Rekordblockade im Wendland

Massenhafter Protest gegen den Castortransport nach Gorleben


 

Ab dem 24. November starteten Proteste gegen den Castortransport nach Gorleben, die im Moment noch anhalten. Der Transport wurde jetzt schon um eine neue Rekordzeit verzögert. Obwohl sich die Bundesregierung versucht als Atomausstiegsregierung zu präsentieren, kamen massenhaft Menschen zu Blockaden und der Demonstration.

von Michael Koschitzki

Wir erreichten das Blockade-Camp in Hitzacker am Freitag Nachmittag. Schon in der Nacht zuvor hatte die Polizei klar gemacht, welche Botschaft sie über den Ticker senden wollte: „Gewalttätige Zusammenstöße zwischen Castor-Gegnern und Polizei.“ (BILD 27.11.) Es war politisch gewollt, durch Bilder von eingesetzten Wasserwerfern und Pfefferspray davon abzulenken, wie viele Menschen gegen Atomkraft, Castor-Transporte und gegen unsichere Atommülllager auf die Straße gehen. Der Ort Metzingen wurde zeitweise durch Straßenpanzer umstellt und Demonstranten Handschuhe und andere Gegenstände weggenommen. Die Wut der Bevölkerung im Wendland, welche die Polizei als Besatzungsmacht empfindet, wurde durch die Polizeigewalt jedoch nur noch mehr gesteigert. Bei einigen Demonstranten fruchtete die Provokation aber auch und sie lieferten die gewünschten Pressefotos. Da die Polizei jedoch auch vor Journalisten nicht halt machte, die von Hunden gebissen und massiv bei ihrer Arbeit behindert wurde, überlegte sich auch manches Blatt anders, wie es berichtete.

Massenproteste gegen Atomkraft

Trotzdem ließen sich die Menschen nicht vom Protest abhalten. Ungefähr 23.000 Menschen folgten dem Aufruf zur Demonstration in Dannenberg. Über 150 Busse aus der ganzen Bundesrepublik brachten Demonstranten nach Dannenberg. Auch ein paar Streikende der Charité Facility Management traten den Weg ins Wendland an. Parallel starteten mindestens 2000 Menschen zur Blockade und anderen Aktionen im Wendland. Viele Jugendliche waren auf der Demonstration zu sehen.

Letztes Jahr waren die Anti-Castor Proteste ein Höhepunkt der Bewegung gegen Atomkraft und die Laufzeitverlängerung der Bundesregierung gewesen. Rund 50.000 Menschen demonstrierten in Dannenberg. Wegen der Rücknahme der Laufzeitverlängerung und der Abschaltung mehrerer Kraftwerke im Frühjahr diesen Jahres war mit weit weniger TeilnehmerInnen gerechnet worden. Doch dieses Jahr wurde der Unmut über den Atomkompromiss und die Endlagerung des Atommülls deutlich. Auch die generelle Unzufriedenheit mit Schwarz-Gelb fand hier ein Ventil. Die Teilnahme überstieg die Erwartungen. Während die Demonstration kleiner war als vor einem Jahr, beteiligten sich wieder die gleiche Anzahl von Menschen an den Blockaden. Massenhaft wurde ein Zeichen gegen Atomkraft, Atommüll und die Politik der Bundesregierung gesetzt.

Als wir per Anhalter von der Demonstration zur Blockade fuhren, wo mehrere GenossInnen schon das Gleis mit erobert hatten, meinte unser Fahrer aus Lüneburg: „Das ist auch etwas von dem Funken der von Nord-Afrika überspringt. Die Leute lassen sich jetzt nicht mehr alles gefallen. Ich war die letzten Jahre nicht so aktiv, aber jetzt bin ich dabei.“ Im Gegensatz zur Polizei wurden wir von den Menschen im Wendland herzlich begrüßt.

Castor blockiert

Vielfältige Aktionen verzögern den Castor-Transport. Bereits die Südblockade und Blockaden an Orten, wo in den letzten Jahren noch wenig stattfand, hielten den Transport auf. Der bisherige Rekord den Transport aufzuhalten, wurde bereits am Sonntag Mittag erreicht, als der Castor noch gar nicht durch das Wendland fuhr. Ankettaktionen und geschotterte Stellen bereiteten der Polizei Kopfzerbrechen. Eine 600 kg schwere Betonpyramide, in die sich mehrere AktivistInnen gekettet hatten, ließ die Polizei verzweifeln. Nach 15 Stunden gab sie auf und musste erklären, dass sie nichts gegen die Konstruktion tun kann. Die vier angeketteten BäuerInnen lösten die Blockade selbst auf, da die Polizei sonst bei Baumaßnahmen ihre Gesundheit gefährdet hätte. Die Vorbereitungen durch die lokalen Bürgerinitiativen wurden intensiv geführt. Traktoren und LKWs blockierten zahlreiche Wege. Teile des Gleises verschwanden spurlos.

Die Massenblockaden üben großen Druck aus und treiben die Kosten des Polizeieinsatzes in die Höhe. Selbst die 19.000 im Einsatz befindlichen PolizistInnen kamen wieder an den Rand ihrer Kräfte. Am Montag wurde von eingetroffenen Verstärkungen berichtet. Auf der gesamten Strecke kam es zu friedlichen Sitzblockaden. Die größte Sitzblockade fand in Harlingen statt und dauerte 13 Stunden. Nach der Räumung der Blockade wurden die AktivistInnen in einem Freiluftkessel festgehalten. Bei Wintertemperaturen, Regen und starkem Wind mussten wir 11 Stunden lang auf freiem Feld ausharren. Laut Aussagen der Anwälte hat das Gericht den Kessel für illegal erklärt. Bereits das zweite Jahr in Folge wurden AktivistInnen auf diese gesundheitsschädigende Art festgehalten und ihr Demonstrationsrecht verletzt. Die AktivistInnen protestierten vielfältig gegen diese Behandlung und siegten letztendlich über die Polizeiwillkür. Unterstützt wurden sie von AnwältInnen, AktivistInnen und auch Bundestagsmitgliedern der Partei DIE LINKE, die Druck auf die Polizei ausübten.

Schwarz-Gelb abschalten

Die Proteste gehen mit mehreren Sitzblockaden auf der Straße weiter. BlockiererInnen widersetzen sich stundenlang Polizei, Sturm und Regen. Die Proteste sind ein deutliches Signal gegen das Endlager im Salzstock Gorleben und anderswo, gegen die Macht der Energiekonzerne und der Politik der Schwarz-Gelben Bundesregierung im Allgemeinen. Die Verbindung zu #occupy Protesten weltweit wurde gesehen. Das „Human Mic“ half bei Plenumsdiskussionen über schlechte Soundausstattung hinweg. Mehr Menschen sind bereit sich der Politik für Banken und Konzerne in den Weg zu stellen und „sich nicht mehr alles gefallen zu lassen.“ Weiter so!