. Diesen Parteien und Organisationen muss man entgegentreten, wann immer sie ihre Köpfe heben, aber sie stellen noch keine feste Basis für rechte Reaktion dar. Im Streben nach Popularität und Akzeptanz bei Wahlen haben viele versucht, ihren offenen Rassismus, Antisemitismus, Antiislamismus etc. herunter zu spielen. Aber wenn der Arbeiterklasse keine klare Alternative präsentiert wird, keine Partei, die für sie kämpft, können diese Parteien wachsen. Sie können verstärkt werden durch eine weitere Vertiefung der Krise und ein sich daraus ergebendes Wachstum der Hilflosigkeit und Verzweiflung. Es ist dringend, dass wir, das CWI und die nationalen Sektionen der Internationale, weiterhin besondere Aufmerksamkeit den Rechtsextremen als Gegensatz zur Arbeiterbewegung widmen und wirksame Maßnahmen vorschlagen, um ihrem Einfluss entgegen zu treten und ihn zu untergraben.

Russland und Osteuropa schwer getroffen

94. Osteuropa und Russland wurden auch schwer von der Krise in der Eurozone getroffen. Die Tschechische Republik, Ungarn und Polen erlebten einen Absturz des Wechselkurses ihrer Währungen. Die tschechische Krone – die erst vor kurzem als ‚sicherer Hafen’ für die Region betrachtet wurde – ist gegenüber dem Euro gefallen. Obendrein ist die Tschechische Republik vielleicht am meisten ausgesetzt: 49% ihres BIP besteht aus Exporten in die Eurozone, während es bei Ungarn 44% des BIP sind, bei Bulgarien und Polen 20%! Russland auf der anderen Seite exportiert in die Eurozone im Wert von weniger als 10% des BIP, während die Türkei gerade mal gut 5% exportiert. Das glitzernde Versprechen von immerwährendem Aufstieg zu Reichtum und Wohlstand in Verbindung mit einer Rückkehr zum Kapitalismus und der Aussicht des Beitritts dieser Länder zu Europa wurde sehr untergraben. Aber trotz der Auflösung in der EU sind die herrschenden Klassen oder Kasten, die in Ländern wie Polen an der Macht sind, unverwüstlich hoffnungsvoll und klopfen immer noch an die Tür und fordern Eintritt. Aber wenn sich der Staub legt – wenn er sich überhaupt legt – am Ende des gegenwärtigen europäischen Kladderadatschs, könnte wenig übrig sein, wo man beitreten kann! Die stärkeren EU-Mächte wie Polen könnten sich als Folge in die Art von wirtschaftlicher Katastrophe zurückgestoßen finden, die Länder wie Lettland, Litauen und Estland in der vergangenen Periode zerstört hat.

95. Gleichzeitig blättert der Lack des Putin-Regimes ab, das vom Öleinkommen abhängig ist. Der Preis dieses Rohstoffs wurde von der Stagnation oder sogar dem weiteren Niedergang in der Weltwirtschaft getroffen. Gleichzeitig gibt es wachsende Unzufriedenheit, die sich teilweise im Ergebnis der gefälschten Parlamentswahl widerspiegelte. Putins Partei ‚Einiges Russland’ hat ihre Zweidrittelmehrheit verloren und etwas weniger als die Hälfte der Stimmen erhalten, ein Rückgang gegenüber 64%. Der Stimmenanteil der Kommunistischen Partei schoss von 11% auf fast 20% empor und sie scheint Stimmen von einer Schicht von Jugendlichen gewonnen zu haben. Mit der Illegalisierung und Einschüchterung der Opposition, die das Putin-Regime zu einer Kunst perfektioniert hat, kann die wirkliche Unzufriedenheit der Massen nur indirekt ausgedrückt werden. Aber die war spektakulär zu sehen, als Putin einen Kampfsport-Wettkampf besuchte – wo er nach eigener Aussage ein ‚Experte’ ist – und von der Menge rundweg ausgebuht wurde. Das schockte Putin sichtlich, was dann seine Schönredner veranlasste, eine Ausrede für das Buhen zu suchen; die Buhenden äußerten keine Opposition gegen Putin, sondern wollten nur auf die Toilette! Vermutlich forderten sie deshalb Putin auf, ‚sich zu verpissen’!

96. In Wirklichkeit sind es Zwischenfälle wie dieser, die den schwelenden Hass wachsender Teile der Massen gegen Putin – der in seinem eigenen abgeschotteten Kreis als der ‚Zar’ bezeichnet wird – und sein Regime anzeigen, das die Ressourcen von Russland zu Lasten des Volkes plündert: „Putinismus, die selektive Autokratie, die er geschaffen hat, ist ein gigantischer Straßenverkauf.” [David Hearst, ‚Guardian’ 30. November 2011.] Als er an die Macht kam, versprach er, die Macht der ‚Oligarchen’ zu beseitigen – sieben von ihnen kontrollieren den halben Reichtum Russlands – aber er hat praktisch eine neue Garnitur von Gangstern geschaffen, eigene Oligarchen, an Stelle der paar wie Chodorkowski, die ins Gefängnis kamen. Der jüngste Gerichtsprozess in London zwischen Beresowski und Abramowitsch hat in all seinen schmutzigen Details die skandalöse und schändliche wirtschaftliche Plünderung Russlands enthüllt, das Stehlen der vom russischen Volk aufgebauten Ressourcen durch Massenprivatisierung und ‚wilden Kapitalismus’. Es war wahrscheinlich der größte in der Menschheitsgeschichte begangene Raub. Diese zwei Oligarchen und ihre Taten, ihre Missetaten, lassen Chicagoer Gangster der 1930er wie Al Capone und Bugsy Siegel wie kleine Straßenräuber erscheinen.

97. Und es gibt ein wachsendes Bewusstsein darüber in der Bevölkerung, selbst unter den Teilen der Bevölkerung, jungen Menschen – die in den 1990ern die größten Illusionen in die Rückkehr von Russland und der früheren Sowjetunion zum Kapitalismus hatten. Aber die einzigen Regierungen, die sie erlebt haben, sind ein Gangsterregime des verfaulten und vorzeitig senilen russischen Kapitalismus nach dem anderen. Aber der ‚Guardian’-Artikel wies darauf hin: „Russen wollen immer noch das normale Leben leben, das sie mit Recht ersehnen. Viele haben das Warten aufgegeben. Eine private Umfrage unter 5.000 Studenten an der Moskauer Staatsuniversität fand, dass 80% vorhatten, das Land zu verlassen.” In der Größenordnung von 30 bis 40% der Gesamtbevölkerung würden auch gerne auswandern!

98. Hearst zeigte auch, dass es eine Flut von Kapital gibt, die Russland verlässt. Die ‚Stinkreichen’ haben ihren ‚Patriotismus’ gezeigt, indem sie dieses Jahr den Betrag der Kapitalflüsse aus dem Land von 34 Milliarden auf 70 Milliarden Dollar verdoppelten! Obendrein würde es dem russischen Volk nichts nutzen, wenn der Preis des Rohöls 125 Dollar pro Barrel erreichen würde, weil viermal so viel Geld in Prozent des BIP aus Russland herausgeht als reinkommt. Mit anderen Worten haben weder der dynamischste Teil der Bevölkerung, die jungen Menschen, noch die Kapitalisten und ihre internationalen Unterstützer Vertrauen in Putin oder das Regime, auf das er sich stützt. Die Bedingungen für eine Revolution, eine Explosion, werden daher in Russland vorbereitet: „Es ist klar, dass die Behörden sehr fürchten, dass sich eine Kairo-artige Situation entfaltet”, sagt Nikolai Petrow, ein Moskauer Analyst. [‚Financial Times’ 5. Dezember.]

99. Wie auch anderswo hat sich die unabhängige Macht der Arbeiterklasse bisher weder in mächtigen unabhängigen Gewerkschaften noch in der Schaffung einer Massenpartei der Arbeiterklasse ausgedrückt. Die Hauptopposition gegen Putin in dieser Phase ist um jene ‚Liberalen’, die gegen Putins ‚Günstlings-Kapitalismus’ kämpfen und einen ‚normaleren’ Kapitalismus errichten wollen, der fest auf der ‚Herrschaft des [kapitalistischen] Gesetzes’ beruht.

100. Wegen der Geschichte der Arbeiterbewegung in Russland werden sie, sobald sie in Aktion treten, die reichen revolutionären Traditionen der Vergangenheit wiederentdecken. Es ist die neue Generation – Studierende, die sich ernsthaft auf die Arbeiterbewegung und die Arbeiterklasse orientieren – ebenso wie junge ArbeiterInnen, die die notwendige Hefe für den Aufstieg der Arbeiterbewegung in Russland sein werden.

Schlussfolgerungen

101. Wir sind klar an einem Wendepunkt in der Weltgeschichte angekommen. Der völlige Bankrott des Kapitalismus ist klar vor den Augen der Welt. Die Bourgeoisie – zumindest ihre Vertreter – geben offen ihre Unfähigkeit zu, die Probleme der Menschheit zu lösen. Stückwerk-Lösungen, die alles sind, was sie bieten, sind nicht genug. Dies enthüllt sich in der Wirtschaft, auf gesellschaftlichem Feld, mit der zunehmenden Verarmung von wachsenden Teilen der arbeitenden Massen, und auch bei der Umwelt. Jede Vorspiegelung einer ‚grünen Agenda’ wird über Bord geworfen, während der Kapitalismus eine wirtschaftliche Rettungsleine zur Rettung des Systems zu erhaschen sucht. ‚Wachstum’ um jeden Preis – die ohnehin illusorisch bleiben wird – wird von der konservativ-liberaldemokratischen Regierung in Britannien verkündet, selbst wenn das zu einem Anstieg von schädlichen Emissionen führt. Gleichzeitig ist die Klimawandelkonferenz in Durban in Auflösung und könnte ohne auch nur eine minimale Vereinbarung auseinanderbrechen. Dies verstärkt unsere Behauptung, dass der Kapitalismus unfähig sein wird, die Welt vor einem katastrophalen und potentiell unumkehrbaren Schmelzen der Polkappen und der Umwelt insgesamt steht.

102. Die Klassenspaltung hat sich während der Krise enorm vertieft und dürfte sich weiter vertiefen. Aber die größte Kluft ist zwischen der objektiven Lage des versagenden und zerfallenden Kapitalismus und dem Bewusstsein der Massen. Dies ergibt sich aus einer Reihe von Quellen und unterscheidet sich von Kontinent zu Kontinent und zwischen Ländern auf demselben Kontinent. Teile der Arbeiterklasse – mit Erinnerungen an den kürzlichen Wohlstand – sind immer noch in einem Schockzustand wegen der Schwere und Länge der Krise. Sie werden mehr Zeit brauchen, um zu sehen, dass der Kapitalismus auf seinem Weg aus ihr ist auf der Grundlage der Untergrabung der Rechte und Lebensbedingungen von ihnen und ihren Familien. Viele hoffen wider alle Vernunft, dass die ‚guten Zeiten’ zurückkehren werden. Die meisten werden schwer enttäuscht sein, wenn sich dies nicht verwirklicht. Wir würden jedoch einen Fehler machen, wenn wir folgern, dass dies die Einstellung aller Teile, auch nur einer Mehrheit, der Arbeiterklasse sei. Die Ereignisse seit 2007-08 haben Spuren im Bewusstsein von riesigen Teilen der Arbeiterklasse und besonders der jungen Menschen hinterlassen. Aber wie wir mehrfach wiederholt haben, wissen die meisten dieser ArbeiterInnen, was sie nicht wollen, aber sie sind sich noch nicht über die Alternative klar. Aber Ereignisse und besonders große Ereignisse werden dies ändern und den Boden für weitere revolutionäre oder nahezu revolutionäre Explosionen bereiten, die zu molekularen Veränderungen im Bewusstsein der Arbeiterklasse führen werden. Neue politische Formationen der Arbeiterklasse, einschließlich Massenparteien, werden in dieser Periode entstehen und dies wird uns Möglichkeiten geben. Die Veränderung des Bewusstseins wird uns ermöglichen, die Besten für das Banner des Marxismus, das CWI zu gewinnen.