Zerbrechen der Eurozone könnte zu einer neuen tiefen Finanzkrise und einem globalen wirtschaftlichen Abschwung führen
Die Eurozone steht an einem Wendepunkt. Führende Politiker sind verwirrt und haben keine klare Strategie zur Lösung der Krise. Ein Zerbrechen der Eurokrise könnte zu einer neuen tiefen Finanzkrise und einem globalen wirtschaftlichen Abschwung führen. LYNN WALSH analysiert die Krise.
von Lynn Walsh, Redakteur von, Socialism Today, monatliches Magazin der Socialist Party (CWI England & Wales)
Alles in Europa hat sich in sein Gegenteil verkehrt. Der Euro sollte die Integration der teilnehmenden Länder beschleunigen und eine stabile Währungszone schaffen. Statt dessen gehen von ihm aktuell Instabilität und Krise in der Weltwirschaft aus. Nach der Subprimekrise und dem Zusammenbruch des Bankensystems 2007-2008 haben sich die Banken aus komplexen Finanzprodukten und Derivaten zurückgezogen und Staatsschulden als vermeintlich „risikofreie“ Anlagemöglichkeit genutzt. Jetzt stehen die Banken – auch Banken in den USA – in Folge der Staatsschuldenkrise in der Eurozone vor potentiell katastrophalen Verlusten.
Die Europäische Union sollte, verstärkt durch die Eurozone, nationale Gegensätze innerhalb Europas überwinden und den Kontinent gegen die Möglichkeit einer deutschen Hegemonie absichern. Statt dessen führen die Probleme der Eurozone und der EU allgemein, die in Verbindung mit der anhaltenden Wirtschaftskrise gesehen werden, zu verstärktem Nationalismus und Spannungen zwischen den großen EU-Staaten. Zudem ist Deutschland heute die dominante Macht in der EU (kaum verschleiert durch die Französisch-Deutsche Partnerschaft), die die Gesetze festlegen kann – aber ohne politische Vorschläge zur Lösung einer komplexen Krise, die jeden Tag akuter wird. Die Eurozone steht am Scheideweg. Sie könnte jederzeit zerbrechen, eine neue tiefe Finanzkrise und einen ökonomischen Niedergang auslösen.
Euro-Rettung
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und die Bundesbank hindern die Europäische Zentralbank (EZB) daran, im großen Stil Staatsanleihen der Euroländer aufzukaufen. Diese Maßnahme wäre als einzige möglicherweise in der Lage, kurzfristig die Staatsschulden unter Kontrolle zu bringen. Hingegen fordern andere Regierungen der Eurozone und auch der französische Präsident Nicholas Sarkozy ein Eingreifen der EZB. Gleichzeitig hat sich der Europäische Finanzstabilisierungsfonds (EFSF – der nur noch ca. 250 Mrd. € enthält) nicht als effektives Mittel zur Intervention erwiesen, der Versuch auf den Finanzmärkten zusätzliche Gelder zu beschaffen ist gescheitert. Merkel hat auch die Einführung gemeinsam gesicherter Anleihen (Eurobonds) zur Stärkung der schwächeren Euro-Länder abgelehnt.
Eine Intervention der EZB oder Eurobonds würden in den Augen Merkels den „verschwenderischen“ Regierungen in der Eurozone weitere Austeritätspolitik ersparen. Sie wären eine „moralische Gefahr“, weil diese Regierungen weiter Schulden machen könnten ohne bestraft zu werden. Gleichzeitig geht der Angriff der Finanzmärkte auf die Anleihen von Euroländern weiter und bedrohen sogar die französische Staatsverschuldung. Philip Stephens kommentiert (in der Financial Times vom 22. November): „Wenige zweifeln am guten Willen von Frau Merkel. Deutlich Mehr befürchten mit gutem Grund, dass ihre Besessenheit von der moralischen Gefahr noch zum Tod der Währungsunion führen könnte“.
Die großen Anleihenhändler haben die Kosten der italienischen und spanischen Staatsverschuldung hochgetrieben und wenden sich jetzt gegen französische Staatsanleihen. Sogar deutsche Anleihen werden trotz der relativen Stärke der deutschen Wirtschaft schon verkauft. Das spiegelt wachsende Angst asiatischer Investoren vor einem völligen Zusammenbruch der Eurozone wieder.
Merkel schlägt „mehr Europa“ vor, indem zunächst die Währungsunion verstärkt werden soll. Ihrem Plan zufolge wäre das ein weiterer kleiner Schritt zur wirtschaftlichen und politischen Union.
Berichten zufolge wurden Merkels Vorschläge Sarkozy und dem britischen Premierminister David Cameron auf ihrem Treffen am 18. November getrennt unterbreitet. Merkel schlägt einen festeren Rahmen für die Eurozone vor, mit klaren Regelungen zu Steuern und Staatsausgaben. Eine Art „Europäischer Währungsfonds“ soll die Wirtschafts- und Finanzpolitik der nationalen Regierungen überwachen, intervenieren und sogar völlig die Kontrolle übernehmen können. Andeutungen zufolge könnte es mit einer solchen Regelung möglich sein, Eurobonds und andere Maßnahmen zur Unterstützung von Staaten der Eurozone einzuführen.
Merkel hat sich gegen die Eurobond-Vorschläge von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso ausgesprochen. Für die deutsche Version würden strengere Bedingungen gelten als für den Vorschlag der Kommission. Daher gibt es Befürchtungen unter den europäischen Herrschenden, dass die von Merkel vorgeschlagenen Veränderungen praktisch zu einer deutschen Hegemonie führen würden. Sie wurden durch Volker Kauder, Merkels Fraktionsvorsitzenden, verstärkt, der auf dem letzten CDU-Parteitag bemerkte, Europa spreche jetzt deutsch.
Für die Vorschläge Merkels wäre eine Vetragsänderung notwendig. Obwohl die Änderungen nur die 17 Mitgliedsstaaten der Eurozone betreffen würden, müssten alle 27 EU-Mitglieder zustimmen. In mehreren Ländern müsste es dazu Volksabstimmungen geben. Bei ihrem Treffen mit Cameron bemühte sich Merkel anscheinend um die Zustimmung der britischen Regierung. Als Gegenleistung für die Zustimmung der Konservativ-Liberalen Regierung (und nach manchen Berichten auch die Zusicherung, keine Volksabstimmung abzuhalten) würde Merkel weiteren EU-Sonderregelungen für die britische Sozial- und Arbeitsgesetzgebung zustimmen.
Würden die von Merkel vorgeschlagenen Maßnahmen ausreichen, um den Euro zu retten? Das erste Problem ist die Zeit. Die Regierungen der Euroländer würden ziemlich lange brauchen, um sich auf einen neuen Rahmen für die Eurozone zu einigen. Danach stellt sich das noch größere Problem, politische Akzeptanz in den Euroländern zu gewinnen. Durch weitere Sparpakete, einen Abschwung der europäischen (und wahrscheinlich globalen) Wirtschaft und die Tatsache, dass Merkel und andere ihre begrenzten Schritte mit der Idee der politischen Union verbinden wird die Ablehnung der Massen zweifellos verstärkt.
Rolle der EZB?
Es gibt zunehmend Forderungen an die EZB, zu intervenieren und massiv Staatsanleihen in der Eurozone aufzukaufen, um die Zinssätze für Staatsschulden zu senken. Sarkozy soll sich in dieser Frage mit Merkel gestritten haben, Analysten großer Finanzinstitute fordern ebenfalls eine Intervention der EZB. Aus ihrer Sicht hat nur die EZB die Mittel, um eine Serie von Staatsbankrotten in der Eurozone zu verhindern. Aber Merkel lehnt diesen Schritt entschieden ab, ebenso wie der neue EZB-Chef Mario Draghi. Aus seiner Sicht ist es die Aufgabe der Regierungen und nicht der EZB, für die Staatsschulden zu garantieren. Als entschieden wurde, den EFSF zu aktivieren um gefährdete Staaten zu stützen fragte Draghi: „Wo ist die Umsetzung?“.
Die EZB hat begrenzt eingegriffen, um die Anleihen Griechenlands, Portugals und später Italiens und Spaniens zu unterstützen. Aber sie hat nur Anleihen für 252 Milliarden US-Dollar gekauft. Die Bank of England will britische Staatsanleihen für 275 Milliarden Pfund kaufen, und die Federal Reserve der USA hat 2 Billionen Dollar für US-Anleihen ausgegeben.
Die Gegner einer großen EZB-Intervention erklären, dass der Bank nach den EU-Verträgen nicht gestattet ist, zur Stützung der Staatsschulde von Mitgliedsstaaten zu intervenieren. Das scheint allerdings Auslegungssache zu sein. Eine direkte Finanzierung der Mitgliedsstaaten durch die EZB über den Kauf neu ausgegebener Anleihen auf dem primären Markt ist eindeutig ausgeschlossen. Aber nach einigen Meinungen wäre ein Kauf durch die EZB auf dem sekundären Anleihenmarkt durchaus legitim, um die „finanzielle Stabilität“ der Eurozone zu gewährleisten.
Zweifellos könnten diese rechtlichen Einwände beseitigt werden, wenn sich die großen Mächte der Eurozone einigen. Aber die stärkste Ablehnung kommt aus Deutschland, wo es eine historische, ideologische Ablehnung gegen jede Maßnahme gibt, die als inflationär gesehen wird. Das ist eine Folge der Erfahrungen mit Hyperinflation in den 1920ern und erneut nach dem Zweiten Weltkrieg. Es ist jedoch absolut nicht sicher, dass Anleihenkäufe durch die EZB in der heutigen Situation inflationär wirken würden. Die Stagnation der Produktion in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern und die Schwäche der Binnennachfrage führen zu allgemeinen deflationären Trends (abgesehen von den Preissteigerungen, die durch den Import von Treibstoffen, Nahrungsmitteln und anderen Waren verursacht werden, die in der letzten Periode teurer geworden sind). Darüber hinaus sind die Banken weniger bereit, einander auf dem Kreditmarkt Geld zu leihen und haben ihre Liquiditätsreserven stattdessen bei der EZB deponiert. Das hat in der letzten Periode den Folgen der Anleigenkäufe entgegengewirkt (sie sterilisiert).
Aber Merkel und andere „Inflations-Falken“ scheinen zu befürchten, dass eine EZB-Intervention die nationalen Regierungen vom Zwang zu weiteren Sparmaßnahmen befreien würde. Es wird spekuliert, dass die deutsche Regierung Aufkäufe durch die EZB hinauszögern will, bis ein Staatsbankrott unmittelbar bevorsteht. Dann könnte sie einer Intervention zustimmen. Zu dem Zeitpunkt könnte es allerdings zu spät sein. Der Bankrott des Securities-Händlers MF Global (der 6,3 Mrd.$ Schulden der Euroländer besaß) deutet auf die Schwäche der am Euro-Anleihenmarkt beteiligten Finanzinstitute hin. Anleihenkäufe der EZB könnten (wie die Geldschöpfung/quantitative easing in den USA, Britannien und Japan) eine katastrophale Staatsschuldenkrise verhindern, würde aber die tief verwurzelten Ursachen für wirtschaftliche Stagnation und unhaltbare Staatsverschuldung nicht beseitigen. Aber ohne ein schnelles Eingreifen durch Regierungen, die (wie die deutsche) noch Reserven haben besteht eindeutig die Möglichkeit einer Kettenreaktion der Bankenpleiten, die zu einer systemischen Bankenkrise führen könnte. Das würde zweifellos zu einem neuen Abschwung der Weltwirtschaft führen.
Europäische Einigung?
Merkel wirft die Frage der politischen Union als langfristiges Ziel auf, das durch kleine Reformschritte erreicht werden soll. Eine Finanzunion mit zentraler politischer Infrastruktur – einem supranationalen Staatsapparat – ist die logische Folge einer gemeinsamen Währung. Die aktuelle Krise zeigt, dass es unmöglich ist eine reine Währungsunion ohne finanzielle und wirtschaftliche Koordination aufrecht zu erhalten. Die reicheren kapitalistischen Staaten werden nie die schwächeren wirtschaften unterstützen, ohne Entscheidungsgewalt über sie zu bekommen.Um langfristig erfolgreich zu sein bräuchte die Währungsunion eine gemeinsame Finanzpolitik, gemeinsame Anleihen und Transferleistungen von den reicheren an die ärmeren Länder, um wachsende wirtschaftliche Ungleichheiten und politische Spannungen zu vermeiden.
Das impliziert einen europäischen Föderalstaat mit einer ähnlichen Struktur wie die USA. Aber die USA wurden in einer Periode anhaltenden Wachstums im 19. Jahrhundert gebildet. Der US-Amerikanische Kapitalismus setzte sich im Bürgerkrieg gegen die Sklavenhalter in den Südstaaten durch, deren Wirtschaft auf Plantagen basierte. Der US-Kapitalimus konnte eine gemeinsame (oder zumindest vorherrschende) Sprache und Kultur entwickeln. Im Gegensatz dazu ist Europa (ob Euro- oder EU-Mitgliedsstaaten) eine Ansammlung von Nationalstaaten mit jeweils eigener Sprache, Geschichte und nationalem Bewusstsein.
In der Phase des Nachkriegsaufschwungs versuchten die europäischen Staaten, die dem Gemeinsamen Markt/EWG/EU beitraten einige Begrenzungen der Nationalstaaten zu überwinden, um ihre Position im Wettbewerb gegen die USA und in neuerer Zeit auch Japan und China zu stärken. Sie waren bereit, einen begrenzten Teil ihrer nationalen Souveränität zu opfern. Aber der Kapitalismus hat sich historisch im Nationalstaat entwickelt, und jede Kapitalistenklasse bleibt im Nationalstaat als Basis ihres Wohlstands und ihrer Macht verwurzelt. Zudem haben die Nationalstaaten in ihrer Geschichte ein tief verwurzeltes Nationalbewusstsein geschaffen, das unter kapitalistischen Bedingungen nicht beseitigt werden kann. Vor dem Hintergrund eines wirtschaftlichen Aufschwungs konnten Differenzen zwischen den Nationalstaaten teilweise überwunden werden, einige Aspekte staatlicher Souveränität wurden gemeinsam wahrgenommen. Aber in der aktuellen, dauerhaften Wirtschaftskrise werden durch die Spannungen in Eurozone und EU nationale Gegensatze verschärft.
Als der Kapitalismus die Lebensstandards dauerhaft und spürbar steigern konnte, bestand eine Grundlage für eine europäische Einigung bis zu einem gewissen Grad. Aber in einer Periode wirtschaftlicher Stagnation und heftiger Angriffe auf die Lebensbedingungen breiten sich in einigen Schichten der Bevölkerung Nationalismus und sogar Xenophobie aus. Für den Kapitalismus ist es unmöglich, die Begrenzungen der Nationalstaaten durch die Bildung eines europäischen Super-Staats zu überwinden, nicht einmal mit einer losen föderalen Struktur. Im Gegenteil. Die von der ökonomischen und sozialen Krise entfesselten Kräfte werden zu einem Zerfall der Eurozone in vielleicht zwei oder drei Währungsgebiete führen. Nur der zeitliche Ablauf ist ungewiss. Außerdem wird die Krise der Eurozone irgendwann zu einer Bedrohung für die EU selbst werden.
Ein neuer Abschwung?
Die Schuldenkrise der Eurozone und die von EU und IWF aufgezwungenen Sparmaßnahmen treiben die Wirtschaft in Europa und weltweit in einen neuen Abschwung, während die Wirtschaftsleistung der meisten Länder das Niveau von 2008 noch nicht wieder erreicht hat. Laut der OECD werden die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder 2012 quasi zum Stillstand kommen. Für die EU wird 2012 ein Wirtschaftswachstum von nur ca. 0,5% prognostiziert. Sogar Deutschland wird beinah stagnieren, das vorhergesagte Wachstum beträgt nur 0,8%. Und sogar diese düsteren Prognosen könnten sich als zu optimistisch erweisen.
Merkel und die EZB fordern noch drastischere Ausgabenkürzungen in Griechenland, Italien und Spanien. Sie scheinen nicht zu verstehen, dass Kürzungen in so großen Ausmaßen das Wachstum in Europa abwürgen und beginnen, sich auf die Weltwirtschaft auszuwirken.
Lawrence Summers, der ehemalige US-Finanzminister, kommentierte vor kurzem: „Das größte Risiko für Schuldenkrisen entsteht nicht durch Verschwendung, sondern durch langsames Wachstum und Deflation. Vor vier Jahren wurden Spanien und Irland als Vorbilder guter Haushaltspolitik betrachtet. Ihre Probleme kommen vom Zusammenbruch der Wirtschaft und des Finanzsystems. In einer längeren Phase, in der der Zinssatz auf Staatsschulden deutlich höher ist als das nominale Wirtschaftswachstum wird es für hoch verschuldete Länder quasi unmöglich, ihre Verschuldung zu senken. Analysen von Sparmaßnahmen überschätzen ihre positive Wirkung, in dem die negativen Auswirkungen auf Wirtschaftswachstum und Inflation und damit auf künftige Steuereinnahmen ausgeblendet werden. Wenn wieder für genügend Wachstum der Weltwirtschaft gesorgt wird, werden die Haushaltsdefizite beherrschbar sein. Ohne Wachstum wird es wahrscheinlich nicht möglich sein, die Schuldenlast zu verkleinern.“
Summers weiter: „Wie Britannien jetzt zeigt, führt ein schrumpfender Staatshaushalt zu einer Schrumpfung der Wirtschaft. Die Situation wird verschlimmert wenn, wie jetzt in Europa, die Zentralbank nicht handelt um die negativen Effekte der Austeritätspolitik zu bekämpfen.“ (Financial Times, 3.November)
Auch Adam Posen, Mitglied des Währungsausschusses der Bank of England, vertritt eine ähnliche Position (International Herald Tribune, 21. November). In der aktuellen Situation seien neue Konjunkturpakete notwendig, nicht weitere Sparmaßnahmen. „In der ganzen modernen Wirtschaftsgeschichte, ob in Westeuropa in den 1920ern, in den USA in den 1930ern oder in Japan in den 1990ern, wurde nach jeder größeren Finanzkrise die für eine Erholung notwendige Konjunkturpolitik zu früh beendet oder sogar rückgängig gemacht. Leider scheint die Welt diesen Fehler wieder zu machen…“
“Die wirtschaftliche Perspektive hat sich als so schlecht erwiesen, wie in auf historischen Erfahrungen basierten Prognosen angenommen wurde. Das gilt für die Art der Rezession, die Kürzungen der Staatsausgaben und die Gleichzeitigkeit ökonomischer Probleme in der ganzen westlichen Welt.“
Tatsächlich steht der weltweite Kapitalismus vor einer langen Stagnationsperiode mit bestenfalls einem schwachen Zyklus begrenzten Wachstums oder schlimmstenfalls einem neuen Abschwung, noch tiefer als 2007-2008.
Politische Krise
Die Krise der Eurozone ist nicht nur eine Wirtschaftskrise, sondern eine tiefe Krise der kapitalistischen politischen Führung. In Griechenland wurde die Papandreou-Regierung durch den „Technokraten“ Loukas Papadimos ersetzt, in Italien Silvio Berlusconi durch Mario Monti. In Spanien hat die PSOE-Regierung von José Zapatero eine massive Wahlniederlage erlitten und wurde von der rechten Partido Popular (PP) unter Mariano Rajoy abgelöst.
In Spanien war der Erdrutschsieg der Partido Popular kein Zeichen der Unterstützung für die PP, sondern eine Strafe für die PSOE-Regierung, unter deren Herrschaft die Immobilienblase platzte, die Arbeitslosigkeit steil anstieg und harte Kürzungen beschlossen wurden. Trotz ihres Sieges wird die PP keine langen Flitterwochen genießen, sondern es bald mit Massenbewegungen der Arbeiterklasse, der Studierenden und von Teilen der Mittelklasse zu tun bekommen.
Sowohl in Griechenland als auch in Italien hat die herrschende Klasse „Technokraten“, so genannte parteilose Experten, Banker und Bürokraten eingestellt. Papadimos war früher Vizepräsident der EZB, Monti war EU-Kommissar. Diese Autokraten vertreten die Diktatur des Marktes, und ihre Rolle ist es weitere drastische Angriffe auf die Lebensstandards der Arbeiterklasse zu führen.
Einige politische FührerInnen werden sich freuen, weil sie sich fürs erste hinter diesen Bürokraten verstecken können. Papadimos und Monti könnten sogar eine kurze Ruhephase bekommen, weil sie eine Abwechslung gegenüber den diskreditierten bisherigen politischen Führern sind. Aber ihre Politik wird schnell zu neuen Massenkämpfen führen, zu Streiks, Großdemonstrationen und anderen Protesten.
Die Ernennung dieser Bürokraten ist eine beunruhigende Entwicklung, obwohl sie keine starke Position haben. Ein Kommentator bemerkt: „Faktisch haben die Regierenden der Eurozone entschieden, die normale Politik in zwei Ländern auszusetzen, weil sie sie für eine tödliche Bedrohung für die europäische Währungsunion halten. Sie haben entschieden, dass die europäische Einigung, ein seit über 50 Jahren laufendes Projekt, so wichtig ist, dass vor der Bevölkerung rechenschaftspflichtige Politiker durch ungewählte Experten ersetzt werden müssen, die dafür sorgen, dass die Show weitergeht.“ (Tony Barber: Enter the Technocrats, Financial Times, 12. November)
Ein US-Kommentator schreibt: „In Italien und Griechenland wurden wenige Tränen für Silvio Berlusconi und Georgios Papandreou vergossen, die Ministerpräsidenten – der eine korrupt, der andere unfähig – die von der Achse Brüssel-Berlin-Paris gestürzt wurden. Aber obwohl ihre erzwungenen Rücktritte begrüßt werden zeichnen sie ein beunruhigendes Bild davon, wie ein echter Europäischer Staat aussehen würde. Stabilität würde auf Kosten der Demokratie erreicht: die Parlaments- und Wahlrituale blieben erhalten, aber die echte Entscheidungsgewalt ginge dauerhaft an die Kräfte der so genannten „Frankfurter Gruppe“ – einen ad hoc gebildeten inneren Kreis, bestehend aus Angela Merkel, Nicolas Sarkozy und einem Häufchen Banker und EU-Funktionäre, der seit Oktober das europäische Krisenmanagement verantwortet.“ (Ross Douhart, New York Times, 20. November 2011).
Die Rolle von Technokraten wie Papadimos und Monti spiegelt die völlige diskreditierung der bürgerlichen politischen Führungen wieder. Aber sie reflektiert auch den politischen Bankrott der linken Führungen der traditionellen Arbeiterparteien und Gewerkschaften. In ganz Europa gab es Wellen von Generalstreiks und Massenprotesten, darunter auch Massenbewegungen von Studierenden und der Mittelklasse. Aber die AnführerInnen der Linken konnten mit dieser Bewegung nicht schritthalten und waren ein Hindernis für effektiven Widerstand. Jetzt aber haben wir eine neue Periode, und noch größere Kämpfe werden für den antikapitalistischen Widerstand und das Ziel, den Kapitalismus durch eine sozialistische Planwirtschaft unter einer Arbeiterdemokratie zu ersetzen Massenunterstützung bringen.
Austritt Griechenlands?
Der „Technokrat“ Papadimos wurde an der Spitze der griechischen Regierung installiert, um noch härtere Kürzungen durchzuführen, eine Aufgabe, der er sich eifrig zu widmen scheint. Aber es gibt schon einen Abschwung in Griechenland, in diesem Jahr ist das BIP um 5% gefallen, im nächsten Jahr wird es schlimmer. Es gibt massenhafte Armut in der Arbeiter- und Mittelklasse, und öffentliche Dienstleistungen wurden in Stücke gerissen.
Trotz des Kürzungsprogramms ist ein Bankrott Griechenlands immer noch wahrscheinlich. Es hat keine Möglichkeit, in absehbarer Zeit seine Schuldenbelastung auf ein tragbares Niveau zu reduzieren. EU-Führungspersonen haben das akzeptiert, Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn räumte öffentlich ein dass ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone möglich ist. Hinter den Kulissen diskutieren Führungspersonen der Eurozone zweifellos Pläne für den Austritt nicht nur Griechenlands, sondern auch anderer Länder wie Portugals, Spaniens und Italiens. Ab einem bestimmten Punkt würden die Führer des deutschen Kapitalismus wahrscheinlich eine kleinere, stabilere Eurozone befürworten, mit Deutschland, den Niederlanden, Österreich usw., aber ohne „Finanzsünder“ wie Griechenland, Portugal usw..
Als Papandreou eine Volksabstimmung über das Kürzungspaket vorschlug, drohten EU-Führungspersonen mit dem Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone. Es wurde klar, dass zu diesem Zeitpunkt eine Mehrheit der GriechInnen stark für einen Verbleib in der Eurozone eintritt. Der Grund dafür ist, dass die Mitgliedschaft in der Eurozone in Griechenland mit einer Periode des Wachstums und Wohlstands assoziiert wird. Wie es ein Ökonom, Stegios Skaperdas, formulierte, fällt den meisten GriechInnen schwer zu akzeptieren, dass ihr „Eurotraum“ vorbei sein könnte. „Für die meisten Griechen, auch Ökonomen, war die Einführung des Euro wir die Hochzeit mit einer Traumfrau – schön, intelligent, fürsorglich, sogar reich. Und dann verwandelte sich die Ehe ziemlich plötzlich in einen Albtraum.“
In Argentinien gab es 1999-2001 eine ähnliche Situation. Sogar als der argentinische Staat pleite ging, zum Teil als Folge der Bindung des Peso an den Dollar, war in Umfragen immer noch eine Mehrheit für den Erhalt der Währungskopplung. Auch dort wurde die Bindung des Peso an den Dollar mit einer Periode des Wohlstands assoziiert. Erst später wurde die Illusion durch die zerstörerischen Folgen des Zusammenbruchs der argentinischen Wirtschaft zerstört.
In Griechenland müssen alle, die die Interessen der Arbeiterklasse vertreten wollen die Nichtzahlung der Staatsschulden fordern. Die Arbeiterklasse ist für diese Schulden nicht verantwortlich. Die ArbeiterInnen waren definitiv nicht die HauptprofiteurInnen (das waren Bauunternehmen, Kapitalisten, Reiche die keine Steuern zahlten usw.).
Ein Bruch mit dem Euro und die Wiedereinführung der Drachme würde eine Abwertung der Währung ermöglichen, die Exporte fördern würde, und es Griechenland ermöglichen, eigene Geldpolitik zu betreiben um Wachstum zu fördern. Der Austritt aus der Währungsunion an sich wäre jedoch keine Lösung für die griechische Arbeiter- oder Mittelklasse. Die Wirtschaft würde Zeit brauchen, um sich zu erholen, besonders wenn es einen globalen Abschwung gibt. Viele griechische Kapitalisten und Besitzer großer Vermögen haben ihr Geld schon auf ausländische Konten verschoben (und viele kaufen sich Luxusimmobilien, zum Beispiel in London). Wie in Argentinien würden Bankkonten teilweise suspendiert oder sogar geleert. Nach einem Staatsbankrott würde Griechenland eine zeitlang kaum Kredite bekommen um Importe zu bezahlen, so dass es im Land zu Mangel an wichtigen Gütern kommen würde.
Deshalb müsste ein Bankrott mit der Verstaatlichung der Banken verbunden sein und Kapitalbewegungen müssten kontrolliert werden, um Kapitalflucht zu verhindern. Schlüsselbereiche der Wirtschaft müssten unter die Kontrolle der Arbeiterklasse gestellt werden, um grundlegende Güter und Dienstleistungen zu sichern. Die griechischen ArbeiterInnen müssten an ArbeiterInnen in anderen Ländern appellieren, um die Versorgung mit wichtigen Gütern wie Treibstoffen, Nahrungsmitteln usw. sicherzustellen.
Eine solche Politik wäre natürlich eine Herausforderung an die kapitalistische herrschende Klasse und würde die Frage einer sozialistischen Gesellschaftsform aufwerfen. Im Moment erlebt Griechenland Schulden und Sparpakete am extremsten, aber andere Länder der Eurozone wie Portugal, Italien, Spanien und Irland liegen nicht weit zurück und für sie ist es ebenso dringend notwendig, auf die Eurokrise mit sozialistischer Politik zu reagieren.