Vor Gericht zeigt der Angeklagte sich stolz, 77 Menschen ermordet zu haben
Anders Behring Breivik, der damit prahlte, im vergangenen Jahr dutzende Menschen getötet zu haben, legte jetzt dar, wie tief sein Hass gegenüber der Arbeiterbewegung und dem Islam sitzt. Seine Rede am zweiten Tag der Gerichtsverhandlung richtete sich erneut gegen „Kultur-Marxisten“ und ImmigrantInnen.
von Per-Åke Westerlund, „Rättvisepartiet Socialisterna“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Schweden)
Breivik wird beschuldigt, am 22. Juli 2011 in Oslo und auf der kleinen Insel Utøya 77 Morde und 42 Mordversuche begangen zu haben. Seine extrem grausamen und bis ins kleinste Detail geplanten Attacken waren politisch motiviert. Seine Taten sind der extreme Ausdruck von Vorstellungen, die unter Rechtsextremisten, Islam-Hasser und Rassisten üblich sind.
Das zeigte sich zuletzt, als Breivik im Zuge seinen eigenen Prozesses vor Gericht sprechen konnte. Er beschrieb sich selbst als einen „Patrioten“ und „militanten Nationalisten“.
Tags zuvor wurde vor Gericht eine Fotografie gezeigt, die Breivik zeigt, wie er mit einer Waffe posiert. Auf seiner Uniform prangte ein Emblem, das erklärt, er sei „zertifizierter Jäger“ von Marxisten und multikulturellen Verrätern.
Breivik meint, dass Norwegen nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer „kultur-marxistischen Diktatur“ geworden ist. Die sozialdemokratische „Arbeitspartei“ hat demnach „feministische Quotenregeln und die sexuelle Revolution eingeführt, um nur einige Beispiele zu nennen. Eine sozialistisch-gleichmacherische Gesellschaft wurde errichtet.“
Bilanz: 77 Tote und 42 Mordversuche
Am Freitag, dem 22. Juli, ließ Anders Behring Breivik eine 950 Kilo-Autobombe vor dem Regierungsgebäude Høyblokka in Oslo detonieren. Acht Menschen wurden dabei sofort getötet und zweihundert erlitten Verletzungen. Neun Opfer wurden schwer verletzt.
Weil es ein Freitagnachmittag und im Sommer war, waren weit weniger Menschen an diesem Ort als sonst üblich.
Danach fuhr Breivik zum Sommerlager der sozialdemokratischen Jugendorganisation AUF auf der Insel Utøya, wo er neunundsechzig Menschen umbrachte.
Auf rassistische Art und Weise legte Breivik dar: „Norwegen ist in einen multikulturellen Staat verwandelt worden und hat so viele Einwanderer aufgenommen, dass wir Gefahr laufen zur Minderheit im eigenen Land zu werden“. Vor allem die Muslima und Moslems hob er dabei hervor. Breivik titulierte sie als gewalttätig und sagte, dass sie gestoppt werden müssten.
Seine Argumente sind dabei sehr nah an denen der „Schweden-Demokraten“, eine rassistische Partei im schwedischen Parlament. Kent Ekeroth, einer ihrer Abgeordneten, warnte vor Jahren vor einer „Islamisierung“ Schwedens. Am 11. April dieses Jahres kommentierte er zustimmend einen anderen Autoren, der vor „einem Wandel im Gleichgewicht in der schwedischen Bevölkerung zugunsten von Einwanderern aus weit entfernten Ländern“ warnte.
Breivik lobte auch rechtsgerichtete Politiker in Europa wie z.B. Sarkozy in Frankreich, Merkel in Deutschland und Cameron in Großbritannien für ihre Aussagen, dass eine multikulturelle Gesellschaft nicht funktioniert.
Die Verantwortung für die „Masseneinwanderung“ seien Breivik zufolge demnach die Sozialdemokraten. Das von ihm angerichtete Massaker beim Sommercamp der sozialdemokratischen Jugendorganisation AUF in Utøya beschrieb er als Teil eines vorbeugenden Krieges. „AUF ist der Hitler-Jugend sehr ähnlich“, sagte er während der Verhandlung.
Er bezog sich positiv auf den sogenannten „Laser Man 2“, der in der schwedischen Stadt Malmö auf 12 EinwanderInnen geschossen hatte und dabei drei von ihnen ums Leben brachte. Er sagte dazu: Es ist „wichtig, dass mehr Patrioten in Skandinavien und Europa Verantwortung übernehmen, wie ich es getan habe und wie Peter Mang es in Malmö getan hat“.
Die rechtsextremistisch-terroristischen Anschläge haben in Norwegen dazu geführt, dass es – vor allem unter jungen Leuten – zu einer starken antirassistischen Grundstimmung gekommen ist. Die rassistische „Fortschrittspartei“ (FrP) hat bei den Kommunalwahlen vom September schwere Verluste erlitten. Allerdings hat sich wie bei allen anderen Sozialdemokraten in Europa die Abbau- und Privatisierungspolitik der „Arbeitspartei“ nicht verändert. Die Gleichheit und fortschrittliche Reformen, die Breivik und andere, die seine Ansichten teilen, so aufregen, wurden und werden rückgängig gemacht. Neben anderen Maßnahmen plant die von der sozialdemokratischen „Arbeitspartei“ geführte Regierung die Massen-Abschiebung von Flüchtlingen nach Äthiopien, wo eine Diktatur regiert.
Für viele Jugendliche, Anti-RassistInnen und Arbeiter in Norwegen lautet die Frage: Wie können Rassismus und Rechtsextremismus gestoppt werden? Rassisten nutzen die wachsende Unsicherheit und Unzufriedenheit in der Gesellschaft aus, die daher rühren, dass die Arbeitsplätze zunehmend unsicherer werden, der Druck am Arbeitsplatz zunimmt, Abbau stattfindet usw. Deshalb ist ein gemeinsamer Kampf nötig, um gegen diese Entwicklungen vorzugehen. Hinzu kommt, dass ein Kampf gegen die rassistischen Versuche geführt werden muss, die ArbeiterInnen und jungen Leute zu spalten. Anti-Rassismus muss daher einhergehen mit dem Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit am Arbeitsplatz, auf dem Wohnungsmarkt, in der Bildung und bei der Gesundheit. Wir brauchen Frauen-Rechte, Gleichheit und alles, was dieser Breivik „hasst“.
Breivik war in rassistischer Partei aktiv
Anders Breivik Behring war seit 1997 Mitglied der Jugendorganisation der FrP und von 1999 bis 2006 in der FrP selbst. Er hatte auf lokaler Ebene von 2001 bis 2004 einige Funktionen in der Partei und war bei den Kommunalwahlen als Kandidat in Oslo aufgestellt.
2006 trat er den Freimaurern bei und drei Jahre später hatte er bereits den dritten Grad der Freimaurer inne.
Er beschreibt sich selbst als eine von verschiedenen Zellen innerhalb des „Templerorden“, einer internationalen rechtsgerichteten Struktur, über deren Existenz es laut Polizei keine Beweise gibt.
Im Internet gibt es von Breivik eine sehr lange Spur. Zwischen 2002 und 2003 schrieb er im Forum der FrP hunderte von Artikeln. Er besuchte islamophobe Webseiten und hatte später „facebook-Freunde“ aus Schweden und Großbritannien mit ganz ähnlichen Ansichten.
Er rühmte die islamfeindliche und gewalttätige „English Defense League“ und nahm auch an ihren Veranstaltungen teil. Vor Gericht sagte er: „Ultra-nationalistische
Zirkel waren über meine Aktionen geteilter Meinung. Die Meisten unterstützten den Anschlag auf das Regierungsviertel aber nicht das Massaker auf Utöja“.
Wie bei den „Schweden-Demokraten“ büßte auch die norwegische FrP nach den Terroranschlägen vom 22. Juli ein. Doch diese Phase ist nun vorbei. Der Parteitag der FrP findet zeitgleich zu dem Gerichtsprozess statt und die Parteivorsitzende Siv Jensen verspricht weitere provozierende Äußerungen.
Eine norwegische Zeitung schrieb über den Parlamentsabgeordneten der FrP, Christian Tybring-Gjedde: Er „zog beim Parteitag vergangenes Jahr viel Aufmerksamkeit auf sich als er in einem Redebeitrag über Groruddalen [einem Viertel mit hohem Migrantenanteil in Oslo] sagte: >die Macht des Islam nimmt Tag für Tag zu und das politisch korrekte Norwegen ist dabei, kulturellen Selbstmord zu begehen“. Die berüchtigte islamfeindliche Webseite „Gates of Vienna“ hat schon mehrfach versucht, Groruddalen bei Angriffen gegen den Islam auszunutzen. Kurz vor dem Parteitag der FRP sagte Tybring-Gjedde, dass die Taten Breiviks die Forderungen der Partei nach einer „härteren Einwanderungspolitik“ nicht berühren werden.