Interview mit Matthias, Maschinen-Bediener beim Daimler-Werk in Berlin und aktiv in der Betriebsgruppe der "Alternativen Metaller".
Die Zahl der LeiharbeiterInnen in Deutschland wächst stetig. Manpower meldete schon Silvester 2010 bundesweit eine Million Leiharbeitskräfte. Das heißt, die Unternehmer versuchen durch massives Personalleasing ihre Gewinne zu maximieren und an der Lohn-Spirale nach unten weiter zu drehen. Auch in der Autoindustrie werden immer häufiger LeiharbeiterInnen eingesetzt statt die Stammbelegschaft zu erhöhen.
Wie sieht die Personalpolitik bei Daimler aktuell aus?
Seit der rot-grünen Agenda 2010 steht die Ampel auf grün für die Leiharbeit. Das Daimler-Unternehmen vereinbarte, dass acht Prozent der Belegschaft mit Arbeitskräften von Zeitarbeitsagenturen besetzt werden können. Und davon machen sie vermehrt Gebrauch. Dazu kommt, dass in den letzten Jahren mehr als 500 Ausbildungsplätze gestrichen worden sind.
Ist diese Entwicklung auch bei Euch im Werk Marienfelde spürbar?
In der letzten Zeit verließen viele Kollegen im gegenseitigen Einvernehmen, durch Abfindungszahlung oder durch Altersteilzeit, das Unternehmen oder gingen in Rente.
Zeitverträge liefen aus und wurden nicht verlängert. Diese Arbeitsplätze wurden nicht neu besetzt. Nach der Wirtschaftskrise erholte sich die Automobilwirtschaft. Bezüglich der zur Zeit gestiegenen Auftragslage ist ein Personalmangel in fast allen Abteilungen zu spüren. Trotzdem werden weitere Festeinstellungen vermieden. Stattdessen erhielt die Belegschaft Unterstützung durch Leiharbeitnehmer. Eine Beratung im Betriebsratsgremium oder eine rechtzeitige Information an alle Betriebsräte gab es nicht.
Kannst du die Arbeitsbedingungen der Leiharbeiter im Werk beschreiben?
Neben den Lohnunterschieden stehen Leiharbeitnehmer besonders unter Druck. Durch flexible Einsetzbarkeit und ihren befristeten und unsicheren Arbeitsplatz sind sie also hoher körperlicher und gesundheitlicher Belastung ausgesetzt.
Was fordert die "Alternative"?
Wir fordern genügend Personal, damit die Aufgaben ohne Sonderschichten und ohne Unterbesetzung normal erledigt werden können. Die permanente Unterbesetzung führt zu erhöhtem Leistungsdruck, zu Stress, Streitigkeiten, welche sich unter anderem negativ auf die Gesundheit der Arbeitnehmer auswirken.
Außerdem fordern wir: Festeinstellung statt Leiharbeit, bei gleichem Lohn für die gleiche Arbeit! Eine Übernahme aller Auszubildenden und die Verkürzung der Arbeitszeiten bei vollem Lohn! Und das nicht nur hier, sondern auch in allen anderen Betrieben und Branchen.
Die Fragen stellte Sven Beyer
Moderne Form von Sklavenhandel
Bis 1967 war Leiharbeit in der Bundesrepublik verboten.
Als SPD und Grüne 1998 im Bund die Regierung übernahmen, gab es etwa 250.000 LeiharbeiterInnen. Nachdem die 2003 die Hartz-Gesetze beschlossen wurden, gab es kein Halten mehr.
Als die Weltwirtschaftskrise 2008 ihren Lauf nahm, waren über 700.000 Zeitarbeitskräfte beschäftigt. In der Rezession wurden dann 150.000 LeiharbeiterInnen beinahe über Nacht gefeuert. Etwa jeder achte Leiharbeiter muss heute trotz Arbeit ALG II beantragen.