Sehenswerter Film über die Darstellung von Frauen aus den USA
Langfassung des Artikels aus der Solidarität Nr. 110.
MissRepresentation, 2011 in den USA erschienen, ist eine Bestandsaufnahme der Situation von Frauen in den Medien und der Politik in den USA. Der Film ist äußerst sehenswert, um einen Überblick über die Lage zu bekommen. Er liefert viele Zahlen und Fakten und zeigt auf 90 Minuten konzentriert das Bild, das von Frauen vermittelt wird.
von Anna Shadrova, Berlin
235,6 Milliarden US-Dollar wurden 2009 für Werbung und Medien in den USA ausgegeben. Das ist mehr, als das Bruttoinlandsprodukt von 80% der Länder in der ganzen Welt. 97% der US-amerikanischen Medien werden von Männern gemacht. Die Mehrheit der ZuschauerInnen ist weiblich. In Reality-TV-Sendungen sind Frauen zickig, dumm, geldgeil, gierig, eifersüchtig, rachsüchtig und Personen, denen man auf keinen Fall trauen sollte – schon gar nicht als Frau. Frauen, das sind diejenigen, die überall und ständig als sexualisierte Objekte auftreten, die es „eigentlich gern hart mögen“, die immer zur Verfügung stehen, die „mit ihrem provokanten Aussehen nur darauf aus sind, den Männern die Kontrolle zu entreißen“. Der Anteil der weiblichen Figuren in Familien- und Kinderfilmen (g-rated), die in sexuell anzüglicher Kleidung dargestellt werden, ist genauso hoch wie in FSK18-Filmen (r-rated). Über Frauen in den Medien oder in der Politik wird in jedem Fall zuerst, oft auch ausschließlich, mit Blick auf ihr Aussehen, ihre Körper, ihre Kleidung berichtet. Es existieren so gut wie keine komplexen Frauencharaktere in Serien und Mainstream-Filmen. Die zwei bekanntesten Politikerinnen der USA, Sarah Palin und Hillary Clinton, werden als gegensätzliche Stereotype medial aufgebaut: Erstere als „echte“ Frau mit „femininem Charme“ und Familienbezug. In Talkshows wird darüber diskutiert, wie oft wer schon in Gedanken an Sarah Palin masturbiert hätte. Clinton wird als „Mannsweib“ mit sexuell abtörnender und männerabschreckender Wirkung dargestellt. Über die Inhalte ihrer Politik – in beiden Fällen übrigens frauenfeindlich, weil Frauen von Kürzungen im öffentlichen Dienst und im Sozialsystem als erste betroffen sind – redet niemand.
Probleme, die daraus erwachsen?
Die Tatsache, dass 79% der 17-jährigen Frauen in den USA mit ihrem Körper unzufrieden sind. Dass die Depressionsrate unter jungen Frauen sich zwischen 1997 und 2007 verdreifacht hat. Dass Frauen, die lernen, sich selbst als Objekt zu betrachten, mit höherer Wahrscheinlichkeit an Essstörungen und Depressionen erkranken und ihre Ambitionen geringer werden, eine bedeutende Rolle in der Welt zu spielen. Die fehlenden Vorbilder für Mädchen – Frauencharaktere, die durch Arbeit, Klugheit und Interesse etwas erreichen, und die sich über ihre Erfolge definieren und nicht über ihr Aussehen, und die genauso fehlenden Vorbilder für Jungen – Männer, die Frauen mit Respekt behandeln und nicht als Sexobjekte und dumme Zicken betrachten.
Wessen Interesse?
Der Film liefert auch Erklärungen für die gegenwärtig extrem sexualisierte Darstellung, und das erstaunlich offen: „It"s all about capitalism“ – es geht nur um den Kapitalismus, sagt eine Sprecherin von NBC. Der frühere Vorstandschef von Walt Disney wird zitiert: „Wir müssen nicht Geschichte schreiben.Wir müssen keine Kunst machen. Wir müssen keine Aussagen treffen. Unser einziges Ziel ist es, Geld zu machen“. Seit den 80er Jahren wurde die Deregulierung der Medien vorangetrieben, die zur Erschließung eines „Sensationsmarktes“ insbesondere in den Nachrichtensendungen geführt hat – „Prominachrichten“ und das öffentliche Daherlästern über Personen des öffentlichen Lebens (Frauen und ihr Aussehen, vor Allem) nehmen seitdem großen Raum ein auf Sendern wie Fox, CBS und mittlerweile auch CNN.
Was nicht gesagt oder gezeigt wird, ist der riesige Unterschied zwischen den wenigen dargestellen Politikerinnen, die als reiche Frauen der Klasse der Herrschenden im Kapitalismus angehören, und den vielen Arbeiterinnen. Diese sind neben der inakzeptablen Mediendarstellung auch von Niedriglöhnen, zusätzlicher Belastung durch Haushalt und Kinderbetreuung, noch mehr Alltagssexismus und noch viel geringeren Aufstiegschancen betroffen. Sie haben im Kapitalismus nichts zu gewinnen und nichts zu verlieren. Weil dieser Unterschied nicht aufgezeigt wird, kranken auch die Lösungsansätze im Film.
Was tun?
Das klassische Ghandi-Zitat „Sei die Veränderung, die du in der Welt sehen willst“ wird herangezogen, um Frauen Mut zu machen, sich trotzdem und den Umständen entgegen durchzusetzen. Frauen sollen ihre Kaufkraft einsetzen, um Produkte und Medien zu befördern, die ohne Sexismus auskommen. Die Perspektive eines gemeinsamen Kampfes von Frauen und Männern gegen Sexismus wird gar nicht erst aufgemacht. Nur durch Eigenermächtigung (Empowerment) sollen Frauen ihre Lage verbessern, als wären alle Frauen gleich betroffen und „chancengleich“.
Zur Information, und auch, um die Empowerment-Argumentation besser kennenzulernen, lohnt sich der Film in jedem Fall. Was den Ausweg betrifft, gibt es bessere Vorschläge. Eine Frau an der Macht ist an sich keine Hilfe für die Frauen der Arbeiterklasse. In der Geschichte der USA gab es 2319 Gouverneure und 34 Gouverneurinnen – aber keineR von ihnen hat die Lage für Frauen verbessert. Nur Bewegungen haben das erreicht, und nur die Arbeiterklasse an der Macht kann die Frauenfrage in der Arbeiterklasse lösen. Trotz der Einschränkungen wäre es wünschenswert den Film auch in deutschen Kinos sehen zu können. Für alle die sich am Englisch nicht stören, ist er aber im Internet leicht zu finden.