Mitte 2009 waren 250.000 gegen die Bildungsmisere auf der Straße, 2010 nochmal fast 100.000. Doch seitdem wurde es eher ruhig um die Bildungsstreikbewegung.
Das könnte sich bald ändern. Es gab bundesweite Vernetzungstreffen, im Juli in Köln und im August in Gießen. Kommt der neue Bildungsstreik?
Weiterhin Bildungskürzungen
Die Proteste waren groß, aber die Probleme sind geblieben: zu große Klassen, überfüllte Hörsäle, Leistungsdruck und fehlende Lehrmittelfreiheit. Bildungskürzungen wie zuletzt in Bremen, wo Stellenstreichungen und Lohnkürzungen für LehrerInnen sowie ein Einstellungsstop für ReferendarInnen angekündigt wurden, sind weiterhin bittere Realität. Der AStA der Uni Rostock muss rund die Hälfte seiner studentischen Referate aufgeben – wegen finanzieller Engpässe. Die Schuldenbremse in Bund und Ländern wird zu einer Bildungsbremse werden, die schon weit vor ihrer Anwendung ab 2020 als Argumentation zum Kürzen verwendet wird. Doch eins der größten Probleme wird der jetzt kommende Ansturm auf die Studienplätze sein. Durch Doppeljahrgänge und Abschaffung der Wehrpflicht wird es krasse NCs und dadurch viele Absagen geben. Trotzdem werden die Unis überfüllt sein, Wochenend- und Randzeitseminare sind angekündigt und die Betreuung wird sich weiter verschlechtern.
Pimp your Bildungsstreik
Zündstoff gab und gibt es also genügend für Proteste. Woran liegt es dann, dass die Bildungsstreikbewegung keine großen Erfolge hatte? Unser größter Kritikpunkt ist die mangelnde Selbstorganisation. Die Bewegung wird zu wenig von der Masse der SchülerInnen und Studierenden getragen. Unattraktive Plena und Vernetzungstreffen, die diejenigen für sich entscheiden konnten, die am meisten Zeit für lange Konsensdebatten hatten, schreckten viele ehrliche SymphatisantInnen ab. Dadurch waren die Entscheidungen hauptsächlich in den Händen Weniger.
Auch die Ziele waren zu unklar formuliert, um eine breite Bewegung aufzubauen. Die Vorschläge der SAV, damals wie heute, sind die Schaffung von demokratisch aufgebauten Aktionskomitees, die offen für alle AktivistInnen sind, um die Selbstorganisation zu stärken. Diese könnten zu bundesweiten Treffen dann VertreterInnen entsenden, die jederzeit wähl- und abwählbar sind. Außerdem schlagen wir vor, konkrete, greifbare Kampfforderungen aufzustellen, die breitere Schichten von SchülerInnen, Studierenden und Azubis erreichen, gleichzeitig auch aber eine grundsätzliche Kritik am Bildungssystem im Kapitalismus aufwerfen. Die SAV fordert Masterplätze für alle, die Abschaffung aller Studiengebühren, die demokratische Gestaltung der Lehr- und Studienpläne durch Lehrende und Lernende gemeinsam sowie die ausreichende Finanzierung des Bildungssystems.
Solche Forderungen würden viele Studierende ansprechen, weil sie die drängenden Probleme aufgreifen, zugleich aber das Bildungssystem grundsätzlich kritisieren – denn der Kapitalismus hat kein Interesse an guter Bildung für alle. Die SAV hat in der Bildungsstreikbewegung im Sinne der Kritikpunkte argumentiert, aber trotzdem die Bewegung zusammen mit Anderen aufgebaut und konstruktiv mitgearbeitet.
Großdemo im November?
Auf den letzten beiden Vernetzungstreffen wurde nun eine bundesweite Demo für den 17. November ausgerufen. Das Label Bildungsstreik ist aber etwas „verbraucht“ für eine Reihe von SchülerInnen und Studierenden. Das schmälert das Potential für die Proteste. Die Frage ist, ob die Schwächen der bisherigen Bewegung überwunden werden können und man ausgehend davon eine starke Bewegung aufbauen kann. Einen Unterschied macht es, wenn linke Organisationen von SchülerInnen und Studierenden wie beispielsweise Linke.SDS sich bei der Organisation eines Bildungsstreiks einbringen. Diese Diskussionen müssen auf den nächsten Vernetzungstreffen geführt werden.
David