Diskussionen zur Eurokrise, Antifaschismus und internationale Gäste beim Kongress der SAV
Viele Zugstunden lagen zwischen den Sozialismustagen in Berlin und den zahlreichen Städten aus denen die über 230 Gäste anreisten. Hohe Spritpreise zwangen viele auf Regionalzüge auszuweichen, um die drei Ostertage an dem Kongress der SAV teilzunehmen. Doch auf dem Rückweg meinten alle, dass es sich gelohnt hätte.
Die Sozialismustage begannen mit einer Abendveranstaltung zur internationalen Lage und der Eurokrise. Die irische Parlamentsabgeordnete Clare Daly berichtete von der Kampagne gegen die Haushaltssteuer. Eine Woche vor den Sozialismustagen waren es circa eine Millionen Menschen, die sich weigerten die Steuer, welche einige Kosten der Krise decken soll, zu zahlen. Dieser massenhafte Ungehorsam ist aber keineswegs passiv, erzählte Clare Daly. Zu Versammlungen der Kampagne kamen zehntausende Menschen. Aus einem Landkreis berichtete sie, kamen in einem Ort so viele Menschen zusammen, dass Stühle aus benachbarten Orten herangefahren werden mussten. In der Veranstaltung redete Brett Hoven aus den USA über die veränderte Lage in den Vereinigten Staaten. László H. berichtete vom Kampf an der Charité, der auch ein Teil der Diskussion in einer detaillierteren Veranstaltung zu Streiks und Gewerkschaften im Gesundheitswesen am nächsten Tag war. Dort nahm auch der CFM-Betriebsgruppenvorsitzende Steffen Punt und der ver.di-Sekretär aus Niedersachsen-Bremen David Matrai teil.
Alternativen zur Euro-Krise
SAV-Bundessprecherin Lucy Redler erzählte vom Schicksal des 77 Jährigen Rentners und ehemaligen Apothekers, der sich aus Verzweiflung über die Krise und seine soziale Lage auf dem Syntagma-Platz erschossen hatte. Sie betonte die Notwendigkeit von internationaler Gegenwehr von Solidarität hier in Deutschland und rief alle auf an den Aktionstagen in Frankfurt am Main im Mai teilzunehmen. Detaillierter auf die Hintergründe der Euro-Krise gingen vier Veranstaltungen im Laufe des Wochenendes ein. Neben einem Einstieg in marxistische Wirtschaftstheorie gab es ein ABC der Euro-Krise vom Ökonomen Winfried Wolf bei dem der Raum aus allen Nähten platzte. Eine weitere Veranstaltung beschäftigte sich mit dem Charakter von Finanzmärkten während in der Debatte mit Nikos Alexatos von Real Democracy Now diskutiert wurde, welche Antwort SozialistInnen in Griechenland und international auf die Euro-Krise und das Kürzungsprogramm dort geben.
Auswirkungen auf Frauen
Bereits am Freitag Abend ging Christine Thomas auf die Auswirkungen der Euro-Krise auf Frauen ein, die von den Kürzungsprogramm bei Gesundheit und Sozialem besonders betroffen sind. Die Sozialistin aus Italien ist Autorin des Buches „Es muss nicht bleiben wie es ist“, das kürzlich auf deutsch erschienen ist. Sie ging in einem Workshop zu Postfeminismus auf programmatische Diskussionen beim Kampf für Gleichberechtigung ein. Über sozialistische Familienpolitik diskutierte Sandra Beyer vom Landesarbeitskreis LISA der LINKEN Berlin.
Arabischer Frühling und Kriegsgefahr
„Nicht zu vergessen ist die Rolle der Frauen in der Revolution. Sie waren es, die als erstes demonstrierten“ berichtete Dali, Sozialist und Revolutionär aus Tunis, der für die Sozialismustage aus Tunesien nach Berlin gekommen war. Er gab einen Einblick in die Revolution und das Land über ein Jahr nach der Revolution, wo sich einerseits Hunderttausende in der Gewerkschaft organisieren, um für bessere Verhältnisse zu kämpfen und andererseits die Ennahda-Regierung den Salafisten bei Angriffen auf GewerkschafterInnen, Frauen und Andersdenkende freie Hand lässt. In einer gemeinsamen Diskussion mit Bundestabgeordnetem Niema Movassat und SAV-Bundessprecher Sascha Stanicic diskutierten sie den revolutionären Prozess im arabischen Raum und erklärten warum man hier gegen jede Form von imperialistischer Einmischung und Sanktionen kämpfen muss. Wir wollen „eher Einmischung durch Gewerkschaften und die Linke zum Aufbau einer unabhängigen Arbeiterbewegung“ erklärte Sascha Stanicic. Eine Veranstaltung am Samstag Nachmittag beschäftigte sich mit der Kriegsgefahr gegen den Iran und der Lage in Israel. Der Exiliraner Woriah Ahmadi meinte man müsse gegen den Krieg kämpfen, weil er für die Entwicklung einer Revolution von unten im Iran die größte Gefahr darstellt, denn „wenn die Waffen sprechen, schweigen die Menschen“.
Kampf gegen Faschisten
Stehende Ovationen erntete die Rede vom 96-jährigen Antifaschisten Theodor Bergmann. Er hatte im Workshop zum Thema „Was ist Faschismus“ den Charakter und die Ursachen vom Faschismus erklärt und in der Abendveranstaltung vom Widerstand gegen die Nazis in Deutschland erzählt. Er stützte sich dabei auch auf Gerichtsprotokolle, die er erst kürzlich gefunden und ausgewertet hatte und die ein Schlaglicht auf einige Antifaschisten warf, die am Ende des zweiten Weltkrieges den Widerstand aufnahmen. Die Abendveranstaltung beinhaltete auch antifaschistische Musik und Lyrik. Die Schauspielerin Christa Weber füllte eine große Bühne mit großer schauspielerischer Leistung alleine aus und trug Gedichte unter anderem von Brecht und Tucholsky vor. Die Sängerin Laura Rafetseder bewegte unter anderem mit einer bewegenden Interpretation des antifaschistischen Widerstandsliedes „die Moorsoldaten“ die ZuhörerInnen. Über den Kampf gegen Faschisten heute sprach SLP-Bundessprecherin Sonja Grusch, von der österreichischen Schwesterorganisation der SAV, die über Rechtspopulismus in Europa redete sowie Steve Kühne, der vom NSU-Terror, der NPD und der sozialen Nährboden der Nazis heute sprach. „Auf diesen Staat beim Kampf gegen Nazis vertrauen, heißt Feuer mit Benzin löschen zu wollen“ sagte Steve und forderte alle ZuhörerInnen auf 1. Mai die Nazi-Aufmärsche in Bonn und Hof zu verhindern. Mit den gleichen Fragen beschäftigte sich auch der Workshop „Nazis Blockieren und dann?“ bei dem verschiedene Akteure von antifaschistischen Bündnissen diskutierten.
Welche Partei für Beschäftigte, Jugendliche und Arbeitslose?
Trotz anstehender Neuwahlen in NRW nahm sich der stellvertretende Landessprecher der LINKEN NRW Thies Gleiss die Zeit an den Sozialismustagen für den innerparteilichen Zusammenschluss AKL teilzunehmen. Er diskutierte mit Lucy Redler und Niema Movassat über DIE LINKE, die NRW-Neuwahl und erklärte auch aus historischer Sicht, wie eine Arbeiterpartei aufgebaut werden müsse. Über eine ganz andere Partei redete Gerwald Claus-Brunner. Der Berliner Abgeordnete der Piraten stellte das Programm seiner Partei vor und erklärte auch wofür er innerhalb der Piraten streitet. Dabei muss er mit seinen Positionen mal alleine stehen. Als einziger seiner Fraktion hatte er gegen die Erhöhung der Diäten für Abgeordnete gestimmt. In vielen Beiträgen wurden die Piraten solidarisch kritisiert, auf die Differenzen in der Partei eingegangen und erklärt, warum die Piraten kein Ansatzpunkt sind, um linke Forderungen wirklich durchzusetzen.
Jetzt aktiv werden!
Viele TeilnehmerInnen der Sozialismustage freuten sich über viele neue Eindrücke und Ideen, die sie an dem Wochenende mitnehmen konnten: Der 80 jährige linke Schriftsteller Erasmus Schöfer war spät am Abend noch in den vorderen Reihen des Konzerts vom linken Rapper Holger Burner gesehen worden. Einige Stunden zuvor hatten sie noch gemeinsam über sein Werk und den Zusammenhang von Kultur, Revolution und Widerstand diskutiert. Jetzt ist es an der Zeit die neuen Eindrücke noch in Widerstand zu verwandeln. In NRW führen GenossInnen gemeinsam den Kampf um den Wiedereinzug der LINKEN in den Landtag. Bundesweit beginnt die Mobilisierung zu den Protesten in Frankfurt am Main im Mai. Die Krise des Kapitalismus ist alles andere als vorbei. Mehr Menschen wehren sich dagegen und gehen auf die Suche nach einer Alternative. Mit den Diskussionen auf den Sozialismustagen konnte ein Beitrag dazu geleistet werden, darauf eine Antwort zu finden.