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Keine Räte
Er führt weiter aus: „Die Gewerkschaften arbeiten weniger wie eine unabhängige Arbeiterorganisation als vielmehr wie Delegiertenkomitees der Arbeiter, um sie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen zu vertreten und um die knappen Ressourcen gleichmäßig an die Arbeiter zu verteilen.“Zur Frage der Kontrolle über die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Fabriken meint Zeitlin: „Unterschiede zwischen der Partei, den Arbeiterkomitees, der Generalversammlung und den Gewerkschaften als das Instrument, was ihre Interessen vertreten soll, sind in den Köpfen [der Arbeiter] kaum vorhanden.“In Bezug auf die Gefahr der Bürokratie schreibt Zeitlin offen: „Es gibt die Möglichkeit, dass unter dem sozialen Druck von verfestigten Interessen, die durch Karrieristen, Bürokraten und politische Opportunisten entstehen können (Che nannte dies ‚Getreide, das auf dem gedüngten Boden der staatlichen Subventionen in die Höhe schießt’) und dadurch, dass einige Angehörige der alten Elite in die Verwaltung der Wirtschaft, die Regierungsgeschäfte und die Partei einbezogen wurden, der Schwung Richtung soziale Gleichheit, der zur Zeit deutlich zu erkennen ist, kaum merklich, sogar unbewusst, abgelenkt werden könnte.“
Er erklärt, dass Lenin und Trotzki dafür waren, dass die Arbeiter die Freiheit haben, sich zu organisieren, um ihre unmittelbaren Interessen zu verteidigen. Unabhängige Gewerkschaften sollten sowohl dazu dienen, einen gesunden Arbeiterstaat zu verteidigen als auch zur Verteidigung der Arbeiter gegen „ihren“ eigenen Staat. Am wichtigsten sind Zeitlins Kommentare über die Leitung von Gesellschaft und Wirtschaft : „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt spielen die Arbeiter, obwohl sie sich rege an der Diskussion und den Entscheidungen über die Umsetzung der Ziele des nationalen Plans für ihre Fabrik beteiligen, meines Erachtens nach keine Rolle dabei, den Plan selbst zu entwerfen. Sie haben keine Mitsprache über die Prioritätensetzung bei Investitionen. Die Entscheidung was und wie viel produziert wird, wird von den zentralen Planungsinstitutionen der revolutionären Regierung gefällt, die dem Ministerrat gegenüber verantwortlich sind.“
Er macht auch deutlich, das anders als in den Tagen der Revolution als „echte Differenzen zwischen führenden Regierungsleuten öffentlich diskutiert wurden, wenn auch in gedämpften Tönen“ 1969 so aussah, dass „es keine öffentliche Debatte gibt.“ Bezug auf die Escalante-Affäre Anfang 1968 (siehe dazu die Kuba-Broschüre im Anhang) bestätigt er eher meine Ansicht als die unkritische Meinung Lorimers darüber. Er über den Prozess gegen die sogenannte „Mikro-Fraktion“ Anibal Escalante, vormals Organisationssekretär der PSP, schreibt er: „Eine ganze Reihe der Anklagen der Regierung waren so vage, sie umfassten sogar Positionen aus der Zeit vor der Revolution, die im Widerspruch zur aktuellen Politik der revolutionären Regierung standen … Die Anklagen sind im Kern, dass Escalante und seine Genossen mit der Politik der revolutionären Regierung nicht übereinstimmen und versuchen, andere von ihren Ideen zu überzeugen. Sie wurden beschuldigt, in der Partei ‚ideologische Differenzen zu vertiefen’, obwohl sie ‚bei verschiedenen Gelegenheiten zur Diskussion gebeten wurden, ihre Ideen und ihre Haltung zu diskutieren, welche der Linie der Revolution widersprechen.’“
Seine Schlussfolgerungen: „Dieses Verfahren führte dazu, dass oppositionelle Ansichten selbst im Zentralkomitee und unter den meisten revolutionären Kadern nicht mehr geäußert wurden. Es ist ein Präzedenzfall für die Inhaftierung von Revolutionären, die von der Parteilinie abweichen … Sobald ‚Einstellungen, Ideen und Argumente‘ zur Inhaftierung führen können, existiert das Potential für die Unterdrückung aller widerstreitenden Ideen selbst der loyalsten Revolutionäre. Es ist gut aber nicht ausreichend wenn Fidel nach dem Prozess sagt ‚das revolutionäre Gericht war nicht so hart wie einige das gewünscht hatten, aber letztendlich war unnötige Härte noch nie ein Charakterzug der Revolution.“
Es steht außer Frage, dass in Russland vor der Revolution und der ersten Phase danach Sowjets existierten. Sie wurden durch den Bürgerkrieg geschwächt, in dem die Blüte des Proletariats aufmarschierte, um die Revolution gegen die bewaffneten Angriffe des Imperialismus zu verteidigen. Das Proletariat selbst wurde, wie Lenin erklärte, durch den Bürgerkrieg und den damit verbundenen extremen Entbehrungen nahezu atomisiert. Allerdings war es zu diesem Zeitpunkt noch immer gerechtfertigt, den Staat als relativ gesunden Arbeiterstaat zu beschreiben. Die Macht wurde durch die revolutionärste Partei der Geschichte ausgeübt, und, das mag hinzugefügt werden, durch die demokratischste Partei. Die Führer dieses Staates, namentlich Lenin, Trotzki und die Bolschewiki waren sich der Gefahren der Bürokratisierung bewusst, die durch die Isolation der Revolution entstanden. Sie ergriffen daher Maßnahmen, um diesen Prozess zu verhindern beziehungsweise zu bremsen. In Kuba gab es allerdings keine „Sowjets“ im marxistischen Sinn des Wortes. Außerdem hatten die Führer der Revolution kein ausgearbeitetes Programm und keine klare Perspektive und waren, wie wir gesehen haben, gezwungen, sich auf die Bürokratie der „Kommunistischen“ Partei und die Überbleibsel des alten Staatsapparates zu stützen. Daher war die Situation in Kuba anders als die in Russland zwischen 1917 und 1923.
Unser alter Bekannter Karol, der von Lorimer vollkommen außer acht gelassen wird, äußert sich zu den Fragen von Arbeiterdemokratie, Räten und dem Fehlen davon in Kuba traurigerweise wesentlich zutreffender als die Ex-Trotzkisten der DSP. Seine Kommentare über die Situation in Kuba zeugen von einem tieferen Verständnis der Frage des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus als es die DSP-Führung hat. Er macht die folgenden erhellenden Kommentare: „Fidel Castro wird immer wieder sagen: es ist fünf mal so schwer, ein Land nach der Revolution zu entwickeln als die Macht zu ergreifen. Er zögert nicht, diese These zu belegen, in dem er Beispiele von seinen eigenen praktischen Fehlern gibt, die durch seinen Mangel an Erfahrung gemacht wurden. Aber das ist nicht der Punkt. Der Grund, warum es fünf mal so schwierig ist, eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen als die Macht zu ergreifen, ist das Versagen, schon während des Kampfes eine sozialistische Perspektive zu entwickeln und die Kontrolle und Verwaltung der neuen Gesellschaft durch das Volk sicherzustellen. Der Sozialismus hat keine Möglichkeit zum Erfolg, solange nicht – mitten im Kampf, genau zum Zeitpunkt der sozialen Explosion – die Initiative ergriffen wird, die schwierige Frage des Verhältnisses zwischen den Massen und der politischen Führung zu lösen. Aber die Suche nach der Lösung dieses Problems war niemals Teil des castristischen Vorgehens. Tatsächlich, ohne Fidel wäre Kuba wie die Dominikanische Republik, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass Fidels Methode – vielleicht die einzig mögliche – die Ursache seiner größten Schwierigkeiten ist. Ein Volk, das sagt ‚Wenn Fidel Sozialist ist, sind wir es auch‘ ist nicht wirklich reif, eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen, ihm wurde lediglich zugestanden, die Aufgabe eines Auszubildenden auf dem Bau zu spielen.“
Wir lehnen Karols Vermutung ab, dass Fidels Methode „vielleicht die einzig mögliche“ ist. Aber der allgemeine Punkt über das Bewusstsein der Arbeiterklasse und den Sozialismus ist korrekt. Karol geht auf die Debatten innerhalb der Führung kurz nach dem Sieg ein: „In dieser ganzen Debatte gab es eine Lücke, welche Marxisten hätten schließen müssen. Weder Che noch seine Gegenspieler haben das Problem der politischen Machtausübung und der Organisation in all den Gesellschaften, in denen es zentralisierte oder reformistische Experimente der Planung und der wirtschaftlichen Verwaltung gegeben hat, wirklich verstanden. Die von beiden Seiten so eifrig zitierten ‚Klassiker‘ hatten Sozialismus niemals nur mit wirtschaftlicher Effizienz gleichgesetzt, soll heißen, mit einer Wirtschaft, die von einer kleinen Gruppe kontrolliert wird und die im Namen des Volkes entscheidet, was der beste Weg ist, Arbeit und Freizeit zu organisieren. Man kann bei Marx lange nach diesem Konzept permanenter Delegierung von politischer und wirtschaftlicher Autorität suchen, es bleibt vergebens. Im Gegenteil, für Marx war die gesamte Übergangsperiode zum Sozialismus und Kommunismus von der direkten Teilnahme aller Arbeiter bestimmt, die alle kommunalen Belange selbst entscheiden. Selbst für Lenin, den Schöpfer der Theorie der proletarischen Avantgarde-Partei, war die Rätemacht gegenüber der Elektrifizierung vorrangig.“
Zur Frage der „direkten Demokratie“, die von US-amerikanischen linken Intellektuellen
C. Wright Mills und Paul Baran in Kuba gesehen wurde, meint Karol: „Die Castristen haben niemals so getan, als sei die direkte Demokratie, die aus dem Dialog zwischen Fidel und der Basis bestand, ein Schritt Richtung wirklicher Arbeiterdemokratie. Sie waren weit davon entfernt, ‚ein System stärkerer organischer Beziehungen zwischen der rechtmäßigen Regierung und dem kubanischen Volk‘ aufzubauen und meinten, dass dieses System schon existierte, dass es 1959-60 plötzlich entstanden sei und seinen Wert immer wieder bewiesen habe.“
Seine Schlussfolgerung: „Der Aufbau des Sozialismus kann nicht die Angelegenheit eines Mannes oder einer Gruppe von Männern sein, wie gut ihre Absichten auch sein mögen. Wenn das sozialistische Schiff den Hafen sicher erreichen soll, muss jeder an die Ruder – ein paar Ruderer vorne reichen nicht aus. Das mag sich wie eine Parole anhören, aber sozialistische Demokratie ist kein Luxus, den sich die Leute leisten können, wenn alles andere erledigt ist. Solange nicht jeder sein volles Gewicht in die Waagschale wirft, sind die Führer nicht anders als die Arbeiter einer nicht auszuhaltenden Belastung ausgesetzt. Unter solchen Umständen spielt es keine große Rolle, dass die großen Opfer nicht mehr dazu da sind, eine kleine Minderheit von Privilegierten zu bereichern oder das die Führer integre Leute sind – und niemand kann bestreiten, dass die Castristen integer sind. Das Ergebnis ist Teilnahmelosigkeit und das Nachlassen politischen Interesses.“
Diese Zeilen sind vielleicht nicht besonders wissenschaftlich, aber sie drücken mehr Sinn für die Wirklichkeit Kubas damals und heute aus als die Ideen Lorimers. Bei unserer Schlussfolgerung, dass eine bürokratische Elite die kubanische Gesellschaft dominiert, stützen wir uns nicht nur auf diese oder jene Beobachtung von Kommentatoren, sondern auf die Analyse der Prozesse, welche sich mit großer Wahrscheinlichkeit nach einer isolierten Revolution entwickeln, wenn sie zudem noch in einem unterentwickelten Land wie Kuba stattgefunden hat. Wir stützen uns auf die Erfahrung der russischen Revolution und der folgenden Entwicklung, einschließlich der bürokratischen Entartung als Produkt der Isolation, wie wir oben ausgeführt haben. Es kommt Lorimer überhaupt nicht in den Sinn zu fragen, wie, angenommen 1959 bis 1960 wurde in Kuba ein relativ gesunder Arbeiterstaat aufgebaut, dieser sich 30 Jahre halten konnte? Wie konnte Kuba ein gesunder Arbeiterstaat bleiben, ohne die Revolution international auszudehnen, vor allem auf die industrialisierten Länder? Wie konnte Kuba der bürokratischen Degeneration entgehen, die in Russland nach 1923 erfolgte? Ist es wegen der revolutionären Standfestigkeit von Castro und seinem Anhang, einschließlich der kubanischen „Kommunistischen“ Partei? Das ist reiner Idealismus, welcher das große Erbe Trotzkis ignoriert, dass dieser uns durch die Analyse der objektiven Ursachen der bürokratischen Entartung der russischen Revolution hinterlassen hat.
An dieser Stelle möchten wir eine grobe Fehlinterpretation unserer Position durch berichtigen. Er beschuldigt uns zu sagen: „Castro ist der kubanische Stalin.“ Das macht er, obwohl er ein Zitat aus unserer Broschüre verwendet, welches belegt, dass wir nicht glauben, Castro gehöre in die gleiche Kategorie wie Stalin. Stalin war eine graue, mittelmäßige Figur und spielte keine bedeutende Rolle in der russischen Revolution. Er entwickelte sich zu einem Tyrannen und war der perfekte Führer der bürokratischen Konterrevolution, welche die bolschewistische Partei vernichtete und das bürokratische Regime errichtete. Castro war ein Revolutionär, allerdings ohne marxistisches Programm oder Analyse. Er bewies enorme Kampfbereitschaft und Improvisationsfähigkeit im Kampf gegen das Batista-Regime. Es ist ihm auch anzurechnen, dass er den großen Druck der Massen in der frühen Phase der Revolution, dem Kapitalismus zu brechen und eine geplante Wirtschaft aufzubauen, nachgegeben hat. Angesichts des Charakters der kubanischen Revolution und der Tatsache, Castro und die Bewegung des 26. Juli aus der stalinistischen Tradition kamen und auch wegen der eigenen kubanischen Traditionen konnte das Regime nicht von Anfang an eine Kopie der Regime in Osteuropa, Russland oder China sein. Die Lage in Kuba war viel stärker im Fluss. Wir haben in unserer Broschüre erklärt, dass es nicht nur eine massenhafte Unterstützung des Volkes für die Revolution gab, sondern auch Elemente von Arbeiterkontrolle in den Fabriken und auf den landwirtschaftlichen Gütern. Allerdings ist das nicht genug, damit wir von einem gesunden Arbeiterstaat reden können. Selbst in Jugoslawien unter Tito gab es Elemente von Arbeiterkontrolle in den Fabriken, als die Bürokratie versuchte, die Initiative der Massen zu nutzen, um die Planwirtschaft aus der Sackgasse zu holen, in welche die bürokratische Kaste, die Wirtschaft und Gesellschaft kontrollierte, sie geführt hatte. Wir zitieren wiederum Habel, die interessante Details zu dieser Frage beschreibt.
Sie schreibt über Kuba: „Ein derartiges hierarchisches Verständnis der Führung ist mehr oder weniger in allen Teilen der Gesellschaft zu finden, sogar soweit, dass man im Betrieb den Direktor oft el jefe (den Chef) nennt. Seine Privilegien und seine Macht gegenüber den ArbeiterInnen sind offensichtlich. 1983 kritisierte ein Gewerkschaftsaktivist, der Sekretär für soziale Angelegenheiten der Basisorganisation in der Leichtindustrie, der an den Sitzungen der consejos de trabajo (Arbeiterräte) teilgenommen hatte, das häufige Fernbleiben von bestimmten Führungsmitgliedern und forderte, dass die Arbeiterräte sich auch mit diesem Problem beschäftigen sollten. ‚Die Verwaltung verhält sich zögernd’, erklärte er. ‚Aber ich kann beweisen, dass bei 24 Zeitabrechnungsformularen in diesem Betrieb in 18 Fällen unberechtigtes Fehlen nachgewiesen wird. Doch die Verwaltung scheute vor einer Auseinandersetzung zurück. Ich habe es auf anderen Wegen versucht. Ich wandte mich an die Gewerkschaft, aber die Gewerkschaft hat mich nicht unterstützt. Es war für die Gewerkschaftsführer zu schwierig, Druck auszuüben, denn das würde heißen, dass sie sich mit den Chefs anlegen müssten. Diese Situation wurde nie gelöst. Der Arbeiterrat konnte nie etwas unternehmen.’“
Sie erklärt auch: „Die Arbeiterräte wurden 1965 eingerichtet, um in den Betrieben Probleme der Disziplin und der Übertretung von Arbeitsgesetzen zu regeln. Sie bestanden nur aus ArbeiterInnen. Nach dem Gesetz von 1965 mussten sie aus fünf Mitgliedern zusammengesetzt sein, die im Betrieb nach geheimer Abstimmung für einen Zeitraum von drei Jahren gewählt wurden. Ihre Aufgabe war es, Streitigkeiten zwischen ArbeiterInnen und Betriebsleitern in Fragen der Disziplin und der Rechte der ArbeiterInnen zu schlichten. Die behandelten Auseinandersetzungen betrafen vor allem Fernbleiben von der Arbeitsstelle, Zu-Spät-Kommen, Nichterfüllen von Arbeitsaufgaben, Nachlässigkeit, mangelnden Respekt gegenüber Vorgesetzten, körperliche Übergriffe, Beschädigung vor Werkzeug, Betrügereien und Diebstahl. Aber auch Löhne, Arbeitsbedingungen und Versetzungen gehörten zu ihrem Verantwortungsbereich.“
Sie weist auf Guevaras Rolle dabei hin: „Von Che initiiert, entwickelten sich diese Arbeiterräte in den ersten Jahren zu unabhängigen Einrichtungen, die von den ArbeiterInnen selbst gebildet wurden. Sie hatten eine wirkliche Kontrollgewalt, obwohl sie ihre Befugnisse wegen des allgemein niedrigen Bildungsstandes, der zu Beginn der Revolution herrschte, nur eingeschränkt wahrnehmen konnten. Gegenwärtig ist bezeichnend, dass der Mangel an Zeit zu den größten Schwierigkeiten der Arbeit der Arbeiterräte zählt. Die Zahl der Streitfälle nahm beträchtlich zu und die Arbeiterräte wurden kritisiert, weil sie nicht mehr in der Lage waren, sich mit allen Vorgängen zu befassen. Um daraus einen Ausweg zu finden, mussten die ArbeiterInnen ihre Aufgabe zusätzlich zu ihrer täglichen Arbeitszeit erledigen, was eine Tendenz zur Auflösung der Arbeiterräte zur Folge hatte. Die Verkürzung der Arbeitszeit hätte diese Schwierigkeit beheben können, doch jetzt steht die Intensivierung der Arbeit au der Tagesordnung.“
Entscheidungsprozesse
Über die entscheidende Frage der Verwaltung der Wirtschaft zitiert Habel Pisani: „Der Compañero Gada (der Betriebsdirektor) erklärt mit unendlicher Geduld die Grundsätze der sogenannten ‚Jojo-Wirtschaft’ die darin besteht, dass die Zahlen, Vorschläge oder Anträge ‚nach oben‘ an die Leitung des Plans weitergereicht werden und abgewartet wird, dass ‚von oben‘ die Antworten, Richtlinien und Anordnungen zurückkommen in einem endlosen Hin und Her zwischen Basis und Führung. Es ist außerordentlich schwierig, die Ebene zu ermitteln, auf der die Entscheidungen getroffen werden, obwohl die richtige Antwort fast immer darin besteht, ‚oben‘ zu sagen, aber ohne anzugeben, wo.“
Aus den anerkannten Werken wie „Cuba or the Pursuit of Freedom“ von Hugh Thomas oder Jon Lee Andersons „Che Guevara“ entsteht ein Bild über den Charakter der -Führung zu Beginn der Revolution. Es ist eine Führung, die von den Umständen getrieben wird, aber sehr mutig eine geplante Wirtschaft aufbaut. Allerdings ist die Macht nicht in Organisationen verankert, die von der Masse der Bevölkerung demokratisch kontrolliert werden. Die Macht war zu Beginn in den Händen von Castro, Guevara und der führenden Gruppe konzentriert. Entscheidungen wurden durch persönliches Eingreifen von Castro und anderen gefällt und nicht durch die Massenorganisationen. Über Castros Rolle schreibt Tad Szulc: „Seine Detailversessenheit und seine Überzeugung, dass er über alle Dinge besser Bescheid weiß als jeder andere, haben Castro zu einem Hindernis für die effiziente Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft gemacht … Dadurch ist eine Seilschaft von Bürokraten entstanden, die sich gegenseitig absichern. Ein bitterer Witz kursiert in Havanna, dass es am Ende doch ein Zwei-Parteien- System auf Kuba gäbe, bestehend aus der Kommunistischen Partei und der Bürokratischen Partei. Das Ausmaß der Verschwendung von Ressourcen und Talenten ist erschütternd.“
Später fügt er hinzu: „Seine Ungeduld führte dazu, dass er beständig zwischen kurz-, mittel- und langfristiger Planung hin- und herschwankte sowie zu einer endlosen Reihe von Improvisationen. Keiner Politik wurde genug Zeit gegeben, erfolgreich zu sein (oder ihr Scheitern zu beweisen), und politischer oder visionärer Druck brachten Castro dazu, bombastische Projekte zu starten, welche die Wirtschaft unmöglich bewältigen konnte.“
Habel schreibt: „Bereits 1970 prangerte ein kubanischer Intellektueller in aller Deutlichkeit die inzwischen noch größere Machtkonzentration in Fidel Castros Hand an. Er betonte vor allem die Notwendigkeit, die Bevölkerung und die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen an den Entscheidungen in Wirtschaft und Politik zu beteiligen, angesichts der Unmöglichkeit, die Partei einzig und allein aus ihrem Zentrum heraus zu führen. Damals schon äußerte er jedoch Zweifel: ‚Ich bin etwas pessimistisch in bezug auf die Möglichkeit, dass diese grundlegenden Änderungen eintreten werden, Gerne würde ich mich irren, aber Fidels eigene Worte machen seine Vorstellung deutlich, Veränderungen bei einzelnen Menschen herbeizuführen, einige untergeordnete Probleme zu lösen, die die Bevölkerung stören, und mit Hilfe von persönlichen Besuchen und Gesprächen an den Arbeitsplätzen mehr Popularität zu gewinnen. Wie Sie aber verstehen werden, kann dies nichts grundsätzlich verändern, und man darf nicht glauben, dass solche Maßnahmen zur Wiederbelebung der Wirtschaft führen könnten und in der Lage wären, das Vertrauen der Bevölkerung in die Führung wiederherzustellen.““
Pisani beschreibt den begrenzten Einfluss der Arbeiter bei Entscheidungsprozessen: „In einem kleinen Betrieb erschienen 75 ArbeiterInnen von insgesamt 300 zur Versammlung, Über einen selbstkritischen Bericht der Verantwortlichen sagte eine Aktivistin, es handle sich dabei um eine wohlbekannte Technik, die darin besteht, den zu erwartenden Vorwürfen bereits im Voraus den Wind aus den Segeln zu nehmen. Obwohl alle Themen aufgegriffen wurden, einschließlich der Ziele, die im Plan vorgesehen waren und nicht eingehalten wurden, war die Teilnahme von Jugendlichen nur gering, und Überdruss kommt zum Vorschein. Zwei Tage zuvor hatte eine Versammlung in der Produktion dieselben Fragen diskutiert, ein Arbeiter machte während der zweiten Versammlung die Situation treffend deutlich, als er erklärte: ‚Wir kennen die Schwierigkeiten. Jetzt wollen wir aber gerne wissen, wie sie zu lösen sind.’“
Habels Schlussfolgerung: „Dies ist eine gute Zusammenfassung der Hauptprobleme, die Kuba betreffen: Diskussion und kritische Äußerungen werden nicht behindert, aber diese ‚Daunenfeder-Demokratie‘ verleiht denjenigen, die sie ausüben, keine Macht.“
Es stimmt, dass diese Situation von der Masse der Bevölkerung in Kuba hingenommen, ja, gebilligt wurde, vor allem beim Aufbau des Gerüsts für die Planwirtschaft. Auf dieser Grundlage war Kuba in der Lage, bemerkenswerte Verbesserungen in den Bereichen Gesundheitswesen, Bildung und bei den sozialen Dienstleistungen einzuführen. Viele davon existieren heute noch und sind noch immer besser als die Bedingungen in den lateinamerikanischen Nachbarländern. Das waren wichtige Aspekte der kubanischen Revolution und des aus ihr hervorgegangenen Regimes, die einen Unterschied zu den stark bürokratisierten Regimes in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion darstellen. Das Regime war nicht einfach eine Kopie der stalinistischen Regimes in Osteuropa, Russland oder China. Es gab Elemente in Kuba, die dort nicht existierten. Es konnte auch gar nicht anders sein, betrachtet man die Merkmale der Revolution und die Art, wie der neue Staat entstand.
Marxisten müssen die Unterschiede zwischen verschiedenen Staaten wahrnehmen. Die anhaltende Beliebtheit von Castros Regime in der ersten Phase der Revolution offensichtlich. Aber es ist auch nötig, die fundamentalen Parallelen der Ökonomie und des staatlichen Aufbaus herauszuarbeiten, vor allem, als Castro gezwungen war, sich auf die russischen Stalinisten zu stützen. Angesichts der Blockade des USImperialismus wandte sich das kubanische Regime dem stalinistischen Russland zu. In der ersten Stufe der Revolution bekräftigte Castro seine Zustimmung zur USA und zu ausländischen Investitionen auf Kuba. Er bestand darauf, dass das Agrarreform-Gesetz nur brachliegende Ländereien betreffen würde. Er trat für mehr US-Tourismus ein und drückte die Hoffnung aus, dass die Vereinigten Staaten, der größte Abnehmer kubanischen Zuckers, die Zucker-Quote des Landes erhöhen würden. Er sagte auch, dass Kuba „den gegenseitigen Beistandspakt mit den USA ehren würde und weiterhin der US-Marine erlauben würde, die Basis in Guantanamo zu nutzen. Und obwohl es für manche in Havanna eine Überraschung sein mag, wandte er sich auch gegen den Kommunismus und sprach sich für eine freie Presse aus.“
Dies unterstreicht, wie banal und impressionistisch Lorimers Behauptung ist, Castro wäre vor der Revolution ein bewusster Marxist gewesen. Er tastete sich auf seinem Weg nach vorne, wie auch die russische Bürokratie. Um Castro zu radikalisieren, um seine gemäßigte Haltung, die er direkt nach der Revolution gezeigt hatte, zu überwinden, bedurfte es Ereignisse wie der Erpressung Kubas durch die USA, wie der Verhängung der Blockade. Und tatsächlich, wir werden nicht müde das zu sagen, er „unter dem Druck der Massen“ für Schritt die Enteignung des Großgrundbesitzes und des Kapitals auf Kuba. Das war für das kubanische Volk und die niedergedrückten Massen in Lateinamerika und der gesamten neo-kolonialen Welt ein gewaltiger Schritt vorwärts.
Allerdings hatte Chruschtschow, der Vertreter der russischen Bürokratie par excelllence, kein Interesse daran, dass sich wirklicher Sozialismus im Rest der Welt ausbreitet. Ein gesunder Arbeiterstaat auf der Grundlage einer Demokratie der arbeitenden Menschen war für die Bürokratie eine ebenso große Gefahr wie für den Weltimperialismus. Andererseits wären Regime nach dem ökonomischen und politischen Modell Russlands, eine geplante Wirtschaft ohne Arbeiterdemokratie, nicht nur kompatibel, sondern sogar nützlich bei den militärisch-diplomatischen Manövern gegen den US-Imperialismus.
Bei der Unterstützung des kubanischen Regimes ging es trotz aller Äußerungen Chruschtschows über die Unterstützung „sozialistischer Staaten“ um die Ausdehnung der Macht und die Verbesserung des Prestiges der stalinistischen Bürokratie Russlands im Weltmaßstab und nicht um die internationale Revolution. Das zeigte sich später anhand der kubanischen Raketenkrise, als Kuba im Schachspiel gegen den US-Imperialismus als Bauer eingesetzt wurde. Die USA hatte Abschussrampen für Nuklearraketen in der Türkei aufgestellt, Chruschtschows antwortete mit der Einrichtung von Basen auf Kuba. Natürlich wollte auch das kubanische Regime ein Schutzschild gegen die Angriffe des US-Imperialismus haben, aber das war für Chruschtschow zweitrangig. Seine Politik war bestimmt von den nationalen Interessen der stalinistischen Bürokratie und nicht von Sorge um die Arbeiter und Bauern auf Kuba und in ganz Lateinamerika.
Trotzkis Schriften über den Stalinismus sind sein wichtigster Beitrag, sogar bedeutender als seine Teilnahme and der russischen Revolution und helfen enorm, unser Verständnis der Prozesse von Revolution, sozialer Konterrevolution und der Welt, in der wir heute leben, zu vertiefen. Trotzkis „Sturz von der Macht“, der von oberflächlichen bürgerlichen Kommentatoren erstaunt zur Kenntnis genommen wurde, hat nichts mit seinen persönlichen Qualitäten oder dem Mangel davon zu tun, sondern ist das Ergebnis eines objektiven Prozesses, verursacht durch die Isolation der Revolution. Trotzki selbst hätte auf der Grundlage seiner enormen Autorität in der Roten Armee die Macht übernehmen und Stalin stürzen können. Aber wie er selbst bemerkte, hätte das lediglich dazu geführt, dass er zum Gefangenen einer militärischbürokratischen Kaste geworden wäre, die zumindest zu Anfang sogar Schlimmeres hätte anrichten können als die „zivile“ bürokratische Schicht, die Stalin unterstützte. Er berichtete auch, dass Krupskaya 1927 sagte, dass Lenin, würde er noch leben, wegen der bürokratischen Entartung im Gefängnis gelandet wäre. Der Prozess der Bürokratisierung ist, wie Trotzki erklärte, auf der Basis der Armut an kulturellen und wirtschaftlichen Ressourcen unvermeidlich. Russland hatte sogar die Ressourcen eines ganzen Kontinents zur Verfügung, sah sich jedoch der zwangsläufigen bürokratischen Entartung aufgrund seiner Isolation gegenüber. es in den Worten von Marx zu sagen: wo „die Not verallgemeinert ist, wird der alte Mist wieder hochkommen“. dabei ist, dass der Staat in einer Gesellschaft des Mangels und der Armut nicht nur weiter existieren, sondern sogar wachsen würde. Der Bürokrat, der notwendig ist, um die Verteilung der knappen Güter zu regeln und überwachen, würde dafür sorgen, dass er „als erster und am besten isst“. Die Isolation der russischen Revolution führte zur Entmutigung der Massen, dazu, dass sie beiseite gestoßen wurden und zum Aufstieg eines bürokratischen Funktionärskörpers. Am Anfang unterschied sich die materielle Situation der Funktionäre nicht wesentlich von jener der Massen. Aber Schritt für Schritt konzentrierten sich die Macht und die damit verbundenen Privilegien in den Händen dieser Schicht, durch Stalins Aufstieg verkörpert. Auf der Basis der Isolation der Revolution ist solch ein Prozess unvermeidlich. Die Ursprünge der kubanischen Revolution unterschieden sich von denen der russischen Revolution, aber der Prozess der bürokratischen Entartung weist die gleichen grundlegenden Charakterzüge auf.
Außenpolitik
Ein Großteil von Lorimers Kritik an unserer Position betrifft die internationalen Auswirkungen der Revolution und die Außenpolitik des kubanischen Staates. Die kubanische Revolution hatte weltweit große Auswirkungen, vor allem in den Ländern Lateinamerikas. Es gab enorme Sympathie und Unterstützung unter den Unterdrückten. Allerdings unterschieden sich die Auswirkungen von denen der russischen Revolution. Die Massen in Lateinamerika und in der gesamten neo-kolonialen Welt sympathisierten mit der Revolution, auch die politisch bewussteren Schichten in der Arbeiterbewegung der industrialisierten Länder. Aber im Fall der russischen Revolution hatte die Arbeiterklasse außerhalb Russlands verstanden, dass ihre Klasse an die Macht gekommen war, demokratische Räte und einen Staat geschaffen hatte, der zum ersten Mal in der Geschichte zur Herrschaft der Arbeiter geführt hatte. Es gab keine ähnliche Reaktion auf die kubanische Revolution – und es konnte sie auch nicht geben, wegen ihrer unterschiedlichen Klassenbasis.
Doug Lorimer reicht als Antwort seine Behauptung, dass die „Castro-Führung immer die Notwendigkeit der Mobilisierung der Arbeiter und Bauern betont hat“. Selbst in diesem Satz übernimmt die DSP die gleiche Betonung der Castro-Führung: „Die Bauern und die Arbeiter“. Anders als sowohl Castro als auch Guevara stellt Lorimer nicht die Frage, welche Klasse die zentrale Rolle spielte und welche sekundär war. Guevara ist in seinem Artikel „Kuba: Historische Ausnahme oder Avantgarde des antikolonialistischen Kampfes?“ deutlich. Er beschäftigt sich mit den Methoden, die in der Revolution in Lateinamerika allgemein angewandt werden sollten. Er schreibt: „Die Bauern Amerikas werden, indem sie sich auf die Ideologie der Arbeiterklasse stützen, deren große Denker die sozialen Gesetze entdeckten, welche uns beherrschen, zur großen Befreiungsarmee der Zukunft werden, wie es schon in Kuba geschehen ist.“ Aus dieser Zeit können Dutzende von Stellungnahmen von Guevara und Castro herangezogen werden, die beweisen, dass ihrer Ansicht nach die Revolution durch die Bauern siegen würde, die mit den Methoden des Guerilla-Krieges kämpfen. Karol schrieb 1970, dass Fidel Castro „mir immer wieder erzählt hat, dass die kubanische Revolution keine proletarische Revolution sei.“
Die Arbeiterklasse sollte die Rolle einer Hilfstruppe spielen, wie es in der kubanischen Revolution der Fall war. Castro und Guevara versuchten dies in Lateinamerika umzusetzen, indem sie in den 60ern eine Reihe von Guerilla-Organisationen und Guerilla-Foki (Brennpunkte) unterstützten. Das war für den gesamten Kontinent eine falsche Strategie, denn die Arbeiterklasse war dort die entscheidende revolutionäre Klasse, wie die Ereignisse in Argentinien, Brasilien, Brasilien, Chile und Uruguay und vielen anderen Ländern zeigten.
Eine korrekte Herangehensweise wäre gewesen, zur Revolution aufzurufen, die in den Städten zu mobilisieren, unterstützt durch „eine zweite Auflage des Bauernkrieges“, wie es Marx ausdrückte, eine Bewegung der armen Bauern auf dem Land. Das fand in der russischen Revolution statt, deren Lehren für die Befürworter des Guerilla-Krieges wie die DSP ein Buch mit sieben Siegeln sind. Damit die lateinamerikanische Arbeiterklasse von allgemeiner Unterstützung für die kubanische Revolution zur aktiven Nachahmung übergegangen wäre, wäre es nötig gewesen, dass in Kuba selbst sichtbar geworden wäre, dass die Arbeiterklasse die direkte Kontrolle und Verwaltung über Staat und Gesellschaft ausübt. Das war definitiv nicht der Fall, nicht einmal in der frühen Phase und später noch viel weniger. Richtig ist, dass die Führungen der stalinistischen „kommunistischen Parteien“ in Lateinamerika ein gewaltiges Hindernis für eine korrekte revolutionäre Politik darstellten. Trotz dieser Führung wäre ein klarer revolutionärer Appell eines demokratischen Arbeiterstaates, dem Weg der kubanischen Revolution zu folgen, bei der Masse der Arbeiterklasse und den armen Bauern auf fruchtbaren Boden gefallen. Anstatt den Aufbau von wirklichen revolutionären Parteien vorzubereiten, die sich zuallererst auf die städtischen Gebiete und die Arbeiterklasse stützen, wurde der auf die Bauernschaft gestützte Guerilla-Krieg zur bevorzugten Methode, das Beispiel der kubanischen Revolution zu verbreiten. Trotz der revolutionären Integrität Guevaras und seiner heldenhaften Anstrengungen, die Massen Lateinamerikas aufzurütteln, war dies eine falsche Strategie, welche Castro nach Ches Ermordung in Bolivien 1967 und dem Scheitern ähnlicher Guerilla-Bewegungen aufgeben musste.