Afghanistan Krieg für die Befreiung der Frauen?

Seit 10 Jahren führt die NATO Krieg in Afghanistan. Die NATO-Staaten rechtfertigen den Krieg unter Anderem mit der Behauptung, die Rechte der afghanischen Frauen und Mädchen gegen religiöse Fundamentalisten zu verteidigen. Aber was hat der Krieg ihnen wirklich gebracht?


 

von Jan, Parchim

Tod und Leiden

Die Besatzungstruppen bombardieren und erschießen in Afghanistan nicht nur Taliban-Kämpfer, sondern immer wieder auch ZivilistInnen, darunter viele Frauen. Besonders Luftangriffe der NATO, die vermeintliche Taliban-Stützpunkte bombardiert, treffen die Bevölkerung. Zum Beispiel ließ im September 2009 die Bundeswehr in der Nähe der Stadt Kunduz einen Tankwagen bombardieren, an dem sich Menschen mit Benzin versorgten. Bis zu 142 Menschen wurden getötet. Niemand zählt alle toten ZivilistInnen, aber Schätzungen zufolge sind über 30000 Menschen direkt durch Kämpfe umgekommen. Dazu kommen viele mehr, die durch indirekte Folgen des Krieges wie Flucht und Vertreibung (fast 10% der Bevölkerung sind Flüchtlinge), durch Verhungern und fehlende medizinische Versorgung starben und sterben, andere werden verletzt und leiden für den Rest ihres Lebens unter bleibenden Schäden. Frauen leiden in dieser Situation zusätzlich zur Gefahr für Leib und Leben noch darunter, dass sie die Pflege von Verletzten und Invaliden übernehmen und möglicherweise den Ausfall des „Haupternährers“ der Familie ausgleichen müssen.

Bleibende Armut, neue Unterdrücker

Ein häufig gehörtes Argument für den Krieg ist, dass die Taliban Mädchen nicht zur Schule gehen ließen und Frauen verboten, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Heute ist zwar beides gesetzlich erlaubt, die meisten Mädchen und Frauen haben aber weiterhin keinen Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung. 82% der Frauen zwischen 16 und 24 sind Analphabetinnen (UNICEF, Stand 2008). Jede elfte Frau in Afghanistan stirbt bei der Geburt eines Kindes (Deutschland: eine von 11100). Die Chance, dieses Schicksal für sich auszuschließen haben nur wenige: 90% der Frauen haben keinen Zugang zu Verhütungsmitteln. Die Lebenserwartung liegt unabhängig vom Geschlecht bei nur 44 Jahren. Zwei Drittel der Bevölkerung, also 20 Millionen Menschen, leben von weniger als einem US-Dollar (0,72 Euro) am Tag. Allein die USA geben nach offiziellen Angaben über 6 Milliarden Dollar im Monat, also 200 Millionen am Tag, für den Krieg aus. Die Bundeswehr hat seit 2001 offiziell 17 Milliarden Euro für den Krieg ausgegeben, bis zum angeblich geplanten Abzug 2014 sollen noch mindestens 5 Milliarden dazu kommen. Dieses Geld nützt nicht den Menschen in Afghanistan, sondern der Rüstungsindustrie.

Die nach dem Sturz des Taliban-Regimes 2001 eingesetzten Herrscher tun kaum etwas zur Verbesserung der Situation von Frauen, Mädchen oder der Masse der Bevölkerung allgemein. Die von der NATO unterstützte Zentralregierung um Hamid Karsai teilt sich die Macht mit zahlreichen „Warlords“, die mit ihren Privatarmeen Teile des Landes beherrschen. Sowohl den Warlords als auch den korrupten Bürokraten der Karsai-Regierung geht es in der Regel nicht um Menschenrechte und Demokratie, sondern um persönliche Macht und Reichtum. Ihre Politik ist oft kaum weniger vom islamischen Fundamentalismus geprägt als die der Taliban. 2009 führte Karsai ein Ehegesetz ein, nach dem Frauen ob sie wollen oder nicht mindestens alle 4 Tage Sex mit ihren Männern haben müssen und das Haus ohne Genehmigung des Mannes nicht verlassen dürfen, obwohl Frauen offiziell laut der Verfassung gleichberechtigt sind.

Truppen raus

Weil es für die NATO keine Chance gibt, den Krieg mit militärischen Mitteln zu gewinnen – die Taliban werden eher stärker – lässt sie Karsai mit den Taliban verhandeln. Falls es irgendwann zu einer Einigung kommt, haben Frauen von einer Karsai-Taliban-Koalition nichts anderes zu erwarten als weitere Unterdrückung, Armut und Korruption.

Die Besatzungstruppen haben kein Interesse an einer Selbstorganisierung der Frauen und der Bevölkerung insgesamt, durch ihre Anwesenheit treiben sie die Menschen in die Arme der Taliban.

Deshalb ist der sofortige Abzug der Truppen, wie ihn die LINKE fordert, notwendig. Die Bundeswehr und ihre NATO-Verbündeten haben zwar angekündigt sich aus Afghanistan zurückzuziehen, aber nicht vor 2014. Gegen die Fortsetzung des Krieges ruft die Friedensbewegung zu Protesten anlässlich der Konferenz der kriegführenden Staaten in Petersberg (Bonn) Anfang Dezember auf.