Kampf für Gleichberechtigung ausweiten!
Am 9. Mai trat Präsident Obama vor die Kameras und äußerte sich positiv über das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe. Das ist ein historischer Sieg für die Homosexuellen-Bewegung. Es ist das erste Mal, dass ein Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika öffentlich seine Unterstützung für die gleichgeschlechtliche Ehe zwischen Lesben bzw. Schwulen erklärt hat und geschieht im Kontext einer Reihe von rechtlichen Erfolgen für die homosexuellen, bisexuellen, transgender und queeren Menschen (engl. Abkürzung: LGBTQ für lesbian, gay bisexual, transgender, queer).
von Ramy Khalil, „Socialist Alternative“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in den USA)
Jetzt, da Obama und andere führende Köpfe der „Democratic Party“ das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe offen begrüßen, wird es aus der Bevölkerung zunehmend Unterstützung für die Rechte der LGBTQ-Community geben. Trotzdem sollte das für die Aktiven-Bewegung nicht der Anlass sein, sich zurück zu lehnen. Wir sollten nicht auf die Politiker warten, dass sie auf Grundlage ihrer neuen Überzeugungen handeln. Stattdessen ist es entscheidend, dass die AktivistInnen den Moment nutzen, um den Kampf für die völlige Gleichberechtigung der LGBTQ-Community auf Bundes-, bundesstaatlicher und lokaler Ebene aufzunehmen. Wir müssen klar machen, dass Worte nicht ausreichen und unsere Forderungen für einen diesbezüglichen echten Politikwechsel deutlich machen, um die Gewalt und rechtliche Verfolgung, von der die Menschen der LGBTQ-Community weiterhin betroffen sind, zu beenden.
Die „Democratic Party“ und führende Vertreter ihr nahestehender Organisationen wie z.B. die „Human Rights Campaign“ und „MoveOn“ versuchen Obamas Wandel hinsichtlich seiner öffentlichen Position als wahrhaften Akt politischer Courage darzustellen. Es ist aber klar, dass es sich bei diesem Wandel um eine politisch durchschaubare Wendung handelt, um seinem eigenen Wahlkampf und dem der anderen Kandidaten der „Demokraten“ in diesem Jahr Schwung zu geben.
Schon zu anderen Zeiten ist es zu öffentlicher Unterstützung für die Gleichberechtigung der LGBTQ-Community gekommen. So offenbarte 2004 eine Umfrage des Meinungsforschungszentrum „PEW“, dass 60 Prozent der Befragten gegen die gleichgeschlechtliche Ehe sind. Diese Woche lag diese Zahl hingegen nur noch bei 43 Prozent. Äußerst wichtig ist das Ergebnis der Umfrage von „Gallup“ vom 3.- bis 6. Mai dieses Jahres. Sie zeigt, dass parteiunabhängige WechselwählerInnen mit einem Vorsprung von beachtlichen 17 Prozent die gleichgeschlechtliche Ehe eher bevorzugen.
Was den Kampf für die Gleichberechtigung der LGBT-Community angeht, so haben Obama und die Führung der „Democratic Party“ auf Veränderungen in der öffentlichen Meinung dazu eher reagiert statt sie zu bewirken. Im Gegenteil: Eine veränderte öffentliche Haltung zu dieser Frage ist in übermäßigem Maße das Ergebnis der Basisarbeit, des kämpferischen Aktivismus und des selbstbewussteren Auftretens der Leute aus der LGBTQ-Community in der Gesellschaft. In der Vergangenheit und oft auch heute noch wurden bzw. werden Leute aus LGBTQ-Community, die sich zu ihrer Sexualität bekennen, von ihren Familien verstoßen, im Betrieb entlassen, verhaftet, gemobbt, verprügelt und manchmal sogar ermordet. Trotz dieser harschen Verfolgung haben Millionen von Leuten aus der LGBTQ-Community sich über die herrschenden gesellschaftlichen Normen hinweggesetzt, gerade indem sie sich geoutet haben.
Überaus wichtig ist, dass die LGBTQ-Bewegung sich selbst auch politisch organisiert, öffentliche Veranstaltungen macht, Boykott-Aktionen und Proteste durchführt, um uneingeschränkte und umgehende Gleichberechtigung einzufordern. Im Oktober 2009 organisierten AktivistInnen beispielsweise einen „landesweiten Marsch für die Gleichberechtigung“ nach Washington. Dabei forderten sie das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe und die volle rechtliche Gleichberechtigung auf allen Ebenen. Das brachte damals 150.000 Menschen zusammen.
Für Millionen von „einfachen“ Leuten – ganz egal, ob homo- oder heterosexuell – ist seit Jahren – wenn nicht Jahrzehnten – klar, dass jedes Paar, dass heiraten will, dies unabhängig seiner sexuellen Vorlieben auch das Recht dazu haben sollte. Es hat aber bis heute, bis ins Jahr 2012, gedauert, dass die führende Politiker der „Democratic Party“ endlich sagen, dass sie für das gleiche Recht auf Ehe sind. Dabei ist die Mehrheit der US-AmerikanerInnen schon lange zu dieser Erkenntnis gekommen! Bis gestern unterstützte Präsident Obama noch die „eingetragene Partnerschaft“. Und viele Politiker der „Demokraten“ lehnen es weiterhin ab, sich positiv zum Recht auf gleichgeschlechtliche Eheschließung überhaupt zu äußern.
Beide politischen Parteien, „Demokraten“ und „Republikaner“, nutzen dieses Streitthema von verschiedenen Seiten aus für ihre eigenen Wahlziele. Während Politiker von „Republikanern“ und „Demokraten“ miteinander über die gleichgeschlechtliche Ehe und andere kulturelle Aspekte wie z.B. der Abtreibung oder der Einwanderung streiten, versuchen sie beide doch nur, die Wut der Arbeiterklasse von sich und ihrer unbeliebten Wirtschaftspolitik abzulenken. Nicht gesprochen werden soll beispielsweise über hohe Benzinpreise, Steuererleichterungen für Millionäre und Haushaltskürzungen bei sozialen Programmen.
Nein, Präsident Obama und die „Democratic Party“ haben keine führende Rolle gespielt. AktivistInnen der LGBTQ-Community haben diese übernommen, und Obama und die „Democratic Party“ sind aufgrund ihrer ganz eigenen und zynischen Interessen auf den Zug aufgesprungen.
Weitere Analysen und Artikel zu den historischen Hintergründen der LGBTQ-Bewegung und darüber, welche Rolle das Thema der gleichgeschlechtlichen Ehe bei den Wahlen 2012 spielt finden sich in der März/April-Ausgabe der „Justice“ (Zeitung der „Socialist Alternative“, der Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in den USA): Same-Sex Marriage Battles Heat Up in 2012.