Mit dem Kapital oder gegen das Kapital?

Die Mitbestimmung im Programmentwurf der LINKEN


 

Der aktuelle Programmentwurf der LINKEN spricht sich einerseits für eine Überwindung des Kapitalismus und eine neue Eigentumsordnung aus, andererseits weist er in entscheidenden konkreten Punkten keine Alternative zum Profitsystem auf. So auch in der Frage, wie gesellschaftlicher Einfluss auf die Unternehmen durchgesetzt werden soll. Hier werden Ideen von „Wirtschaftsdemokratie“ und „Mitbestimmung“ vertreten, die eben keinen wirklichen Bruch mit kapitalistischen Verhältnissen bedeuten.

von Heino Berg, Göttingen, und Simon Aulepp, Kassel

DIE LINKE erhebt als einzige im Bundestag vertretene Partei in ihrem Programm den Anspruch, eine Gesellschaft jenseits der kapitalistischen Marktwirtschaft erreichen zu wollen. Sie fordert „demokratische gesellschaftliche Eigentumsformen“ für die strukturbestimmenden Großbetriebe und öffentliches Eigentum für die Unternehmen der Daseinsvorsorge und das Bankwesen.

Gleichzeitig bezeichnet sie aber die „paritätische Mitbestimmung“ als Ziel ihres politischen Handelns. Im Entwurf heißt es: „Deshalb setzen wir uns für die Erweiterung der paritätischen Mitbestimmung und für die Durchsetzung des Vetorechts der Belegschaften gegen die Schließung von Betrieben ein, die nicht von Insolvenz bedroht sind.“ Das erweckt den Eindruck, dass – bezogen auf private Unternehmen – die Forderung nach Änderung der Eigentumsordnung für die unbestimmte Zukunft, die nach paritätischer Mitbestimmung für die aktuelle Politik gemeint ist.

Jede „Mitbestimmung“ der Beschäftigten setzt voraus, dass die Besitzrechte der Anteilseigner in den Großbetrieben nicht abgeschafft und durch öffentliches Eigentum ersetzt, sondern lediglich beschnitten beziehungsweise durch Vetorechte ergänzt werden sollen. Die Mitbestimmung zementiert also das Privateigentum an den Produktionsmitteln anstatt es zu überwinden. Die Einschränkung der Vetorechte auf „NICHT von Insolvenz bedrohte“ Betriebe unterstreicht, dass mit dieser Strategie nicht einmal Stilllegungen verhindert werden können und dass sie ganz im Rahmen der kapitalistischen Logik verharrt.

Abmilderung der Widersprüche statt deren Aufhebung

Die Mitbestimmung, wie sie in Deutschland existiert, ist ein zweischneidiges Schwert. Sie war ein Zugeständnis der Kapitalisten angesichts großer Kämpfe der Arbeiterklasse in der Vergangenheit, mit dem Ziel, dadurch nicht die ganze Kontrolle über die Betriebe an die ArbeiterInnen abgeben zu müssen. Linke verteidigen Mitbestimmungsrechte, wie alle – auch noch so beschränkten – Errungenschaften der Arbeiterbewegung.

Diese zu verteidigen bedeutet aber nicht, sie zu eigenen politischen Prinzipien zu erheben. Denn die Herrschenden haben der Mitbestimmung einen pro-kapitalistischen ideologischen und rechtlichen Rahmen gegeben, der davon ausgeht, dass die Interessen von Lohnabhängigen und Kapitaleignern nicht entgegengesetzt und unvereinbar sind, sondern durch eine Zusammenarbeit dieser Klassen in betrieblichen Gremien und Aufsichtsräten miteinander versöhnt werden können.

Die Erfahrungen mit der Mitbestimmung, auch mit der paritätischen in der früheren Montanindustrie (in der BRD von 1951 an), beweisen jedoch das genaue Gegenteil: Sie hat die Anteilseigner in diesen Industriezweigen weder an gigantischen Profiten, noch an der Zerstörung von Zehntausenden von Arbeitsplätzen gehindert. Sie hat die gewählten BelegschaftsvertreterInnen auf ein nur scheinbar klassenunabhängiges Unternehmensinteresse verpflichtet und spielte eine Rolle dabei, viele von ihnen in Co-Manager des Kapitals zu verwandeln.

Wirkliche Kontrolle eines Betriebs durch die Gesellschaft – und damit die Möglichkeit, die Produktion nach den Bedürfnissen der Gesellschaft zu steuern – ist jedoch nur auf der Basis öffentlichen Eigentums zu erreichen. Ein kapitalistischer Betrieb, in dem der Belegschaft nur eine Mitwirkung an den Entscheidungen des Kapitals eingeräumt wird, verbleibt innerhalb der Konkurrenzlogik des Systems. Der Zwang zum profitorientierten Wirtschaften führt so unweigerlich zu Entscheidungen, die den Interessen der Mehrheit der Bevölkerung zuwider laufen, seien es Arbeitsverdichtung, Lohnkürzungen oder Entlassungen. Auch Entscheidungen für die Umstellung der Produktion auf alternative Produkte (etwa in der Automobilindustrie) blieben dann dem Diktat des Profits unterworfen.

Für eine echte Systemalternative – für eine sozialistische LINKE!

Das Ziel der Vergesellschaftung von Produktionsmitteln im Programmentwurf – das dort auf Betriebe der sogenannten Daseinsvorsorge und strukturbestimmende Unternehmen beschränkt und als eine unbestimmte Mischung von kollektivem und öffentlichem Eigentum präsentiert wird – droht ähnlich wie bei der SPD zu einem Lippenbekenntnis in Sonntagsreden zu werden, wenn der Weg dahin nicht über eine unabhängige Interessenvertretung der Lohnabhängigen, sondern umgekehrt über eine organisierte Klassenzusammenarbeit gesucht werden soll.

Vor allem aber muss die Eigentumsfrage in einen Zusammenhang mit der Produktionsweise gestellt werden. Auch staatliche oder genossenschaftliche Unternehmen, die nach kapitalistischen Gesichtspunkten funktionieren und Profiterzielung erreichen wollen, sind keine Mittel zur Überwindung des Kapitalismus. Nur die Verstaatlichung der großen Banken und Konzerne unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung als Grundlage zur Ersetzung der Profitwirtschaft durch eine demokratische und an den Bedürfnissen von Mensch und Natur ausgerichtete kooperative und demokratische Wirtschaftsplanung ist ein solches Mittel.