Überparteilich?

Joachim Gauck als Nachfolger von Wulff nominiert


 

Der ehemalige Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde, Joachim Gauck soll neuer Bundespräsident werden. Darauf hat sich am Sonntag Abend die Regierungskoalition zusammen mit SPD und Grünen geeinigt.

von Torsten Sting, Rostock

Der ehemalige „DDR-Bürgerrechtler“ gilt als „überparteilicher“ Kandidat. Doch was heißt das schon. Richtig ist, der ausgemusterte Pastor gehört keiner Partei an. Er ist aber gerade deshalb Kandidat des Politestablishments geworden, weil er glasklar pro-kapitalistische Positionen bezieht.

Wofür steht Gauck?

Das Staatsoberhaupt in spe, ist ein erklärter Neoliberaler. Entsprechend konsequent unterstützte er Schröder Agenda 2010. Noch im letzten Jahr schwärmte er: „Als Gerhard Schröder einst die Frage aufwarf, wie viel Fürsorge sich das Land noch leisten kann, da ist er ein Risiko eingegangen. Solche Versuche mit Mut brauchen wir heute wieder."

Den Krieg am Hindukusch verteidigt er ebenfalls. „Um es klar zu sagen, ich finde den Einsatz nicht gut, aber erträglich und gerechtfertigt”.

Zwar beteuert der selbsternannte Freiheitskämpfer immer wieder in seinen Sonntagsreden, wie wichtig Demokratie und Zivilcourage ist. Wenn es um die Freiheit des Kapitals geht, Profite zu machen, zeigt sich welches Geistes Kind er ist. Im Zusammenhang mit der Frage eines möglichen Baustopps bei Stuttgart 21 sagte er:„Und diese Entscheidungen jetzt nicht zu vollziehen, das wäre ja fast eine Straftat. Die Politiker, die jetzt sagen, ich baue einfach nicht weiter, die dürfen das gar nicht tun, wenn sie sich selbst ernst nehmen." Zudem warnte Gauck vor einer Protestkultur, „die aufflammt, wenn es um den eigenen Vorgarten geht“.

Gauck bezog Stellung für Thilo Sarrazins Hetze gegen MigrantInnen und lobte diesen als „mutig“. In einer Rede zum Jahrestag der Wiedervereinigung griff er dessen Propaganda auf und bediente in Bild-Zeitungs Manier übelste Vorurteile: „Bei der Versorgung wollen selbst diejenigen integriert sein, die unsere Kultur ablehnen, sie sogar bekämpfen und denunzieren". "Wenn eingewanderte Familien sich noch jahrelang der Landessprache verweigern, dann werden alle Integrationsbemühungen scheitern".

Für Pastor Gauck, der bald Einzug halten wird ins Schloß Bellevue, dem knapp 200.000 Euro an Jahresgehalt von uns Steuerzahlern überwiesen und der in den Genuss von edlen Speisen rund um den Globus kommen wird, ist es abwegig über Alternativen zum täglich scheiternden Kapitalismus (und zum kollabierten Stalinismus) nachzudenken. Der „Demokratie-Lehrer“ (Merkel) hält die Proteste der Occupy-Bewegung und die sich entwickelnde antikapitalistische Debatte für „unsäglich albern“. Und fügt hinzu: „Ich habe in einem Land gelebt, in dem die Banken besetzt waren.”

Ausblick

Wen wundert es, dass die Fast-Drei-Prozent Partei, einigen noch als FDP bekannt, für Gauck leidenschaftlich kämpfte und damit den x-ten beinahe Zusammenbruch der Regierung provozierte. Durch den Rücktritt von Wulff und die Vorgänge um die Nominierung von Gauck ist die Koalition noch mehr geschwächt und das Klima vergiftet. Vor dem Hintergrund der EURO-Krise alles andere als optimal für die Herrschenden. Es muss die vornehme Aufgabe der LINKEN sein, diese Regierung und das neue Staatsoberhaupt politisch anzugreifen. Bei der Wahl des Bundespräsidenten sollte die Partei einen eigenen Kandidaten aufstellen und dies mit einer Kampfansage an die Politik der Reichen und ihrem System verbinden.