Wo stehen die #occupy-Proteste?
Am 12. November gingen in Frankfurt und Berlin 18.000 Menschen unter dem Motto „Banken in die Schranken“ auf die Straße. Seit dem 15. Oktober gibt es zahlreiche Aktionen die Bezug auf die Bewegung in den USA und anderen Ländern nehmen. Gleichzeitig kämpfen die Besetzer mit ihren Zelten gegen die Winterkälte. Was ist los mit den #occupy Protesten?
von Michael Koschitzki, Berlin
Inspiriert sind die #occupy-Proteste durch die Massenbewegungen und Platzbesetzungen weltweit. Bereits als Reaktion auf die Empörten-Bewegung in Spanien gab es vereinzelte sehr kleine Aktionen in Deutschland. Die #occupy Wall Street Proteste in New York fanden im führenden imperialistischen Land statt und im Herz der internationalen Finanzwelt. Die Proteste gaben international den Startschuss sich dem durch die spanische Bewegung ausgerufenen Protesttag am 15. Oktober anzuschließen.
In Deutschland gingen an diesem Tag mit Aktionen in 45 Städten 40.000 Menschen auf die Straße. Die größten Demonstrationen fanden in Berlin, Frankfurt und Stuttgart statt. Sie drückten die Wut auf Schwarz-Gelb und ihre Politik im Interesse der Banken und Konzerne aus. Ausweitung von Niedriglohn und prekärer Beschäftigung hat trotz Wirtschaftsaufschwung die Unterstützung für das System und die Politik nicht gesteigert.
Dynamik der Bewegung
Die Mobilisierung zum 15. Oktober wurde auch durch die Partei DIE LINKE verstärkt, die kurzfristig ihre Webseite, Newsletter und Interviews nutzte, um zur Teilnahme an den Protesten aufzurufen. In Frankfurt kam es zur Errichtung einer Zeltstadt, in Berlin zu regelmäßigen Versammlungen auf der Reichstagswiese.
Aber im Gegensatz zu Ländern in Südeuropa traf die Bewegung hier nicht auf eine explosive Stimmung in weiten Teilen der Bevölkerung. Die Arbeitslosigkeit ist (natürlich auch durch Fälschung der Statistik) auf einem niedrigen Stand und es sind zur Zeit keine Kürzungspakete wie in Portugal geplant. Dort kündigte die Regierung im Oktober ein weitere „Einsparungen“ an, was der Bewegung half 100.000 Menschen in Lissabon auf die Straße zu bekommen.
In den USA fand der Unmut über die wirtschaftliche Situation, aber auch die abnehmenden Illusionen in Obama ein Ventil in den #occupy Protesten. Das angekündigte Kürzungsmassaker, Zwangsräumungen von Häusern und so weiter geben der Bewegung in den USA eine Grundlage. In einer Umfrage haben 60 % der US-Amerikaner ihre Unterstützung der #occupy-Proteste ausgedrückt. Die Beteiligung von Gewerkschaften und BeschäftigtenvertreterInnen fand und findet in den USA in einem anderem Ausmaß statt.
Hier ist die Situation noch etwas davon entfernt. Das führte dazu, dass die Versammlungen und weitere Demonstrationen nicht an die Größe vom 15. Oktober anknüpfen konnten und es keine aufsteigende Dynamik der #occupy Proteste gab. Trotz Medienhype gelang es den Besetzungen nicht, auf mehr als ein paar Dutzend TeilnehmerInnen anzuwachsen, die bereit waren, dem Herbstwetter trotzend, im Freien zu campen.
Wen soll man wie erreichen?
Die Proteste kopierten oberflächlich viele Eigenschaften der Bewegung vor allem aus den USA. Weil an der Wall Street der Einsatz von Megafonen verboten ist, hatten die AktivistInnen durch Weiterrufen, dem Mic Check, einen eigenen Weg gefunden, sich zu organisieren. Bei den Protesten in Berlin und Frankfurt wurde trotz aller Verfügbarkeit von Megafonen das gleiche Prinzip eingesetzt. Doch nur weil man Zelte aufbaut, wie in Spanien oder Israel wird das Herbstwetter nicht wärmer. Nur weil man kein Megafon einsetzt, wird es noch kein Protest mit massenhafter Unterstützung wie in den USA.
Das gilt auch, weil die Organisationsform wenig geeignet sind, massenhaft Beschäftigte, Jugendliche und Erwerbslose zu erreichen. In Berlin haben sich beispielsweise streikende Beschäftigte aus der Charité an den Demonstrationen beteiligt. Sie wurden eindringlich mehrfach dazu aufgefordert ihre Gewerkschaftsfahne einzupacken, was sie verständlicherweise nicht getan haben. (Video darüber hier) Stundenlange Debatten der Asambleas, die zu wenig Ergebnissen führen und in denen nur die mit dem meisten Sitzfleisch die Entscheidung letztendlich treffen, haben die Einbeziehung möglichst vieler Menschen nicht ermöglicht.
Die WortführerInnen der #occupy Proteste loben die absolute Unabhängigkeit von Organisationen. In Wirklichkeit ist das ein Rückschritt. Sie sagen bei den Protesten würden nur Individuen reden, Organisationen müssen außen vor bleiben und jeder könne mitmachen. Gleichzeitig wird impliziert, dass es gar keine Klassengesellschaft gäbe, die in die Besitzenden und die Beschäftigten und Erwerbslosen geteilt wäre. Denn wenn man das anerkennt, wird man feststellen, dass die Herrschenden in diesem Land sehr gut organisiert sind und viele Parteien und Organisationen haben, während die Mehrheit der Bevölkerung nur sehr wenige hat. Politische Organisationen sollten in der Bewegung ihre Positionen transparent darstellen können, ihre Erfahrungen einbringen können und ihre Ressourcen zur Stärkung der Proteste nutzen. In echten demokratischen Strukturen würde verhindert werden, dass einzelne Organisationen oder wie jetzt Individuen dominieren könnten.
Banken in die Schranken
Für den 12. November hatten Campact und Attac zu Großdemonstrationen in Frankfurt und Berlin unter dem Titel „Banken in die Schranken“ aufgerufen. Mit intensiver Vorbereitung, zahlreichen Plakaten und Unterstützung hatten sie versucht an dem Potential vom 15. Oktober anzuknüpfen.
Die Protestinitiativen der #occupy Bewegung hatte sich geweigert eigene Forderungen aufzustellen und wenig Diskussionen über Forderungen geführt. Dadurch dass man nicht einmal formuliert gegen was genau man demonstriert, bleiben die Proteste wage und weniger anziehend. Das führt auch dazu, dass die Proteste eher Bitten an die „Politik“ formulieren, als gegen die Politik für Banken und Konzerne zu demonstrieren. Gleichzeitig erleichterte das Attac und Campact die Forderungen der Demonstration am 12. November begrenzt zu halten. Im Aufruf zum 12. November wird das Privateigentum an Banken nicht angetastet. Eine Zerschlagung von Großbanken wird statt der Verstaatlichung gefordert. Mit Formulierungen, wie „Die Profiteure der bisherigen Rettungsschirme müssen endlich angemessen an den Kosten der Krise beteiligt werden.“ wird der Eindruck erweckt, dass auch die Masse der Bevölkerung ihren Anteil an den Kosten der Krise zu tragen hat. Das Antikrisenbündnis in Berlin dagegen hatte einen eigenen Aufruf zur Demonstration verfasst, in dem sie sagen: Andere Geschäftsregeln für Banken und eine Besteuerung von Finanzgeschäften alleine reichen nicht aus, um zu verhindern,dass die Mehrheit der Menschen für die Krise zahlt, während die Profite steigen. […]Wir müssen die Banken, Konzerne und Vermögensbesitzer entmachten und die Spardiktate von EU, IWF und EZB stoppen!“
In Hinblick auf einen kommenden schweren Einbruch der Wirtschaft und eine Zuspitzung der Eurokrise müssen Linke und AktivistInnen das Programm weiter diskutieren. Eine Bewegung wird auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn sie bereit ist die Bankenmacht anzutasten und Banken zu verstaatlichen und mit der Macht der Banken und Konzerne grundlegend zu brechen, den Kapitalismus als Ganzes in Frage zu stellen und eine sozialistische Perspektive aufzuzeigen.
Vor weiteren Herausforderungen
Am 17. November findet der Bildungsstreik statt. Schon 2009 hatten Bildungsproteste „Geld für Bildung statt für Banken“ gefordert. Darin liegt die Schnittmenge der Proteste. DIE LINKE.SDS hat an Universitäten deshalb zu Gründung von #occupy university Gruppen aufgerufen. In Berlin waren bis zu 60 Studierende bei den Treffen. Durch die Überfüllung der Universitäten, Stress und Auslese bei den Bachelor/Master-Studiengängen und mangelnde Ausfinanzierung der Lehrgänge ist die Wut gegeben. Der Bildungsstreik ist regional sehr unterschiedlich vorbereitet und vom 12. November sollte das Signal ausgehen, die Wut am 17. November entschlossen auf die Straße zu tragen. Besetzungen von Hörsälen um den 17. November können der Ort für weitere Diskussionen sein und das Zentrum nächste Proteste zu organisieren.
An der Beteiligung von 18.000 Menschen an den Demonstrationen am 12. November lässt sich anknüpfen und weitere Protest aufbauen. Jedoch zeigt es, dass es nicht reicht, die #occupy Bewegung in Deutschland auszurufen, um eine Bewegung der gleichen Dynamik wie in den USA und anderswo hervorzurufen. Bei den Besetzungen besteht die Gefahr, dass sich zu wenige beteiligen und diejenigen, die campen sich irgendwann frustriert zurückziehen.
Wir müssen gemeinsam diskutieren, wie der Widerstand gegen Bankenrettung, Prekarisierung und Umverteilung gestärkt und aufgebaut werden kann. AktivistInnen, Gewerkschaften und Organisationen müssen bundesweit gemeinsam diskutieren, wie sich auf die abzeichnende Angriffe im Zuge der Wirtschaftskrise und Eurorettung vorbereitet werden kann und eine möglichst gute Vorbereitung auf diese Phase möglich ist.
Aktiv werden und organisieren
Wir brauchen eine Alternative zum weltweiten kapitalistischen Chaos. Die SAV ist international in über 40 Ländern organisiert und aktiv in den Bewegungen in den USA, Griechenland, Spanien, Portugal, Israel, Großbritannien usw. Wir bringen uns für eine demokratische und kämpferische Bewegung ein. Wir kämpfen für eine sozialistische Demokratie, wo anders als in der DDR keine Minderheit über eine Mehrheit, sondern demokratisch von unten über die Gesellschaft und die Wirtschaft bestimmt wird. Schließe dich uns an und werde aktiv.