„Wir brauchen unsere eigene Vetretung”
„Bei einer Wahl, die von karrieristischen Politikern dominiert wird, welche loyal sind gegenüber den Großkonzernen, kandidiere ich als Kandidatin der Socialist Alternative, um sicherzustellen, dass es wenigstens eine unabhängige, linke, arbeitnehmerfreundliche Kandidatin im Bundesstaat Washington gibt, die es wert ist, gewählt zu werden.“
von Kshama Sawant, „Socialist Alternative“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in den USA)
Ich trete gegen den Sprecher des Repräsentantenhauses von der „Demokratischen Partei“, Frank Chopp, der im 43. Distrikt von Seattle für das Repräsentantenhaus des Bundesstaates Washington kandidiert, an, um eine stärkere Bewegung aufzubauen, die für die Belange der normalen, arbeitenden und armen Menschen kämpft. Die „Demokratische“ und die „Republikanische Partei“ vertreten die Interessen des oberen einen Prozent, und ich meine, es ist essentiell, dass wir, die 99 Prozent, unsere eigene Vertretung haben.
Seitdem 2008 die „Große Rezession“ ausbrach, hat der Gesetzgeber im Bundesstaat Washington bei den grundlegenden öffentlichen Diensten, in der Bildung, bei der Gesundheitsversorgung und den Pflege- und Sozialdiensten 10,5 Milliarden US-Dollar an Kürzungen vorgenommen. Außerdem wurden Sozialleistungen und Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst gekürzt.
Das Gesundheitsprogramm des Bundesstaates wurde durch Streichungen bei den Zuschüssen um 1,7 Milliarden US-Dollar dezimiert. Dabei wurden 60.000 automatische Verlängerungsklauseln aufgehoben. Zu den weiteren Kürzungen gehört die Streichung von 2,7 Milliarden US-Dollar beim K-12 Bildungspaket („K-12“ steht für: „vom Kindergarten bis zur 12. Schulklasse“; Anm. d. Übers.), 1,7 Milliarden bei der bundesstaatlichen sowie der K-12-Arbeitnehmerabfindung, 1,3 Milliarden US-Dollar im Hochschulbereich, 551 Millionen bei den Leistungen für Menschen mit Behinderungen, im Bereich der Langzeitpflege sowie für Menschen mit psychischen Problemen und 730 Millionen US-Dollar bei anderen Pflege- und Sozialdiensten. Den Haushalt von 2011 kommentierend sagte Adam Glickman, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaftsgliederung „SEIU Healthcare 775NW“, gegenüber JournalistInnen, die Politiker „sollten sich schämen“ („WA State Budget and Policy Center“).
Diese brutalen Kürzungen wurden in Zeiten der historischen Wirtschaftskrise umgesetzt, da arbeitende Menschen und arme Leute diese Unterstützungsleistungen mehr denn je in Anspruch nehmen müssen.
Als Lehrerin für das Fach Wirtschaftslehre am „Seattle Central Community College“ und Aktive in der Ortsgruppe „Local 1789“ der „American Federation of Teachers“ (Lehrergewerkschaft; Anm. d. Übers.) weiß ich sehr genau, dass im öffentlichen Bildungssektor Wildwuchs herrscht. Initiativen zur Finanzierung kleinerer Klassen und gegen die Steigerung der Lebenshaltungskosten bei LehrerInnen sind gestrichen worden, und umgekehrt wurden die Schulgebühren in großem Umfang angehoben. Wegen der verheerenden Kürzungen, die bei den Unterstützungsprogrammen durch den Gesetzgeber auf den Weg gebracht wurden, ist es Jahr für Jahr für „einfache“ Leute immer schwieriger geworden, den Zugang zum College zu schaffen.
Diese Kürzungen wurden zum selben Zeitpunkt durchgeführt, da die von Washington unterstützten Unternehmen massive Profite einheimsen konnten, wobei ihnen die umfangreichen sogenannten Rettungspakete und die Subventionen behilflich waren, die von den arbeitenden Menschen und den Leuten aus der Mittelklasse über Steuern finanziert wurden.
Im Bundesstaat Washington sind einige der reichsten Konzerne des Landes beheimatet, darunter Boeing, Microsoft, Amazon und Starbucks. In den letzten drei Jahrzehnten profitierten sie von mehr als 500 Maßnahmen zur Steuerbefreiung für die Großkonzerne seitens des Gesetzgebers im Bundesstaat. Insgesamt geht es dabei um atemberaubende 6,5 Milliarden US-Dollar an ausgebliebenen Haushaltseinnahmen pro Jahr – das wäre genug, um sämtliche Kürzungen zurückzunehmen und unsere staatlichen Sicherungssysteme und Dienstleistungen unbehelligt zu lassen. („Washington State Budget & Policy Center“, 12/9/2010).
Dieselben politischen Parteien, die heute sagen, dass kein Geld für die grundlegenden sozialen Dienste vorhanden ist, bewilligten Boeing während der letzten Rezession Vergünstigungen in Höhe von 3,2 Milliarden US-Dollar. Und zur selben Zeit wurde es den SaisonarbeiterInnen weiter erschwert, Arbeitslosengeld beantragen zu können. 2011 ignorierte der Gesetzgeber im Bundesstaat vollkommen den Willen der WählerInnen, die die „Washington ballot initiative 1082“ ablehnten. Stattdessen fuhr man mit der unsozialen Politik fort und reduzierte den Anteil, den die Unternehmen zu zahlen haben, wenn ArbeiterInnen bei der Ausführung ihrer Tätigkeiten verletzt werden.
Mein Gegenkandidat von den „Demokraten“, Frank Chopp, wird versuchen, die „Republikaner“ für dieses Programm der Unternehmens-Subventionierung zur Vergrößerung des privaten Reichtums auf Kosten von Kürzungen für den Rest von uns verantwortlich zu machen. Allerdings ist dieses Argument alles andere als wasserdicht. Schließlich stellte die „Democratic Party“ in der gesamten betreffenden Zeitspanne die Regierung des Bundesstaats Washington und hatte sowohl die Mehrheit im Repräsentantenhaus als auch im Senat.
Tatsache ist, dass Chopp, der Sprecher des Repräsentantenhauses von den „Demokraten“ seit 2002, das mächtigste Mitglied dieses Gremiums des Bundesstaats Washington ist. Bisher hat er seine Position beständig dafür genutzt, die Gesetzgebung zu überwachen, die das reichste eine Prozent auf Kosten der 99 Prozent begünstigt hat.
Chopp hat, wie die Politiker der „Demokratischen Partei“ überall im Land, den Standpunkt eingenommen, dass Konzerninteressen abgesichert werden müssen und dass beim öffentlichen Dienst die einzige realistische Antwort auf Haushaltsdefizite zu finden ist. Ich meine, dass es absolut notwendig ist, dass wir diesen Trugschluss herausfordern und gegen die Agenda zu Gunsten der Selbstbedienungsmentalität der Konzerne ankämpfen müssen.
Wenn ich gewählt werde, werde ich öffentlich und schonungslos die korrupte und im Interesse der Konzerne gemachte Politik der Regierung des Bundesstaats aufdecken und im Gegensatz dazu den ArbeiterInnen, den jungen Leuten, den Armen und all jenen, die durch den Kapitalismus unterdrückt werden (z.B. Frauen, Farbige oder Menschen mit anderer sexueller Neigung), eine Stimme verleihen.
Als Aktivistin der „Besetzt die Wall Street“-Bewegung habe ich gesehen, wie sehr die Menschen schon bereit sind, gegen die Dominanz der Konzerne über unsere Gesellschaft in den USA anzukämpfen und gegen die beiden politischen Parteien, die im Interesse der Wall Street handeln, zu kämpfen.
Die Kämpfe der „Occupy“-Bewegung waren darin erfolgreich, die politische Agenda des Landes zu verändern – und das innerhalb von wenigen Monaten. Das zeigt die potentielle Macht, die „einfache“ arbeitende Menschen und junge Leute haben, wenn wir uns zu organisieren beginnen und gemeinsam für unsere gemeinsamen Interessen kämpfen. Die Geschichte zeigt, dass wir die Kraft haben, die Gesellschaft durch den Aufbau von Massenbewegungen zu ändern, wenn diese darauf vorbereitet sind, sich auf entschlossene Kämpfe einzulassen.
Der jetzige Wahlkampf wird eine Plattform sein, um Unterstützung für die Basisbewegungen der 99 Prozent aufzubauen und um an ArbeiterInnen und jungen Leute zu appellieren, sich an diesen Kampagnen zu beteiligen. Wir können unsere Ziele aber nicht nur über den Kampf auf der Straße erreichen. Wir müssen auch jede Gelegenheit nutzen, um die unternehmerfreundliche Agenda aufzudecken und herauszufordern. Die Wahlen sind eine dieser Gelegenheiten.
Während der Kämpfe der „Occupy“-Bewegung haben wir die brutale Härte der lokalen wie auch der bundesstaatlichen Polizei sowie der Sicherheitskräfte zu spüren bekommen. Dies geschah auf Geheiß der gewählten Politiker, die sich eigentlich für die Sicherheit der BürgerInnen und somit für alles einsetzen sollten, was gegen eine Politik im Sinne des viel zitierten „einen Prozent“ steht. Ich werde einfordern, dass es eine Untersuchung darüber gibt, inwieweit unsere bundesstaatliche aber auch lokale Regierung hinter den besagten Maßnahmen steht. Außerdem werde ich mich dafür einsetzen, dass es zu einer Gesetzgebung kommt, die es den Sicherheitskräfte verbietet, soziale Kämpfe anzugreifen – egal, ob es dabei um die „Occupy“-Bewegung, Kämpfe der Arbeiterbewegung, AktivistInnen aus den Wohnvierteln oder jene geht, die ihre Häuser vor Zwangsräumungen schützen wollen.
Hinzu kommt, dass wir nicht nur gegen die Ungleichheit protestieren und sagen müssen, wogegen wir sind, sondern dass wir sagen müssen, wofür wir sind. Dies muss geschehen, indem wir dem von den Konzernen dominierten politischen und wirtschaftlichen System eine klare Alternative entgegensetzen. Für 99 Prozent der Bevölkerung ist der Kapitalismus eindeutig gescheitert. Im Rahmen dieses verfaulten Systems können die Interessen der ArbeiterInnen und jungen Leute nicht befriedigt werden.
Als SozialistInnen sind wir der Überzeugung, dass eine andere Welt möglich – und nötig – ist. Eine Welt, die auf Grundlage der Bedürfnisse der Menschheit und der Umwelt basiert. Bitte unterstützen Sie und unterstützt ihr unseren Wahlkampf und macht mit beim Kampf für demokratischen Sozialismus!
Wofür wir stehen:
Auf Landes- und bundesstaatlicher Ebene brauchen wir ein umfassendes Programm für Arbeitsplätze, um einen Mindestlohn für jedeN sicherstellen zu können, die/der nach einer Erwerbstätigkeit sucht, um unsere Wirtschaft mit grüner Technologie wieder aufzubauen und für einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, des Bildungssektors, des Gesundheitswesens sowie angemessenen Wohnraum zu sorgen. Für die Schaffung einer staatlichen Bank in öffentlichem Eigentum, um im Bundesstaat Washington in Arbeitsplätze zu investieren.
Keine Kürzungen im sozialen Bereich! Keine Entlassungen oder Angriffe bei bzw. auf Beschäftigte(n) im öffentlichen Dienst! Rücknahme aller Haushaltskürzungen in der Bildung, bei der Gesundheitsfürsorge und der „Disability Lifeline“ (Projekt für behinderte Menschen; Anm. d. Übers.). Für den Aufbau einer mächtigen und gegen die Kürzungen gerichteten Bewegung, um den Gesetzgeber zwingen zu können, auf unsere Bedürfnisse zu achten und nicht auf die unternehmerfreundliche Agenda.
Steuern für die Reichen und die Konzerne! Für die Streichung von hunderten von Steuererleichterungen für die Großkonzerne und die Etablierung einer Wohlstandssteuer für die Super-Reichen. Für die Nutzung dieser Mehreinnahmen zum Ausbau des öffentlichen Sektors für die 99 Prozent.
Ausweitung der Finanzierung der öffentlichen Schulen vom Kindergarten bis zur 12. Klasse und die Etablierung einer kostenlosen öffentlichen Hochschulbildung. Für die Verkleinerung der Klassenstärken. Für ein Ende der Angriffe auf LehrerInnen und unsere Gewerkschaften. Nein zu den von den Unternehmen gestützten Vorschlägen für ein neues Schulentwicklungsprogramm, das den öffentlichen Bildungssektor weiter aushöhlen würde.
Stoppt alle Kürzungen bei der gesundheitlichen Grundversorgung und weitet dieses zu einem umfassenden, den ganzen Bundesstaat einbeziehenden System aus, in dem jedeR Zugang zu ärztlicher Versorgung hat.
Die Polizeiübergriffe und der institutionalisierte Rassismus dieses kriminellen Justizsystems müssen ein Ende haben. Für Investitionen in Rehabilitation, Ausbildung und Arbeitsplätze mit Mindestlohn und nicht in Gefängnissysteme oder Jugendstraflager! Schafft die Todesstrafe ab.
Völlige Legalisierung und gleiche Rechte für bzw. der EinwandererInnen ohne Papiere. Nein zu elektronischen Kontrollen.
Für das Recht der Frau, individuell zu entscheiden, ob sie Kinder will oder nicht. Verteidigt das Recht auf Abtreibung. Für das volle Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich der Fortpflanzung – einschließlich Familienplanung, Sexualerziehung, bezahlte Mutterschaft und Vaterschaftsurlaub sowie qualitativ hochwertiger und bezahlbarer Kinderversorgung.
Gleiche Rechte für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle – einschließlich der gleichgeschlechtlichen Ehe.
Für ein Ende des Afghanistan-Einsatzes. Holt alle SoldatInnen sofort nach Hause!
Brecht mit den zwei Parteien der Konzerne! Für eine Massenpartei der ArbeiterInnen, die die ArbeiterInnen, junge Leute und AktivistInnen der „Occupy“-Bewegung, in den Betrieben, aus der Bürgerrechtsbewegung, den Umwelt- und Antikriegskampagnen zusammen bringt, um für eine kämpfende politische Alternative zu den beiden Parteien der Konzerne zu sorgen.
Gewerkschaften, die „Occupy“-Bewegung und andere soziale Bewegungen sollten keine Spenden an die „Demokratische“ oder die „Republikanische Partei“ überweisen, sondern stattdessen unabhängige, linke und gegen die Unternehmen gerichtete KandidatInnen aufstellen.
Für die Überführung der bankrotten und gescheiterten Unternehmen in öffentliches Eigentum, die dann unter die Geschäftsführung durch gewählte VertreterInnen der Beschäftigten und der breiten Öffentlichkeit gestellt werden. Entschädigungen sollen nur auf Grundlage nachgewiesener Bedürftigkeit gezahlt werden und ausschließlich an Kleinunternehmer, nicht aber an Millionäre gehen.