Die EU und die Freizügigkeit

Seit 1. Mai gelangen die StaatsbürgerInnen der "EU-8" in den "Genuss" der Freizügigkeit


 

Man muss sich schon wundern. Da gibt es die Europäische Union, eine Gemeinschaft angeblich gleichberechtigter Staaten, und nun, nach sieben Jahren Mitgliedschaft, dürfen sich auch die Menschen der osteuropäischen Mitgliedsländer in der EU frei bewegen und allerorten Arbeit suchen. Wenn bürgerliche Politiker darüber jubeln, dass Menschen endlich Rechte bekommen, die sie sowieso längst haben sollten, ist was faul im "Staate Dänemark"!

von Steve Kühne, Dresden

Laut deutschem Grundgesetz wird jedem in Deutschland lebenden Bürger das Recht eingeräumt, den Wohnort frei zu wählen und sich an diesem Ort auch eine Arbeit zu suchen. Dieses Recht ist ein "Bürgerrecht", kein "Grundrecht", auf hier lebende MigrantInnen kommt es nicht unbedingt zur Anwendung. Dieses Recht auf Freizügigkeit wurde im EU-Vertrag auch für die Europäische Union festgeschrieben. Jeder EU-Bürger kann danach in jedem beliebigen EU-Mitgliedsstaat leben und arbeiten.

Die "EU-8"

Ausgenommen davon waren bis zum 1. Mai 2011 ausdrücklich die im Jahre 2004 in die EU eingetretenen Staaten Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland sowie Litauen.

Die Begründung war, dass das Lohnniveau dieser Staaten zum Teil deutlich unter EU-Niveau lag. Das Problem ist nur, daran hat sich nicht viel geändert! Doch wenn die Begründung, aus der heraus man 2004 den EinwohnerInnen der "EU-8" das Recht auf Freizügigkeit verwehrte, nicht weggefallen ist, warum gesteht man ihnen dann nun das Recht auf freie Arbeitsplatz- und Wohnortwahl zu?

Insbesondere deutsche Unternehmer haben ein Interesse daran, sie hoffen für den deutschen Arbeitsmarkt auf Menschen, die sie für lächerlich geringe Löhne schuften lassen können. Und sie reiben sich die Hände, weil seit dem 1. Mai Beschäftigte in Deutschland zu Löhnen des Herkunftslandes angestellt werden können. Damit winkt in einigen Branchen eine neue Runde des Lohndumpings.

Gerade die Regierenden in der Bundesrepublik hatten im explosiven Jahr 2004, angesichts der Proteste gegen die Einführung von Hartz IV, kein Interesse daran, den Widerstand gegen Sozialabbau weiter anzuheizen. Somit wurde damals die Gewährung der vollen Freizügigkeit für die "EU-8-Bürger" verschoben.

Mindestlohn

Um die Lohnspirale nach unten aufzuhalten, wäre die Einführung eines Mindestlohns von zehn Euro die Stunde, als erster Schritt zu zwölf Euro, ein wirksames Mittel. Auch für KollegInnen aus Osteuropa, um sich gegen die Ausbeuter hier zu wehren. Doch das ist natürlich nicht im Interesse der Unternehmer – auch wenn sie sonst auf EU-Ebene immer die "Konvergenz" beschwören.

Am 1. Mai erklärte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer: "Die gleichen Leute, die junge Menschen nicht ausbilden, und ältere Arbeitnehmer aus dem Betrieb werfen, beklagen jetzt den Mangel an guter Arbeit." Und zeigte damit, wie verlogen es von Seiten der Unternehmer ist, die Freizügigkeit mit dem angeblichen Fachkräftemangel zu begründen. Er forderte einen europaweiten Mindestlohn. Nur den muss man – gemeinsam – erkämpfen. Und für ihre kämpferische Haltung ist die DGB-Führung in den letzten Jahren nicht gerade bekannt.