Alles Randalierer?

Debatte um Fankultur und Gewalt in Fußballstadien


 

Schaut man sich die Berichterstattung in den Medien an, so kann man leicht den Eindruck gewinnen, dass Deutschlands Fußballstadien in Chaos und Randalen versinken. Dabei werden sehr unterschiedliche Phänomene in einen Topf geworfen.

von Torsten Sting, Rostock

Fakt ist zunächst einmal und eine für Freunde des runden Leders positive Entwicklung, dass sich dieser zunehmender Beliebtheit erfreut. In immer mehr Ländern rund um den Globus gewinnt er Anhänger-Innen. Es gibt keine Sportart, die auf allen Kontinenten so viele Menschen bewegt. In Deutschland erfährt der Fußball seit der Weltmeisterschaft 2006 eine wahre Renaissance. Die Stadien der Bundesligisten sind häufig ausverkauft, viele Kinder und Jugendliche betreiben den Sport aktiv. Die Nationalmannschaft genießt, dank ihres attraktiven Spiels, große Popularität.

Kommerz

Der Kapitalismus besitzt nicht nur die Eigenschaft, gigantische Probleme zu produzieren, welche die Existenz von vielen Millionen Menschen gefährden. Profitstreben führt auch dazu, dass Sport im Allgemeinen und Fußball im Besonderen immer mehr zu einem Geschäft wird: Spieler, die siebenstellige Gehälter kassieren, Stehtribünen, die VIP-Logen weichen müssen, steigende Ticketpreise und und und. In der englischen Profiliga werden Clubs wie Manchester City oder Chelsea London von reichen Ölscheichs beziehungsweise Oligarchen gekauft. Sinnbild für diese Entwicklung, die international radikaler verläuft als in Deutschland, ist die FIFA und deren Vorsitzender Joseph Blatter. Hier wird mit horrenden Beträgen jongliert, Korruption ist an der Tagesordnung.

Gegenbewegung

Dieser Entwicklung stellen sich aber zunehmend engagierte Fußball-Fans entgegen. Sie sehen zu Recht ihren Sport in Gefahr und wollen ihn nicht Kapitalisten überlassen, die nur den schnöden Mammon im Blick haben. Tausende organisieren sich in Initiativen und Gruppen. So gab es bei einigen Vereinen längeren Widerstand gegen die Umbenennung des Vereinsstadions. In Rostock fanden einige (friedliche) Aktionen und Demonstrationen gegen die Umbenennung des Ostsee-Stadions in DKB-Arena statt. Bei Schalke 04 waren es die eigenen Fans, die keinen unerheblichen Anteil an der Entlassung des Trainers Felix Magath hatten. Jener ist der wohl konsequenteste Trainer und Manager der Bundesliga im Sinne der Kommerzialisierung des Fußballsports.

Pyrotechnik und Gewalt

Für nicht wenige Fans gehört „Bengalisches Feuer“ zu guter Stimmung dazu. In Deutschland ist dies verboten. Es ist Unsinn, FußballanhängerInnen, die verantwortungsvoll mit Pyrotechnik umgehen und für deren Legalisierung eintreten, als Chaoten oder Randalierer zu bezeichnen.

Fakt ist jedoch auch, dass es eine Zunahme von Gewalt in den und um die Stadien gibt. Die Polizei spielt zweifellos eine Rolle dabei. Ein Teil der Fan-Szene aber benutzt den Fußball, um seine Aggressionen gegenüber den gesellschaftlichen Verhältnissen hier rauszulassen. Diese stellen aber nur einen sehr kleinen Teil der Stadion-BesucherInnen dar und eine pauschale Kriminalisierung muss zurückgewiesen werden.

Ansätze

Diesem Problem ist nicht mit Strafen und härteren Gesetzen zu begegnen. So hat der Ausschluss von Dynamo Dresden aus dem DFB-Pokal (als Reaktion auf Randale in Dortmund) zur Folge, dass sich die finanziellen Probleme des Traditionsclubs verschärfen. Zudem wird vor allem die große Mehrheit der wirklichen Fans auf diese Weise bestraft.

Eine Gesellschaft, die immer mehr in arm und reich zerfällt, die überall rücksichtsloser wird, kann unmöglich verhindern, dass sich Wut und Hass im Stadion entlädt. Daher gehört der Kampf gegen die weitere Kommerzialisierung des Fußballsports und der Widerstand gegen das Abladen der Krisenfolgen auf die Masse der Bevölkerung durchaus zusammen. Dennoch: Wessen Leidenschaft der Fußball ist, sollte sich bewusst machen, dass es einen „sauberen“ Sport in dieser Gesellschaft nicht geben kann.