Sarrazin, Henkel und die „Freien Wähler“
Mit der dramatischen Entwicklung der Euro-Krise nehmen zwar Massen-proteste gegen die Regierenden und ihre Banken-Rettungspakete, aber in vielen Ländern auch rechtspopulistische Stimmungen zu. Dies zeigt nicht zuletzt der jüngste Wahlerfolg der „Wahren Finnen“ in Finnland (die ihr Stimmergebnis 2011 fast verfünffachen und auf 19 Prozent anwachsen konnten) oder der Umstand, dass die Partei des Islam-Hassers Geert Wilders in den Niederlanden zur drittstärksten Kraft im Parlament aufgestiegen ist. Auch in Österreich und der Schweiz sind Rechtspopulisten auf dem Vormarsch und schüren Ängste vor Europa, MigrantInnen und dem Islam. In Deutschland läuft bereits seit längerer Zeit eine Debatte um die Neugründung einer Partei „rechts von der Mitte“. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit einer solchen Neugründung, welche anderen Entwicklungen sind möglich und welche Gefahren gehen von den Rechtspopulisten aus?
von Patrik Schulte, Bremerhaven
Europaweit bringen sich die Rechtspopulisten gegen den Euro in Stellung und schlagen offen nationalistische Töne an. Nach dem Wahlerfolg der Partei „Wahre Finnen“ im letzten Jahr forderte ihr Vorsitzender Timo Soini direkt nach der Wahl Neuverhandlungen über das EU-Stabilitätspaket, den Austritt Finnlands aus der Euro-Zone und einen Stopp der „Hilfszahlungen“ an Länder wie Irland, Griechenland und Portugal. Diese Haltung ist symptomatisch für alle rechtspopulistischen Parteien.
Wenn es um rassistische Hetze und Spaltung der Gesellschaft geht, ist der bekannte niederländische Rechtspopulist Geert Wilders ganz vorne dabei. So hat er vor kurzem mit seiner sogenannten „Freiheitspartei“ PVV eine „Meldestelle für Störungen durch Osteuropäer“ im Internet eingerichtet. Auf der Homepage sollen niederländische BürgerInnen Beschwerden über AusländerInnen melden. Er wolle so Beweise sammeln, dass Osteuropäer den Einheimischen die Arbeitsplätze wegnehmen und das Zusammenleben stören.
Was tut sich in Deutschland?
Nach der Debatte über Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ und seiner rassistischen Hetze gegen MigrantInnen sah es lange so aus, als wäre die Neugründung einer Sammlungspartei für Rechtspopulisten um Sarrazin und den ehemaligen Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel, nur eine Frage der Zeit. Nachdem sich Sarrazin und Leute wie Karl-Theodor zu Guttenberg aber erstmal öffentlich von einem solchen Projekt verabschiedet haben, gilt vor allem Henkel einigen im rechtspopulistischen Lager als Hoffnungsträger.
Henkel hat sich nun den „Freien Wählern“ (FW) angeschlossen, die bei der Bundestagswahl 2013, nach eigenen Worten, „angreifen“ wollen. Die FW sind ein bundesweiter Zusammenschluss von Wählergruppen, die insbesondere in Bayern relativ stark aufgestellt sind und sich dort im rechten Lager in direkter Konkurrenz zur CSU befinden. 2008 erreichten sie 10,2 Prozent bei den Landtagswahlen und zogen erstmalig in das bayrische Landesparlament ein. FW-Chef Hubert Aiwanger hat hohe Ambitionen und will 2013 Schwarz-Gelb die Stimmen abjagen. Dafür sieht er auch bei den NichtwählerInnen und linken WählerInnen Potenzial. Henkel möchte er nicht als Spitzenkandidaten, sondern will ihn vielmehr als Mentor in die Organisation integrieren und sein angebliches „Fachwissen“ nutzen.
Aiwanger nennt Wirtschaft und Finanzen als Kernthemen der FW. Dabei reden sie von mehr „Bürgernähe“ und „direkter Demokratie“. Sie verstehen sich als „liberal- und wertkonservative Kraft“, die den Euro-Kurs der Bundesregierung scharf angreift und es ablehnt, „fremde Schulden“ zu übernehmen. In der Debatte um die Rettung Griechenlands treten sie für ein Ende der sogenannten Finanzhilfen ein, halten sich bislang aber noch öffentlich mit Hetze gegen GriechInnen zurück.
Werden die „Freien Wähler“ die neue rechte Kraft?
Auch wenn die nationalistischen Züge unverkennbar sind, bleibt es abzuwarten, ob die „Freien Wähler“ bei den Bundestagswahlen eine Wählerwanderung nach rechts auslösen und von der Euro-Krise profitieren können. Ihr Erfolg wird maßgeblich von den weiteren Entwicklungen in Griechenland und der Euro-Zone, aber auch von der Rolle der Gewerkschaften und der Linken, einschließlich der Partei DIE LINKE, in der Bundesrepublik abhängen.
Den FW kommt sicherlich zugute, dass sie in der Öffentlichkeit nicht als Partei angesehen werden und so von WählerInnen als „Alternative“ zu den etablierten Politikern und Parteien wahrgenommen werden könnten.
Obwohl sie sich momentan mit rassistischen Äußerungen zurückhalten und derzeit nicht auf einer Stufe mit Rechtspopulisten wie Geert Wilders oder Jörg Haider agieren, ist es möglich, dass die „Freien Wähler“ im Verlaufe der Euro-Krise auch andere, sehr viel aggressiver nationalistische und rechte Töne anschlagen werden.