ArcelorMittal will die Flüssigstahlproduktion in Lüttich (Belgien) endgültig schließen
Es kam wie aus heiteren Himmel: ArcelorMital kündigte kürzlich die endgültige Schließung der Flüssigstahlproduktion in Lüttich an. Jahrelang wurden die Arbeiter zwischen Versprechungen und Enttäuschungen hin und her gerissen. Jetzt droht ihnen ihnen der Verlust ihrer Arbeitsplätze. Es geht um beinah 1000 Jobs (581 feste Stellen und 400 Zeitarbeiterstellen), die direkt betroffen sind, darüber hinaus soll es noch einige mehr auf indirekte weise treffen. Aber auch die Zukunft der "kalten Phase" des lütticher Standortes ist unsicher. Wie können wir die Arbeitsplätze retten?
von Nicolas Croes, CWI Belgien
Seit der Pleite von Forges de Clabeq 1997 haben die Metallarbeiter immer wider gehört gehört, dass die Stahlproduktion in Belgien keine Zukunft hat. Der Refrain wurde in den letzten 10 Jahren systematisch Benutzt, um den Arbeitern Zugeständnisse in Form von bspw. mehr Flexibilität abzuringen und seit 2009 einen Lohnstopp durchzusetzen. Das einzige was damit jedoch gesichert wurde, waren die Gewinne des Konzerns.
Mit dem gleichen Argument Arbeitsplätze zu sichern, wurden Steuervorteile gewährt, darunter der berühmte Eigenkapital-Zinsabzug (Steuervergünstigungen bei Investitionen mit Eigenkapital besser bekannt unter den französischen Begriff "Intérêts notionnels"), wodurch der Gesellschaft riesige Summen an Steuergeldern entgehen. Der offizielle Steuersatz in Belgien beträgt 33,99%. Der Finanzbereich von ArcelorMittal (ArcelorMittal Finance and Services Belgium) machte im letzten Jahr 1,394 Mrd. € Gewinn, aber bezahlte dafür keinen einzigen Cent Steuern. Im selben Jahr machte ArcelorMittal Belgium, der industrielle Zweig des Unternehmens 59 Mio. Gewinn. und zahlte dafür gerade mal 42.000 € Steuern. ArcelorMittal Upstream, dessen Schließung angekündigt wurde, machte 35 Mio. € Gewinn und zahlte darauf ganze 936 € Steuern. Die Steuervorteile sollten den Arbeitsplätzen zugute kommen, sie haben aber keinen einzigen gerettet!
Verstaatlichen?
Die vereinte Gewerkschaftsfront bei ArcelorMittal hat offiziell bei Regierungsbildner di Rupo angefragt, die lütticher Stahlproduktion zu verstaatlichen. Die Regierung hat immerhin geschafft innerhalb eines Wochenendes 4 Mrd. € für Dexia aufzutreiben, um Spekulanten und Anteilseigner der Bank zu retten, warum sollten sie dann keine Milliarde finden, um die warme Phase in Lüttich zu retten? Didier Van Caillie, Professor für Betriebswirtschaft an der Lütticher Universität, sieht darin „eine Idee, die zumindest untersucht werden muss.“ Er betont jedoch, dass eine Verstaatlichung nur „vorübergehend“ sein müsste und die Stahlproduktion schnellstmöglich wieder in private Hände übertragen werden muss.
Ähnlich hört sich die Argumentation von verschiedenen Gewerkschaftsführern an. Fabrice Jacquemart von der FBTB Métal Luik-Luxemburg : „Unserer Ansicht nach, sollten wir zurück zu der Situation, die wir 1980 – 1990 hatten, vor dem Verkauf an Usinor. Das bedeutet, eine starke Einflussnahme der wallonischen Regierung bis ein neuer Unternehmer gefunden wird der den Betrieb übernimmt.“ Der wallonische Wirtschaftsminister Jean-Claude Marcourt (PS) – der sich einst ohne ironischen Unterton, Anti-Kapitalist nannte – hat ganz schnell erklärt, dass das unmöglich sei, weil das nicht die Aufgabe der wallonischen Regierung ist und außerdem verbietet das die Europäische Union. In seinem Kabinett verteidigt man die Ansicht, dass nur die Übernahme durch ein anderes Unternehmen die „warme Phase“ in Lüttich retten kann. Dazu müsste aber ArcelorMittal bereit sein, auch die Produktionsmittel zu verkaufen, was alles andere als sicher ist.
Die Richtlinien sind offensichtlich etwas dehnbarer, wenn es um die Interessen der Bosse und Banken geht. Als 2008 mehrere Banken in Schwierigkeiten gerieten und verstaatlicht wurden, war da keine Europäische Union, die etwas dagegen hatte, dass die Mitgliedsstaaten Banken verstaatlichen. Hier ging es um die Rettung der Bänker. Jetzt, wo es um die Rettung von Arbeitsplätzen geht, ist eine Verstaatlichung unmöglich. Wenn die Stahlproduktion verstaatlicht wird und mit der gleichen Gewinnlogik wie die SNCB geführt wird, dann müssen wir doch einige Fragezeichen dahinter stellen. Wir verstehen unter Verstaatlichung etwas anderes….
Jobs und nicht Gewinne retten
Gibt man sich in die Hände eines potentiellen Käufers, dann werden die Arbeitsplätze wieder den Profitinteressen der Privatwirtschaft überlassen. Es geht hier nicht nur um die direkten Arbeitsplätze, sondern auch um die der Subunternehmer, die Gemeinden (in Seraing kommen 5 Mio. € von einem Gesamthaushalt von 90 Mio. € von ArcelorMittal, Oupeye bekommt 3,7 Mio. €) und den öffentliche Dienst. Der Bahnhof von Kirnkempois wird zu 70% von AcelorMittal benutzt. Auch wenn die Schließung der Flüssigstahlproduktion den Bahnhof nicht unmittelbar trifft, ist auch die Zukunft des Bahnhofs ungewiss, da auch die kalte Phase zur Diskussion steht.
Ein so bedeutender Industriezweig wie die Stahlproduktion darf nicht den Privaten überlassen werden. Das führt nur zu sozialen Dramen. Die Jugendarbeitslosigkeit in Seraing beträgt jetzt schon 35%…. Mehrere Ökonomen bestätigen, dass die durch die Schließung zu erwartenden Auswirkungen auf die Region die Übernahme der Produktionsmittel durch die Regierung rechtfertigt. Aber warum sollte die Regierung etwas für diesen Betrieb bezahlen? Die Gemeinschaft ist durch die Stahlindustrie jetzt schon genug ausgeraubt worden. Zusätzlich zu den Steuergeschenken, werden noch "zig Millionen für die CO2 Quote bezahle, die wallonische Regierung gab 20 Mio. € für Forschung für ArcelorMittal aus. Anstelle für die Produktionsmittel zu bezahlen, sollten wir dieses Geld zurückfordern.
Auf der ganzen Welt gibt es Aktionen von Arbeitern und Jugendlichen gegen das nur am Profit interessierte System. Sie besetzen Plätze und führen dort regelmäßig unabhängige und für alle offen stehende und Versammlungen durch in denen sie ihre Aktionen planen und steuern. Wir müssen für die Verstaatlichung der gesamten Stahlindustrie kämpfen, ohne Entschädigung für ArcelorMittal und unter demokratischer Kontrolle der Arbeiter und der Gemeinschaft. Die Metallarbeiter kennen ihren Betrieb durch und durch und sind gemeinsam fähig deren Leitung zu übernehmen. Warum nicht einen ersten Schritt in diese Richtung tun und die Fabrik besetzen, demokratische Streikkomitees aufstellen und regelmäßig allgemeine für alle offene Versammlungen durchführen? So wird aus der Besetzung von Plätzen die Besetzung von Arbeitsplätzen und die Produktionsmitteln in die Hände der Arbeiter und Gemeinschaft überführt.