Für den Verein und den Fußball – gegen Kommerz und abgehobene Fußballprofiteure
[Flugblatt der SAV Rostock]
Der FC Hansa kämpft ums Überleben und niemanden in Rostock lässt dieses
Thema kalt. Den tausenden Fans stehen jedoch auch diejenigen gegenüber,
die sich gegen jegliche staatliche Finanzhilfen aussprechen. Nicht nur,
weil das Interesse am Fußball fehlt, sondern auch, weil die Stadt
verschuldet ist und bei zentralen Dingen (Soziales, Kultur,
Breitensport) den Rotstift ansetzt. Die meisten, die sich als Fans von
Hansa verstehen, sind allerdings ganz anderer Meinung und auch die SAV
Rostock ist für Hilfen für den FCH – allerdings nicht bedingungslos.
Wem der Verein und der Fußball am Herzen liegt, der muss gerade jetzt
die wahren Ursachen des Desasters analysieren und sich für einen
radikalen Kurswechsel einsetzen.
Entwicklung im Profifußball
Es ist zu kurz gegriffen, die Misere beim FCH auf die letzten Jahre zu
begrenzen. Man muss die Entwicklung von Hansa im Zusammenhang mit der
Entwicklung im Profifußball im Allgemeinen sehen. Hier hat in den
letzten 20 Jahren eine gewaltige Kommerzialisierung stattgefunden. In
der 1.Bundesliga (und erst recht in anderen europäischen Ligen) werden
perverse Gehälter an Spieler, Vorstände, Manager und andere Nutznießer
dieses Systems bezahlt. Auch in der 2. und 3. Liga werden Summen
bezahlt, die jenseits von Gut und Böse sind. Firmenwerbung ist im
Stadion omnipräsent, Stadien werden nach Sponsoren benannt – so wurde
leider aus dem traditionellen Ostseestadion die DKB-Arena. Die neuen
Stadien haben deutlich weniger Stehplätze, die Ticketpreise sind
gestiegen. Selbst die unteren Amateurligen sind von diesem Virus
infiziert. Der Sport wird seiner Seele beraubt und zur Ware degradiert.
Ursache der Krise
Die Hansa – Führung hat in den letzten Jahren offensichtlich mit ihrem
Konzept Schiffbruch erlitten. Rostock als Stadt und
Mecklenburg-Vorpommern als Region sind wirtschaftlich zu schwach, um im
Wettbewerb um die besten Spieler mithalten zu können. Der Großteil jener
Fußballsöldner, die es an die Ostsee verschlug, hat sich nicht dadurch
ausgezeichnet, sich mit Leidenschaft für den Verein und seine Fans
einzusetzen. Nach dem Abstieg in die 3.Liga zerbricht die Mannschaft –
wie üblich. Die Spieler-Karawane zieht weiter zu anderen Vereinen, die
in einer höheren Klasse spielen. Neben der wirtschaftlichen Schwäche und
einer zu schwachen Mannschaft gibt es noch einen weiteren Punkt, der zur
Krise des Vereins gehört und der in den eigenen Reihen kritisch
diskutiert wird bzw werden muss. Eine kleine Minderheit von Leuten, die
sich zu Unrecht als Fans bezeichnen, haben immer wieder mit unsinnigen
Aktionen wirkliche Fußballanhänger in Gefahr gebracht und dem Verein
geschadet. Krawalle sowie rassistische Vorfälle sorgen dafür, dass
weniger Menschen ins Stadion gehen, dass der Rückhalt in der Bevölkerung
schwindet und der Verein immer wieder saftige Geldstrafen zahlen musste.
Dies hat zur Abwärtsspirale beigetragen. Klar ist: Die Mehrheit der
Hansa Fans lehnt dies ab. Wirksame Fan-Strategien gegen Rassismus und
Gewalt im Stadion müssen aber ebenso Teil des neuen Konzeptes sein, wie
die finanziellen Sicherheiten.
Retten – aber wie?
Die SAV Rostock ist grundsätzlich dafür, dass öffentliche Gelder zur
Rettung des FCH eingesetzt werden. Allerdings nicht, weil der Verein ein
„Wirtschaftsfaktor“, sondern weil er für Zehntausende Menschen ein
wichtiger Teil ihres Lebens ist. Den vorliegenden Anträgen des
Oberbürgermeisters können wir und unsere Abgeordnete jedoch nicht
zustimmen. Es kann nicht angehen, dass ein Blankoscheck vom „kleinen“
Steuerzahler (auch den Hansa Fans) ausgestellt wird, obwohl es kein
ernsthaftes Konzept für die nächsten Jahre gibt. Wir stehen nicht allein
mit der Warnung, dass es nicht lange dauern wird, bis der Verein wieder
in einer ähnlichen Situation ist, weil nichts darauf hindeutet, dass
sich etwas grundlegend ändern soll.
Es ist bezeichnend, dass in der momentanen Situation Unternehmer, Medien
und bürgerliche Politiker nach dem Staat rufen. Dieselben Leute, die –
wenn es gut läuft – gerne das freie Unternehmertum propagieren. In der
Stunde der Not rufen sie wie selbstverständlich nach dem Staat, der in
die Bresche springen soll, weil private „Investoren“, die es sich
leisten können, schlicht zu feige sind, ihr eigenes Geld einzusetzen.
Wieder einmal heißt es: „Gewinne werden privatisiert, Verluste
sozialisiert.“
Wir wollen den Verein unterstützen. Voraussetzung ist jedoch, dass die
Geschäftsbücher offengelegt werden müssen! Was ist den letzten Jahren
mit den Millioneneinnahmen geschehen? Wer trägt für was die
Verantwortung? Sollten die Verantwortlichen nicht auch zur Verantwortung
gezogen werden? Wir meinen Ja!
Radikaler Kurswechsel!
Dies ist der richtige Zeitpunkt um die Logik des Profisports grundlegend
in Frage zu stellen. Die Hansa – Führung stellt zu Recht heraus, dass
die Jugendarbeit des Vereins fast vergleichbar ist mit der der großen
Vereine. Dennoch spielten bislang nur wenige „Eigengewächse“ in der
Profimannschaft. Entweder wurden sie verkauft oder von den vermeintlich
besseren Spielern, die eingekauft wurden, verdrängt. Es ist an der Zeit
diesen Jugendlichen eine Chance zu geben! Es gibt im Fußballsport viele
Bespiele, die belegen, dass Motivation, Identifikation mit dem Verein
und das Wirken als Team, Berge versetzen kann. Wann, wenn nicht jetzt?!
Zudem: Wenn die Stadt Geld gibt, muss der Kommerzialisierung ein Riegel
vorgeschoben, abgehobene Funktionärs-oder Spielergehälter müssen
drastisch gesenkt werden. Statt plan-und regungslose
Aufsichtsratsmitglieder braucht der FCH wirklich demokratische
Entscheidungen über die Entwicklungen – getragen von Vertretern der
Fans, Spieler die sich mit dem Club identifizieren und Vertretern der
Bürgerschaft.
Zudem fordern wir eine Garantie gegen Kürzungen im Breitensport, Sozial-
und Kulturbereich der Stadt. Alle, die jetzt dem FCH mit viel Geld unter
die Arme greifen, müssen ebenso helfen, wenn es um kleinere Vereine und
Sportverbände oder Kultur und Soziales geht. Keine weiteren Kürzungen in
Rostock!
Klar ist, dass auch das Land sich an der Finanzierung beteiligen muss,
Hansa Fans gibt es schließlich in ganz Mecklenburg-Vorpommern.
Lasst uns also für Hansa Rostock einstehen und die Krise dafür nutzen,
den Verein im Sinne des Sports und seiner Anhänger umzukrempeln und
damit seine Zukunft langfristig zu sichern.