Grass" Gedicht „Was gesagt werden muss“ hat hohe Wellen geschlagen
Die Debatte um das Gedicht von Günter Grass mag bald verrauchen. Ein Großteil der Pressekommentare gehört in die Rubrik „journalistische Kriegsvorbereitung“ gegen den Iran. Auch weil die Kriegsvorbereitungen weiter gehen werden, ist eine Positionierung zu Israel nötig.
von Wolfram Klein, Plochingen bei Stuttgart
Grass’ Text hat eine wüste Medien- und Politikerhetze hervorgerufen. Die unkritische Unterstützung des bürgerlichen Staates Israel gehört für die kapitalistische Bundesrepublik zur eigenen „Staatsräson“. Er ist der wichtigste Verbündete des Imperialismus im ölreichen Nahen Osten. Zugleich können die deutschen Herrschenden durch Bekenntnisse zu Israel vorgaukeln, sie hätten aus den unsäglichen Verbrechen der Nazis die Konsequenzen gezogen.
Nein zur bürgerlichen Hetze gegen Grass!
Es war gut, dass sich große Teile der Linken und der Friedensbewegung mit Grass solidarisiert haben. Grass hat Recht mit seiner Warnung vor einem Krieg gegen den Iran. Auch sein Verweis auf die israelischen Atomwaffen und besonders sein Protest gegen die Lieferung von atomwaffentauglichen deutschen U-Booten nach Israel sind völlig berechtigt.
Leider hat Grass’ Gedicht der Hetze aber auch Angriffsflächen geboten wie die Aussage, dass das „behauptete Recht auf den Erstschlag“ das „iranische Volk auslöschen könnte“. Vorbereitet wird ein begrenzter Angriff mit konventionellen Waffen. Wenn Grass sagen wollte, dass ein solcher Angriff eine Eskalationsspirale in Gang setzen könnte, die schließlich bis zum Einsatz von Atomwaffen geht, dann hätte er das besser deutlicher formuliert.
Klassengesellschaft
Grass räumte nach seinem Gedicht ein, er hätte besser den pauschalen Begriff „Israel“ vermieden und deutlicher gemacht, dass er sich in erster Linie gegen die derzeitige israelische Regierung wende. Das ist begrüßenswert. MarxistInnen betonen immer, dass kapitalistische Länder Klassengesellschaften sind mit einer kleinen Minderheit von Ausbeutern und einer großen Mehrheit von Ausgebeuteten. Das gilt auch für Israel.
Es gab dort in den letzten Jahren heftige Klassenkämpfe: Streiks für bessere Löhne und gegen prekäre Beschäftigung, im letzten Jahr Proteste gegen hohe Preise und die Wohnungssituation. Die Bewegung der Platzbesetzungen im vergangenen Sommer führte zu Demonstrationen von Hunderttausenden. Teilweise bezogen sich die DemonstrantInnen ausdrücklich auf die arabischen Massenerhebungen gegen Mubarak & Co. Im Winter gab es eine Welle von Protesten gegen die Bestrebungen von jüdischen Fundamentalisten, dem Rest der Bevölkerung vorzuschreiben, wie sie zu leben haben.
Angesichts der immer konkreteren Kriegsvorbereitungen gegen den Iran gibt es nicht nur eine Diskussion innerhalb der israelischen Führung, ob und wie das durchführbar sei, sondern auch Proteste in der Bevölkerung dagegen, zum Beispiel eine Facebook-Kampagne („Iraner – wir lieben Euch. Wir werden nie Euer Land bombardieren“).
Gelten für Israel andere Maßstäbe?
Aus zwei Richtungen wird bestritten, dass Israel ein normales kapitalistisches Land ist. Die einen fordern vor dem Hintergrund der Judenvernichtung der Nazis Sonderrechte für den Staat Israel. Aber ein hochgerüsteter Staat Israel, der andere Länder klein hält, ist kein dauerhafter Schutz für JüdInnen.
Die anderen betrachten Israel als ein „künstliches Gebilde“. Aber in den Jahrzehnten seit der Gründung Israels hat sich eine eigene israelische Nation mit eigener Sprache, eigener Kultur und so weiter herausgebildet. Deshalb müssen MarxistInnen das Recht der Israelis auf Selbstbestimmung und damit auf einen eigenen Staat verteidigen.
Das bedeutet natürlich nicht, sich mit dem bestehenden Staat Israel zu solidarisieren, sondern mit den Menschen in Israel, die gegen Ausbeutung kämpfen. Deshalb betonen wir, dass eine Zwei-Staaten-Lösung im Kapitalismus nicht funktionieren wird und treten für ein unabhängiges sozialistisches Palästina neben einem sozialistischen Israel ein.